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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
genen Augen aus der Stube, weil er glaubte,
daß Andreas auch von ihm anfangen würde.
Geht nicht, rief ihm dieser nach, ich will
nichts sagen. Der Herr Graf wird es schon
selbst erzählen. Ach, mein lieber Graf,
sprach Steeley, was ist das für ein Geheimniß?
Darf ichs und die Madam nicht wissen? Wer
ist der Herr R**? Er ist einer von meinen
ältsten Freunden, und wenn ich ihnen alles sa-
gen soll - - hier sahe er mich an und schwieg.
Er war mein Gemahl, sprach ich zu meiner
neuen Freundinn, ehe ich wußte, daß mein
Graf noch lebte. Sie hassen mich doch des-
wegen nicht? Nein, Madam, ich verdiene
ihr Mitleiden und mein Graf - - dieser liebt
euch, fuhr erfort, eben so zärtlich, als iemals.
Sie sah mich beschämt und eilte, mir durch
eine mitleidige Umarmung diese traurigen Au-
genblicke zu verkürzen. Steeley schien wirk-
lich bey dieser Nachricht etwas von seiner Hoch-
achtung gegen mich zu verlieren. Er sah
bald mich, bald den Grafen an. Jst sie denn
nicht mehr eure Gemahlinn? sprach er ganz
heftig. Sie ist meine Gemahlinn, antwortete
ihm der Graf; beunruhigt euch nicht. Jch
weis, daß ihr mich liebt, und mir hat zu
meinem Glücke nichts als der heutige Tag ge-

fehlt.
F 4

Graͤfinn von G**
genen Augen aus der Stube, weil er glaubte,
daß Andreas auch von ihm anfangen wuͤrde.
Geht nicht, rief ihm dieſer nach, ich will
nichts ſagen. Der Herr Graf wird es ſchon
ſelbſt erzaͤhlen. Ach, mein lieber Graf,
ſprach Steeley, was iſt das fuͤr ein Geheimniß?
Darf ichs und die Madam nicht wiſſen? Wer
iſt der Herr R**? Er iſt einer von meinen
aͤltſten Freunden, und wenn ich ihnen alles ſa-
gen ſoll ‒ ‒ hier ſahe er mich an und ſchwieg.
Er war mein Gemahl, ſprach ich zu meiner
neuen Freundinn, ehe ich wußte, daß mein
Graf noch lebte. Sie haſſen mich doch des-
wegen nicht? Nein, Madam, ich verdiene
ihr Mitleiden und mein Graf ‒ ‒ dieſer liebt
euch, fuhr erfort, eben ſo zaͤrtlich, als iemals.
Sie ſah mich beſchaͤmt und eilte, mir durch
eine mitleidige Umarmung dieſe traurigen Au-
genblicke zu verkuͤrzen. Steeley ſchien wirk-
lich bey dieſer Nachricht etwas von ſeiner Hoch-
achtung gegen mich zu verlieren. Er ſah
bald mich, bald den Grafen an. Jſt ſie denn
nicht mehr eure Gemahlinn? ſprach er ganz
heftig. Sie iſt meine Gemahlinn, antwortete
ihm der Graf; beunruhigt euch nicht. Jch
weis, daß ihr mich liebt, und mir hat zu
meinem Gluͤcke nichts als der heutige Tag ge-

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[87/0087] Graͤfinn von G** genen Augen aus der Stube, weil er glaubte, daß Andreas auch von ihm anfangen wuͤrde. Geht nicht, rief ihm dieſer nach, ich will nichts ſagen. Der Herr Graf wird es ſchon ſelbſt erzaͤhlen. Ach, mein lieber Graf, ſprach Steeley, was iſt das fuͤr ein Geheimniß? Darf ichs und die Madam nicht wiſſen? Wer iſt der Herr R**? Er iſt einer von meinen aͤltſten Freunden, und wenn ich ihnen alles ſa- gen ſoll ‒ ‒ hier ſahe er mich an und ſchwieg. Er war mein Gemahl, ſprach ich zu meiner neuen Freundinn, ehe ich wußte, daß mein Graf noch lebte. Sie haſſen mich doch des- wegen nicht? Nein, Madam, ich verdiene ihr Mitleiden und mein Graf ‒ ‒ dieſer liebt euch, fuhr erfort, eben ſo zaͤrtlich, als iemals. Sie ſah mich beſchaͤmt und eilte, mir durch eine mitleidige Umarmung dieſe traurigen Au- genblicke zu verkuͤrzen. Steeley ſchien wirk- lich bey dieſer Nachricht etwas von ſeiner Hoch- achtung gegen mich zu verlieren. Er ſah bald mich, bald den Grafen an. Jſt ſie denn nicht mehr eure Gemahlinn? ſprach er ganz heftig. Sie iſt meine Gemahlinn, antwortete ihm der Graf; beunruhigt euch nicht. Jch weis, daß ihr mich liebt, und mir hat zu meinem Gluͤcke nichts als der heutige Tag ge- fehlt. F 4

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 87. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/87>, abgerufen am 24.11.2024.