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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Leben der Schwedischen
Kleinigkeiten, welche die Gemahlinn des Gou-
verneurs angiengen, deren Brief an ihre Stief-
Schwester nach Curland mein Gemahl wieder
zurück bekommen hatte, weil sie todt war.
R** wollte immer mehr von der wunderlichen
Gemüthsart des Gouverneurs wissen, und
Caroline blieb bey aller Gelegenheit bey Stee-
leyn stehn. Andreas trat aus der Nebenstu-
be wieder herein, als wollte er uns zuhören.
Habe ich ihn euch denn noch nicht genug be-
schrieben? sagte mein Gemahl zu Carolinen.
Habt ihr euch denn gar in ihn verliebt? Frey-
lich sah er vortheilhaft aus, sonst würde ihm
das Cosackische Mädchen nicht so gut gewesen
seyn. Er hatte grosse schwarze Augen, wie
ihr, und - - Jndem öffnete Andreas, der
nah an der Thüre stund, das Nebenzimmer und
rief, nach seinen Gedanken, ganz sinnreich: sah
er etwan wie dieser Herr aus? und in dem
Augenblicke stund Steeley vor uns. Der
Graf zitterte, daß er kaum von dem Sessel auf-
stehen konnte, und wir sahen ihren Umarmun-
gen mit einem freudigen Schauer lange zu.
Nun, schrie endlich Steeley, nun sind wir für
alle unser Elend belohnet, und riß sich von dem
Grafen los, und ich eilte ihm mit offnen Armen
entgegen. Ach Madam, fieng er an, ich - - ich -
ja, ja, sie sind es - - und das war sein ganzes

Com-

Leben der Schwediſchen
Kleinigkeiten, welche die Gemahlinn des Gou-
verneurs angiengen, deren Brief an ihre Stief-
Schweſter nach Curland mein Gemahl wieder
zuruͤck bekommen hatte, weil ſie todt war.
R** wollte immer mehr von der wunderlichen
Gemuͤthsart des Gouverneurs wiſſen, und
Caroline blieb bey aller Gelegenheit bey Stee-
leyn ſtehn. Andreas trat aus der Nebenſtu-
be wieder herein, als wollte er uns zuhoͤren.
Habe ich ihn euch denn noch nicht genug be-
ſchrieben? ſagte mein Gemahl zu Carolinen.
Habt ihr euch denn gar in ihn verliebt? Frey-
lich ſah er vortheilhaft aus, ſonſt wuͤrde ihm
das Coſackiſche Maͤdchen nicht ſo gut geweſen
ſeyn. Er hatte groſſe ſchwarze Augen, wie
ihr, und ‒ ‒ Jndem oͤffnete Andreas, der
nah an der Thuͤre ſtund, das Nebenzimmer und
rief, nach ſeinen Gedanken, ganz ſinnreich: ſah
er etwan wie dieſer Herr aus? und in dem
Augenblicke ſtund Steeley vor uns. Der
Graf zitterte, daß er kaum von dem Seſſel auf-
ſtehen konnte, und wir ſahen ihren Umarmun-
gen mit einem freudigen Schauer lange zu.
Nun, ſchrie endlich Steeley, nun ſind wir fuͤr
alle unſer Elend belohnet, und riß ſich von dem
Grafen los, und ich eilte ihm mit offnen Armen
entgegen. Ach Madam, fieng er an, ich ‒ ‒ ich ‒
ja, ja, ſie ſind es ‒ ‒ und das war ſein ganzes

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[82/0082] Leben der Schwediſchen Kleinigkeiten, welche die Gemahlinn des Gou- verneurs angiengen, deren Brief an ihre Stief- Schweſter nach Curland mein Gemahl wieder zuruͤck bekommen hatte, weil ſie todt war. R** wollte immer mehr von der wunderlichen Gemuͤthsart des Gouverneurs wiſſen, und Caroline blieb bey aller Gelegenheit bey Stee- leyn ſtehn. Andreas trat aus der Nebenſtu- be wieder herein, als wollte er uns zuhoͤren. Habe ich ihn euch denn noch nicht genug be- ſchrieben? ſagte mein Gemahl zu Carolinen. Habt ihr euch denn gar in ihn verliebt? Frey- lich ſah er vortheilhaft aus, ſonſt wuͤrde ihm das Coſackiſche Maͤdchen nicht ſo gut geweſen ſeyn. Er hatte groſſe ſchwarze Augen, wie ihr, und ‒ ‒ Jndem oͤffnete Andreas, der nah an der Thuͤre ſtund, das Nebenzimmer und rief, nach ſeinen Gedanken, ganz ſinnreich: ſah er etwan wie dieſer Herr aus? und in dem Augenblicke ſtund Steeley vor uns. Der Graf zitterte, daß er kaum von dem Seſſel auf- ſtehen konnte, und wir ſahen ihren Umarmun- gen mit einem freudigen Schauer lange zu. Nun, ſchrie endlich Steeley, nun ſind wir fuͤr alle unſer Elend belohnet, und riß ſich von dem Grafen los, und ich eilte ihm mit offnen Armen entgegen. Ach Madam, fieng er an, ich ‒ ‒ ich ‒ ja, ja, ſie ſind es ‒ ‒ und das war ſein ganzes Com-

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/82>, abgerufen am 28.04.2024.