[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Gräfinn von G** waren meine Wohlthaten wohl blosse Wir-kungen des Mitleidens. Jch hatte ihn nicht mehr, als einmal, und noch dazu in den trau- rigsten Umständen gesehn, als er auf ihre Für- bitte durch meinen Gemahl nach Tobolskoy zurück berufen ward. Jch hörte es gern, wenn mir der Jude seine Danksagungen für meine Vorsorge überbrachte, und was ich nicht wohl durch Befehle ausrichten konnte, das mußte der Jude durch das Geld, das ich ihm gab, bey den Unteraufsehern zu bewerk- stelligen suchen. Er war in ein besser Be- hältniß gebracht, und ich hatte schon aller- hand Mittel ausgesonnen, wie ich ihm bey meiner Zurückreise nach Moskau diese erträg- lichen Umstände dauerhaft machen wollte. Ungefehr nach vier Wochen kam ein Befehl an mein[e]n verstorbnen Gemahl, daß Steeley frey seyn, und bey der ersten Gele- genheit, die man ihm verschaffen könnte, mit einem Passe versehn, und für sein Geld fort- gebracht werden sollte. Jch ließ den Mor- gen darauf den Juden zu mir kommen, und sagte ihm, daß er Steeleyn eiligst zu mir bringen sollte, und daß ich unter der Zeit, da er ihm dieses meldete, die Wache nachschi- cken wollte, ihn abzuholen. Er kam, und ich ließ ihn nebst dem Juden zn mir ins Zim- mer
Graͤfinn von G** waren meine Wohlthaten wohl bloſſe Wir-kungen des Mitleidens. Jch hatte ihn nicht mehr, als einmal, und noch dazu in den trau- rigſten Umſtaͤnden geſehn, als er auf ihre Fuͤr- bitte durch meinen Gemahl nach Tobolskoy zuruͤck berufen ward. Jch hoͤrte es gern, wenn mir der Jude ſeine Dankſagungen fuͤr meine Vorſorge uͤberbrachte, und was ich nicht wohl durch Befehle ausrichten konnte, das mußte der Jude durch das Geld, das ich ihm gab, bey den Unteraufſehern zu bewerk- ſtelligen ſuchen. Er war in ein beſſer Be- haͤltniß gebracht, und ich hatte ſchon aller- hand Mittel ausgeſonnen, wie ich ihm bey meiner Zuruͤckreiſe nach Moskau dieſe ertraͤg- lichen Umſtaͤnde dauerhaft machen wollte. Ungefehr nach vier Wochen kam ein Befehl an mein[e]n verſtorbnen Gemahl, daß Steeley frey ſeyn, und bey der erſten Gele- genheit, die man ihm verſchaffen koͤnnte, mit einem Paſſe verſehn, und fuͤr ſein Geld fort- gebracht werden ſollte. Jch ließ den Mor- gen darauf den Juden zu mir kommen, und ſagte ihm, daß er Steeleyn eiligſt zu mir bringen ſollte, und daß ich unter der Zeit, da er ihm dieſes meldete, die Wache nachſchi- cken wollte, ihn abzuholen. Er kam, und ich ließ ihn nebſt dem Juden zn mir ins Zim- mer
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Graͤfinn von G**
waren meine Wohlthaten wohl bloſſe Wir-
kungen des Mitleidens. Jch hatte ihn nicht
mehr, als einmal, und noch dazu in den trau-
rigſten Umſtaͤnden geſehn, als er auf ihre Fuͤr-
bitte durch meinen Gemahl nach Tobolskoy
zuruͤck berufen ward. Jch hoͤrte es gern,
wenn mir der Jude ſeine Dankſagungen fuͤr
meine Vorſorge uͤberbrachte, und was ich nicht
wohl durch Befehle ausrichten konnte,
das mußte der Jude durch das Geld, das ich
ihm gab, bey den Unteraufſehern zu bewerk-
ſtelligen ſuchen. Er war in ein beſſer Be-
haͤltniß gebracht, und ich hatte ſchon aller-
hand Mittel ausgeſonnen, wie ich ihm bey
meiner Zuruͤckreiſe nach Moskau dieſe ertraͤg-
lichen Umſtaͤnde dauerhaft machen wollte.
Ungefehr nach vier Wochen kam ein
Befehl an meinen verſtorbnen Gemahl, daß
Steeley frey ſeyn, und bey der erſten Gele-
genheit, die man ihm verſchaffen koͤnnte, mit
einem Paſſe verſehn, und fuͤr ſein Geld fort-
gebracht werden ſollte. Jch ließ den Mor-
gen darauf den Juden zu mir kommen, und
ſagte ihm, daß er Steeleyn eiligſt zu mir
bringen ſollte, und daß ich unter der Zeit, da
er ihm dieſes meldete, die Wache nachſchi-
cken wollte, ihn abzuholen. Er kam, und
ich ließ ihn nebſt dem Juden zn mir ins Zim-
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