[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen sich seinen Abschied nicht noch saurer zu ma-chen. Der rechtschaffene Mann! Vielleicht würden viele von diesem Volke beßre Herzen haben, wenn wir sie nicht durch Verachtung und listige Gewaltthätigkeiten niederträchtig und betrügerisch in ihren Handlungen mach- ten, und sie nicht oft durch unsere Aufführung nöthigten, unsere Religion zu hassen. R** begleitete den Alten etliche Meilen und konnte gar nicht aufhören, seinen uneigennützigen und gros- sen Charakter zu bewundern. Unter allen Merkmalen der Freundschaft, die wir ihm er- wiesen, rührte ihn nichts so sehr, als dieses, daß ihn der Graf abmalen und das Bild in seine Studierstube setzen ließ. Auf diese Freude folgte in einigen Wo- ren,
Leben der Schwediſchen ſich ſeinen Abſchied nicht noch ſaurer zu ma-chen. Der rechtſchaffene Mann! Vielleicht wuͤrden viele von dieſem Volke beßre Herzen haben, wenn wir ſie nicht durch Verachtung und liſtige Gewaltthaͤtigkeiten niedertraͤchtig und betruͤgeriſch in ihren Handlungen mach- ten, und ſie nicht oft durch unſere Auffuͤhrung noͤthigten, unſere Religion zu haſſen. R** begleitete den Alten etliche Meilen und koñte gar nicht aufhoͤren, ſeinen uneigennuͤtzigen und groſ- ſen Charakter zu bewundern. Unter allen Merkmalen der Freundſchaft, die wir ihm er- wieſen, ruͤhrte ihn nichts ſo ſehr, als dieſes, daß ihn der Graf abmalen und das Bild in ſeine Studierſtube ſetzen ließ. Auf dieſe Freude folgte in einigen Wo- ren,
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Leben der Schwediſchen
ſich ſeinen Abſchied nicht noch ſaurer zu ma-
chen. Der rechtſchaffene Mann! Vielleicht
wuͤrden viele von dieſem Volke beßre Herzen
haben, wenn wir ſie nicht durch Verachtung
und liſtige Gewaltthaͤtigkeiten niedertraͤchtig
und betruͤgeriſch in ihren Handlungen mach-
ten, und ſie nicht oft durch unſere Auffuͤhrung
noͤthigten, unſere Religion zu haſſen. R**
begleitete den Alten etliche Meilen und koñte gar
nicht aufhoͤren, ſeinen uneigennuͤtzigen und groſ-
ſen Charakter zu bewundern. Unter allen
Merkmalen der Freundſchaft, die wir ihm er-
wieſen, ruͤhrte ihn nichts ſo ſehr, als dieſes,
daß ihn der Graf abmalen und das Bild in
ſeine Studierſtube ſetzen ließ.
Auf dieſe Freude folgte in einigen Wo-
chen eine noch groͤſſere und eben ſo unvermu-
thete. Andreas, Carolinens Bruder, war
gewohnt, alle Jahre ſeinen Geburtstag zu fey-
ern. Er kam einſtens ſehr fruͤh zu uns und
ſagte, weil er genoͤthigt waͤre, auf etliche Wo-
chen zu verreiſen, und weil ſein Geburtstag
morgen einfiele: ſo wollte er ihn heute feyern
und uns bitten, uns gleich mit ihm auf eine
Gondel zu ſetzen und einmal einen ganzen Tag
in ſeinem Hauſe zuzubringen. Wir lieſſen
es uns gefallen, und weil wir bey dem Thee
gleich mit dem Briefe beſchaͤfftigt geweſen wa-
ren,
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Zitationshilfe: | [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/80>, abgerufen am 16.02.2025. |