Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Gräfinn von G**
ihnen eingenommen. Fragen sie doch mich, ich
wills ihnen aufrichtig sagen, ich und das Mäd-
chen in Siberien, wir - - Hier trat Steeley,
mit einem Frauenzimmer an der Hand, herein,
aus deren Gesichte Anmuth und Freude lach-
ten. Sie gieng in Amazonenkleidern, und je-
der Zug in ihrer Bildung war ein Abdruck der
Gefälligkeit und der Liebe. Ach Gott! rief der
Graf, wen sehe ich? Jst es möglich, Madam?
oder betrügen mich meine Augen? das ist zu
viel Glück auf einen Tag! Madam, redte mich
Steeley an, indem ich noch vor Erstaunen
immer auf einer Stelle stund: Hier bringe ich
ihnen meine liebe Reisegefährtinn und bitte für
sie um ihre Freundschaft. Jch wußte noch
nicht, wen ich umarmte, oder wollte es doch
nicht sobald wissen, um mein Vergnügen zu
verlängern. Sie selbst schien mich aus eben
der Ursache in der Ungewißheit zu lassen.
Glaubt es doch, rief mir endlich mein Gemahl
zu, sie ist es, der ich meine Befreyung zu dan-
ken habe; sie hat mich euch wieder ge-
geben. Ja, Madam, fieng sie an, für diesen
Dienst suche ich itzt die Belohnung bey ihnen,
und ich bitte nicht um ihre Freundschaft, son-
dern ich fodere sie von ihnen. Jst es ihnen
denn recht lieb, daß sie mich sehn? Ja, ich se-

he
F 3

Graͤfinn von G**
ihnen eingenommen. Fragen ſie doch mich, ich
wills ihnen aufrichtig ſagen, ich und das Maͤd-
chen in Siberien, wir ‒ ‒ Hier trat Steeley,
mit einem Frauenzimmer an der Hand, herein,
aus deren Geſichte Anmuth und Freude lach-
ten. Sie gieng in Amazonenkleidern, und je-
der Zug in ihrer Bildung war ein Abdruck der
Gefaͤlligkeit und der Liebe. Ach Gott! rief der
Graf, wen ſehe ich? Jſt es moͤglich, Madam?
oder betruͤgen mich meine Augen? das iſt zu
viel Gluͤck auf einen Tag! Madam, redte mich
Steeley an, indem ich noch vor Erſtaunen
immer auf einer Stelle ſtund: Hier bringe ich
ihnen meine liebe Reiſegefaͤhrtinn und bitte fuͤr
ſie um ihre Freundſchaft. Jch wußte noch
nicht, wen ich umarmte, oder wollte es doch
nicht ſobald wiſſen, um mein Vergnuͤgen zu
verlaͤngern. Sie ſelbſt ſchien mich aus eben
der Urſache in der Ungewißheit zu laſſen.
Glaubt es doch, rief mir endlich mein Gemahl
zu, ſie iſt es, der ich meine Befreyung zu dan-
ken habe; ſie hat mich euch wieder ge-
geben. Ja, Madam, fieng ſie an, fuͤr dieſen
Dienſt ſuche ich itzt die Belohnung bey ihnen,
und ich bitte nicht um ihre Freundſchaft, ſon-
dern ich fodere ſie von ihnen. Jſt es ihnen
denn recht lieb, daß ſie mich ſehn? Ja, ich ſe-

