[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Gräfinn von G** habe. Jch bin alt, und ich werde sie alle indieser Welt wohl nicht wieder sehn. Jch ha- be keine Kinder, und wenn ich nicht bey mei- nem Weibe sterben wollte: so würde ich mich auf meine alten Tage hier niederlassen. Wir nahmen alle als von einem Vater Abschied von ihm. Ach Herr Graf, fieng er endlich ganz furchtsam an, sie haben mich für meine Dienste reichlich belohnt; aber ich bin gegen sie noch nicht dankbar genug gewesen, daß sie mir das Leben mit ihrer eignen Gefahr erhal- ten haben. Sie wissen, daß ich mehr Vermö- gen habe, als ich und meine Frau bedürfen. Jch habe hier in der Bank ein Capital von zehn- tausend Thalern zu heben. Erlauben sie mir die Freude, daß ichs ihrer kleinen Tochter schenken darf, und nehmen sie den Schein von mir an. Wir versicherten ihn, daß unsere Umstände so beschaffen wären, daß wir nicht Ursache hätten, ihm einen Theil von seinem Vermögen zu entziehn; allein er beklagte sich, daß wir seine Gutwilligkeit verachten wollten, und zwang uns, das Geschenk anzunehmen. Er gieng darauf zu unsrer Tochter und knüpfte ihr noch ein sehr kostbares Halsband um den Hals. Er beschenkte auch das unglückliche Mädchen, das ich zu mir genommen hatte, sehr reichlich, und eilte alsdann, was er konnte, um sich
Graͤfinn von G** habe. Jch bin alt, und ich werde ſie alle indieſer Welt wohl nicht wieder ſehn. Jch ha- be keine Kinder, und wenn ich nicht bey mei- nem Weibe ſterben wollte: ſo wuͤrde ich mich auf meine alten Tage hier niederlaſſen. Wir nahmen alle als von einem Vater Abſchied von ihm. Ach Herr Graf, fieng er endlich ganz furchtſam an, ſie haben mich fuͤr meine Dienſte reichlich belohnt; aber ich bin gegen ſie noch nicht dankbar genug geweſen, daß ſie mir das Leben mit ihrer eignen Gefahr erhal- ten haben. Sie wiſſen, daß ich mehr Vermoͤ- gen habe, als ich und meine Frau beduͤrfen. Jch habe hier in der Bank ein Capital von zehn- tauſend Thalern zu heben. Erlauben ſie mir die Freude, daß ichs ihrer kleinen Tochter ſchenken darf, und nehmen ſie den Schein von mir an. Wir verſicherten ihn, daß unſere Umſtaͤnde ſo beſchaffen waͤren, daß wir nicht Urſache haͤtten, ihm einen Theil von ſeinem Vermoͤgen zu entziehn; allein er beklagte ſich, daß wir ſeine Gutwilligkeit verachten wollten, und zwang uns, das Geſchenk anzunehmen. Er gieng darauf zu unſrer Tochter und knuͤpfte ihr noch ein ſehr koſtbares Halsband um den Hals. Er beſchenkte auch das ungluͤckliche Maͤdchen, das ich zu mir genommen hatte, ſehr reichlich, und eilte alsdann, was er konnte, um ſich
<TEI> <text> <body> <p><pb facs="#f0079" n="79"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Graͤfinn von G**</hi></fw><lb/> habe. Jch bin alt, und ich werde ſie alle in<lb/> dieſer Welt wohl nicht wieder ſehn. Jch ha-<lb/> be keine Kinder, und wenn ich nicht bey mei-<lb/> nem Weibe ſterben wollte: ſo wuͤrde ich<lb/> mich auf meine alten Tage hier niederlaſſen.<lb/> Wir nahmen alle als von einem Vater Abſchied<lb/> von ihm. Ach Herr Graf, fieng er endlich<lb/> ganz furchtſam an, ſie haben mich fuͤr meine<lb/> Dienſte reichlich belohnt; aber ich bin gegen<lb/> ſie noch nicht dankbar genug geweſen, daß ſie<lb/> mir das Leben mit ihrer eignen Gefahr erhal-<lb/> ten haben. Sie wiſſen, daß ich mehr Vermoͤ-<lb/> gen habe, als ich und meine Frau beduͤrfen. Jch<lb/> habe hier in der Bank ein Capital von zehn-<lb/> tauſend Thalern zu heben. Erlauben ſie mir<lb/> die Freude, daß ichs ihrer kleinen Tochter<lb/> ſchenken darf, und nehmen ſie den Schein von<lb/> mir an. Wir verſicherten ihn, daß unſere<lb/> Umſtaͤnde ſo beſchaffen waͤren, daß wir nicht<lb/> Urſache haͤtten, ihm einen Theil von ſeinem<lb/> Vermoͤgen zu entziehn; allein er beklagte ſich,<lb/> daß wir ſeine Gutwilligkeit verachten wollten,<lb/> und zwang uns, das Geſchenk anzunehmen.<lb/> Er gieng darauf zu unſrer Tochter und knuͤpfte<lb/> ihr noch ein ſehr koſtbares Halsband um den<lb/> Hals. Er beſchenkte auch das ungluͤckliche<lb/> Maͤdchen, das ich zu mir genommen hatte, ſehr<lb/> reichlich, und eilte alsdann, was er konnte, um<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſich</fw><lb/></p> </body> </text> </TEI> [79/0079]
Graͤfinn von G**
habe. Jch bin alt, und ich werde ſie alle in
dieſer Welt wohl nicht wieder ſehn. Jch ha-
be keine Kinder, und wenn ich nicht bey mei-
nem Weibe ſterben wollte: ſo wuͤrde ich
mich auf meine alten Tage hier niederlaſſen.
Wir nahmen alle als von einem Vater Abſchied
von ihm. Ach Herr Graf, fieng er endlich
ganz furchtſam an, ſie haben mich fuͤr meine
Dienſte reichlich belohnt; aber ich bin gegen
ſie noch nicht dankbar genug geweſen, daß ſie
mir das Leben mit ihrer eignen Gefahr erhal-
ten haben. Sie wiſſen, daß ich mehr Vermoͤ-
gen habe, als ich und meine Frau beduͤrfen. Jch
habe hier in der Bank ein Capital von zehn-
tauſend Thalern zu heben. Erlauben ſie mir
die Freude, daß ichs ihrer kleinen Tochter
ſchenken darf, und nehmen ſie den Schein von
mir an. Wir verſicherten ihn, daß unſere
Umſtaͤnde ſo beſchaffen waͤren, daß wir nicht
Urſache haͤtten, ihm einen Theil von ſeinem
Vermoͤgen zu entziehn; allein er beklagte ſich,
daß wir ſeine Gutwilligkeit verachten wollten,
und zwang uns, das Geſchenk anzunehmen.
Er gieng darauf zu unſrer Tochter und knuͤpfte
ihr noch ein ſehr koſtbares Halsband um den
Hals. Er beſchenkte auch das ungluͤckliche
Maͤdchen, das ich zu mir genommen hatte, ſehr
reichlich, und eilte alsdann, was er konnte, um
ſich
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |