[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen fühlte ich, wieviel beleidigendes diese Geschich-te für den Grafen in sich hatte, und wie viel krän- kendes für mich und für den Herrn R**. Jch ward verzagt. Der Graf gab mir die theuer- sten Versicherungen, daß er durch nichts belei- digt würde; allein ich kam nicht weiter, als bis auf die Geburt meiner Tochter. Jch samm- lete alle meine Kräfte; ich fieng zehnmal wie- der an; doch mein ganzes Herz weigerte sich, mich fortfahren zu lassen; ich schwieg. Nun sprach der Graf mit einer liebreichen Mine, diese kleine Marter, die ich euch itzt gemacht habe, das soll die Strafe für eure Untreue seyn, und umarmte mich. Und ihr mein lieber R** fuhr er fort, schlagt eure Augen immer wieder auf und seht zu eurer Strafe eure vorige Gemahlinn in meinen Armen. Er küßte ihn, und ich mußte es auch thun. Nein, sprach er, sie hat euch geliebt und ihr habt es verdient, und wenn ich sterbe, so liebt sie euch wieder. Wir haben uns alle kein Vergehn, sondern nur das Unglück vorzuwerfen. Ma- riane, (sie saß bey mir), seht nur, wie euch meine Gemahlinn betrachtet. Kann sie sich wohl besser an mir rächen, als durch eure Ge- genwart? Jch war unermüdet, dem Grafen alle die bracht.
Leben der Schwediſchen fuͤhlte ich, wieviel beleidigendes dieſe Geſchich-te fuͤr den Grafen in ſich hatte, und wie viel kraͤn- kendes fuͤr mich und fuͤr den Herrn R**. Jch ward verzagt. Der Graf gab mir die theuer- ſten Verſicherungen, daß er durch nichts belei- digt wuͤrde; allein ich kam nicht weiter, als bis auf die Geburt meiner Tochter. Jch ſamm- lete alle meine Kraͤfte; ich fieng zehnmal wie- der an; doch mein ganzes Herz weigerte ſich, mich fortfahren zu laſſen; ich ſchwieg. Nun ſprach der Graf mit einer liebreichen Mine, dieſe kleine Marter, die ich euch itzt gemacht habe, das ſoll die Strafe fuͤr eure Untreue ſeyn, und umarmte mich. Und ihr mein lieber R** fuhr er fort, ſchlagt eure Augen immer wieder auf und ſeht zu eurer Strafe eure vorige Gemahlinn in meinen Armen. Er kuͤßte ihn, und ich mußte es auch thun. Nein, ſprach er, ſie hat euch geliebt und ihr habt es verdient, und wenn ich ſterbe, ſo liebt ſie euch wieder. Wir haben uns alle kein Vergehn, ſondern nur das Ungluͤck vorzuwerfen. Ma- riane, (ſie ſaß bey mir), ſeht nur, wie euch meine Gemahlinn betrachtet. Kann ſie ſich wohl beſſer an mir raͤchen, als durch eure Ge- genwart? Jch war unermuͤdet, dem Grafen alle die bracht.
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Leben der Schwediſchen
fuͤhlte ich, wieviel beleidigendes dieſe Geſchich-
te fuͤr den Grafen in ſich hatte, und wie viel kraͤn-
kendes fuͤr mich und fuͤr den Herrn R**. Jch
ward verzagt. Der Graf gab mir die theuer-
ſten Verſicherungen, daß er durch nichts belei-
digt wuͤrde; allein ich kam nicht weiter, als
bis auf die Geburt meiner Tochter. Jch ſamm-
lete alle meine Kraͤfte; ich fieng zehnmal wie-
der an; doch mein ganzes Herz weigerte ſich,
mich fortfahren zu laſſen; ich ſchwieg. Nun
ſprach der Graf mit einer liebreichen Mine,
dieſe kleine Marter, die ich euch itzt gemacht
habe, das ſoll die Strafe fuͤr eure Untreue ſeyn,
und umarmte mich. Und ihr mein lieber
R** fuhr er fort, ſchlagt eure Augen immer
wieder auf und ſeht zu eurer Strafe eure
vorige Gemahlinn in meinen Armen. Er
kuͤßte ihn, und ich mußte es auch thun. Nein,
ſprach er, ſie hat euch geliebt und ihr habt es
verdient, und wenn ich ſterbe, ſo liebt ſie euch
wieder. Wir haben uns alle kein Vergehn,
ſondern nur das Ungluͤck vorzuwerfen. Ma-
riane, (ſie ſaß bey mir), ſeht nur, wie euch
meine Gemahlinn betrachtet. Kann ſie ſich
wohl beſſer an mir raͤchen, als durch eure Ge-
genwart?
Jch war unermuͤdet, dem Grafen alle die
Augenblicke zu erſetzen, die er ohne mich zuge-
bracht.
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