he
F 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0085" n="85"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gra&#x0364;finn von G**</hi></fw><lb/>
ihnen eingenommen. Fragen &#x017F;ie doch mich, ich<lb/>
wills ihnen aufrichtig &#x017F;agen, ich und das Ma&#x0364;d-<lb/>
chen in Siberien, wir &#x2012; &#x2012; Hier trat Steeley,<lb/>
mit einem Frauenzimmer an der Hand, herein,<lb/>
aus deren Ge&#x017F;ichte Anmuth und Freude lach-<lb/>
ten. Sie gieng in Amazonenkleidern, und je-<lb/>
der Zug in ihrer Bildung war ein Abdruck der<lb/>
Gefa&#x0364;lligkeit und der Liebe. Ach Gott! rief der<lb/>
Graf, wen &#x017F;ehe ich? J&#x017F;t es mo&#x0364;glich, Madam?<lb/>
oder betru&#x0364;gen mich meine Augen? das i&#x017F;t zu<lb/>
viel Glu&#x0364;ck auf einen Tag! Madam, redte mich<lb/>
Steeley an, indem ich noch vor Er&#x017F;taunen<lb/>
immer auf einer Stelle &#x017F;tund: Hier bringe ich<lb/>
ihnen meine liebe Rei&#x017F;egefa&#x0364;hrtinn und bitte fu&#x0364;r<lb/>
&#x017F;ie um ihre Freund&#x017F;chaft. Jch wußte noch<lb/>
nicht, wen ich umarmte, oder wollte es doch<lb/>
nicht &#x017F;obald wi&#x017F;&#x017F;en, um mein Vergnu&#x0364;gen zu<lb/>
verla&#x0364;ngern. Sie &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chien mich aus eben<lb/>
der Ur&#x017F;ache in der Ungewißheit zu la&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
Glaubt es doch, rief mir endlich mein Gemahl<lb/>
zu, &#x017F;ie i&#x017F;t es, der ich meine Befreyung zu dan-<lb/>
ken habe; &#x017F;ie hat mich euch wieder ge-<lb/>
geben. Ja, Madam, fieng &#x017F;ie an, fu&#x0364;r die&#x017F;en<lb/>
Dien&#x017F;t &#x017F;uche ich itzt die Belohnung bey ihnen,<lb/>
und ich bitte nicht um ihre Freund&#x017F;chaft, &#x017F;on-<lb/>
dern ich fodere &#x017F;ie von ihnen. J&#x017F;t es ihnen<lb/>
denn recht lieb, daß &#x017F;ie mich &#x017F;ehn? Ja, ich &#x017F;e-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 3</fw><fw place="bottom" type="catch">he</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[85/0085] Graͤfinn von G** ihnen eingenommen. Fragen ſie doch mich, ich wills ihnen aufrichtig ſagen, ich und das Maͤd- chen in Siberien, wir ‒ ‒ Hier trat Steeley, mit einem Frauenzimmer an der Hand, herein, aus deren Geſichte Anmuth und Freude lach- ten. Sie gieng in Amazonenkleidern, und je- der Zug in ihrer Bildung war ein Abdruck der Gefaͤlligkeit und der Liebe. Ach Gott! rief der Graf, wen ſehe ich? Jſt es moͤglich, Madam? oder betruͤgen mich meine Augen? das iſt zu viel Gluͤck auf einen Tag! Madam, redte mich Steeley an, indem ich noch vor Erſtaunen immer auf einer Stelle ſtund: Hier bringe ich ihnen meine liebe Reiſegefaͤhrtinn und bitte fuͤr ſie um ihre Freundſchaft. Jch wußte noch nicht, wen ich umarmte, oder wollte es doch nicht ſobald wiſſen, um mein Vergnuͤgen zu verlaͤngern. Sie ſelbſt ſchien mich aus eben der Urſache in der Ungewißheit zu laſſen. Glaubt es doch, rief mir endlich mein Gemahl zu, ſie iſt es, der ich meine Befreyung zu dan- ken habe; ſie hat mich euch wieder ge- geben. Ja, Madam, fieng ſie an, fuͤr dieſen Dienſt ſuche ich itzt die Belohnung bey ihnen, und ich bitte nicht um ihre Freundſchaft, ſon- dern ich fodere ſie von ihnen. Jſt es ihnen denn recht lieb, daß ſie mich ſehn? Ja, ich ſe- he F 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/85
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/85>, abgerufen am 28.04.2024.