[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Grafinn von G** Compliment. Der Grafkam auf uns zu, undwir umarmten uns alle drey zugleich. O was ist das Vergnügen der Freundschaft für eine Wollust, und wie wallen empfindliche Herzen einander in so glücklichen Augenblicken entge- gen! Man sieht einander schweigend an, und die Seele ist doch nie beredter, als bey einem solchen Stillschweigen. Sie sagt in einem Bli- cke, in einem Kusse ganze Reihen von Em- pfindungen und Gedanken auf einmal, ohne sie zu verwirren. Caroline und der Herr R** theilten ihre Freude mit der unsrigen, und wir traten alle viere um Steeleyn und waren alle ein Freund. Dem Andreas mochte unsre Be- willkommung zu lange dauern; er zog mich und Carolinen bey Seite. Jhr Leute, sprach er ganz bestrafend, vergeßt doch nicht, daß ihr Frauenzimmer seyd und - - Setzt euch alle nieder, sonst muß ich den ganzen Tag euern Umarmungen zusehen. Thut es, wenn ich nicht dabey bin. Wir wollen heute lustig und nicht so niedergeschlagen seyn. Und damit muß- ten wir uns niedersetzen. Herr Graf, fuhr er darauf fort, habe ichs nicht listig gemacht? Wir merkten, daß er für seine Erfindung be- lohnt seyn wollte, und er war es werth, daß wir ihm unser eigen Vergnügen etliche Minu- ten aufopferten. Mein Gemahl hatte schon zehn F 2
Grafinn von G** Compliment. Der Grafkam auf uns zu, undwir umarmten uns alle drey zugleich. O was iſt das Vergnuͤgen der Freundſchaft fuͤr eine Wolluſt, und wie wallen empfindliche Herzen einander in ſo gluͤcklichen Augenblicken entge- gen! Man ſieht einander ſchweigend an, und die Seele iſt doch nie beredter, als bey einem ſolchen Stillſchweigen. Sie ſagt in einem Bli- cke, in einem Kuſſe ganze Reihen von Em- pfindungen und Gedanken auf einmal, ohne ſie zu verwirren. Caroline und der Herr R** theilten ihre Freude mit der unſrigen, und wir traten alle viere um Steeleyn und waren alle ein Freund. Dem Andreas mochte unſre Be- willkommung zu lange dauern; er zog mich und Carolinen bey Seite. Jhr Leute, ſprach er ganz beſtrafend, vergeßt doch nicht, daß ihr Frauenzimmer ſeyd und ‒ ‒ Setzt euch alle nieder, ſonſt muß ich den ganzen Tag euern Umarmungen zuſehen. Thut es, wenn ich nicht dabey bin. Wir wollen heute luſtig und nicht ſo niedergeſchlagen ſeyn. Und damit muß- ten wir uns niederſetzen. Herr Graf, fuhr er darauf fort, habe ichs nicht liſtig gemacht? Wir merkten, daß er fuͤr ſeine Erfindung be- lohnt ſeyn wollte, und er war es werth, daß wir ihm unſer eigen Vergnuͤgen etliche Minu- ten aufopferten. Mein Gemahl hatte ſchon zehn F 2
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Grafinn von G**
Compliment. Der Grafkam auf uns zu, und
wir umarmten uns alle drey zugleich. O was
iſt das Vergnuͤgen der Freundſchaft fuͤr eine
Wolluſt, und wie wallen empfindliche Herzen
einander in ſo gluͤcklichen Augenblicken entge-
gen! Man ſieht einander ſchweigend an, und
die Seele iſt doch nie beredter, als bey einem
ſolchen Stillſchweigen. Sie ſagt in einem Bli-
cke, in einem Kuſſe ganze Reihen von Em-
pfindungen und Gedanken auf einmal, ohne
ſie zu verwirren. Caroline und der Herr R**
theilten ihre Freude mit der unſrigen, und wir
traten alle viere um Steeleyn und waren alle
ein Freund. Dem Andreas mochte unſre Be-
willkommung zu lange dauern; er zog mich
und Carolinen bey Seite. Jhr Leute, ſprach
er ganz beſtrafend, vergeßt doch nicht, daß ihr
Frauenzimmer ſeyd und ‒ ‒ Setzt euch alle
nieder, ſonſt muß ich den ganzen Tag euern
Umarmungen zuſehen. Thut es, wenn ich
nicht dabey bin. Wir wollen heute luſtig und
nicht ſo niedergeſchlagen ſeyn. Und damit muß-
ten wir uns niederſetzen. Herr Graf, fuhr er
darauf fort, habe ichs nicht liſtig gemacht?
Wir merkten, daß er fuͤr ſeine Erfindung be-
lohnt ſeyn wollte, und er war es werth, daß
wir ihm unſer eigen Vergnuͤgen etliche Minu-
ten aufopferten. Mein Gemahl hatte ſchon
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