Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Gräfinn von G**
sie ihr Wort gehalten hätten. Jch schrieb an
meinen Freund; doch ehe der Brief fortgieng,
ließ mich der Agent rufen, und sagte mir, daß
er endlich so glücklich gewesen wäre, sich um
seinen Landsmann verdient zu machen; seine
Befreyung wäre in dem Senate unterzeich-
net worden, und er hätte das Versprechen er-
halten, daß Steeley binnen drey oder vier Mo-
naten aus Siberien zurückgebracht und frey-
gelassen werden sollte. Jch dankte dem Agen-
ten nicht anders, als ob er mir diese Wohl-
that selbst erwiesen hätte, und eilte meinem
Freunde diese freudige Nachricht zu melden.
Die Juden reisten ab, und ich war wirklich
willens, Steeleys Ankunft zu erwarten. Doch
die Liebe siegte über die Freundschaft und das
Verlangen euch zu suchen, machte mir meinen
Auffenthalt in Moskau unerträglich. Jch
wollte fort, ohne zu wissen, wohin. Der
Handel in die Schwedischen Lande war noch
verboten. Jch wollte nach Dännemark, weil
ich mir einbildete, daß ihr euch vielleicht dahin
gewendet haben würdet: allein Tompson be-
redte mich, daß ich mit einem Holländischen
Schiffe, dessen Ladung er in Commission hat-
te, und das in Archangel segelfertig lag, nach
Holland gehn sollte. Er gab mir eine Addres-
se an den Kaufmann mit, dem die Waaren des

Schiffs
E 2

Graͤfinn von G**
ſie ihr Wort gehalten haͤtten. Jch ſchrieb an
meinen Freund; doch ehe der Brief fortgieng,
ließ mich der Agent rufen, und ſagte mir, daß
er endlich ſo gluͤcklich geweſen waͤre, ſich um
ſeinen Landsmann verdient zu machen; ſeine
Befreyung waͤre in dem Senate unterzeich-
net worden, und er haͤtte das Verſprechen er-
halten, daß Steeley binnen drey oder vier Mo-
naten aus Siberien zuruͤckgebracht und frey-
gelaſſen werden ſollte. Jch dankte dem Agen-
ten nicht anders, als ob er mir dieſe Wohl-
that ſelbſt erwieſen haͤtte, und eilte meinem
Freunde dieſe freudige Nachricht zu melden.
Die Juden reiſten ab, und ich war wirklich
willens, Steeleys Ankunft zu erwarten. Doch
die Liebe ſiegte uͤber die Freundſchaft und das
Verlangen euch zu ſuchen, machte mir meinen
Auffenthalt in Moskau unertraͤglich. Jch
wollte fort, ohne zu wiſſen, wohin. Der
Handel in die Schwediſchen Lande war noch
verboten. Jch wollte nach Daͤnnemark, weil
ich mir einbildete, daß ihr euch vielleicht dahin
gewendet haben wuͤrdet: allein Tompſon be-
redte mich, daß ich mit einem Hollaͤndiſchen
Schiffe, deſſen Ladung er in Commiſſion hat-
te, und das in Archangel ſegelfertig lag, nach
Holland gehn ſollte. Er gab mir eine Addreſ-
ſe an den Kaufmann mit, dem die Waaren des

Schiffs
E 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0067" n="67"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gra&#x0364;finn von G**</hi></fw><lb/>
&#x017F;ie ihr Wort gehalten ha&#x0364;tten. Jch &#x017F;chrieb an<lb/>
meinen Freund; doch ehe der Brief fortgieng,<lb/>
ließ mich der Agent rufen, und &#x017F;agte mir, daß<lb/>
er endlich &#x017F;o glu&#x0364;cklich gewe&#x017F;en wa&#x0364;re, &#x017F;ich um<lb/>
&#x017F;einen Landsmann verdient zu machen; &#x017F;eine<lb/>
Befreyung wa&#x0364;re in dem Senate unterzeich-<lb/>
net worden, und er ha&#x0364;tte das Ver&#x017F;prechen er-<lb/>
halten, daß Steeley binnen drey oder vier Mo-<lb/>
naten aus Siberien zuru&#x0364;ckgebracht und frey-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;en werden &#x017F;ollte. Jch dankte dem Agen-<lb/>
ten nicht anders, als ob er mir die&#x017F;e Wohl-<lb/>
that &#x017F;elb&#x017F;t erwie&#x017F;en ha&#x0364;tte, und eilte meinem<lb/>
Freunde die&#x017F;e freudige Nachricht zu melden.<lb/>
Die Juden rei&#x017F;ten ab, und ich war wirklich<lb/>
willens, Steeleys Ankunft zu erwarten. Doch<lb/>
die Liebe &#x017F;iegte u&#x0364;ber die Freund&#x017F;chaft und das<lb/>
Verlangen euch zu &#x017F;uchen, machte mir meinen<lb/>
Auffenthalt in Moskau unertra&#x0364;glich. Jch<lb/>
wollte fort, ohne zu wi&#x017F;&#x017F;en, wohin. Der<lb/>
Handel in die Schwedi&#x017F;chen Lande war noch<lb/>
verboten. Jch wollte nach Da&#x0364;nnemark, weil<lb/>
ich mir einbildete, daß ihr euch vielleicht dahin<lb/>
gewendet haben wu&#x0364;rdet: allein Tomp&#x017F;on be-<lb/>
redte mich, daß ich mit einem Holla&#x0364;ndi&#x017F;chen<lb/>
Schiffe, de&#x017F;&#x017F;en Ladung er in Commi&#x017F;&#x017F;ion hat-<lb/>
te, und das in Archangel &#x017F;egelfertig lag, nach<lb/>
Holland gehn &#x017F;ollte. Er gab mir eine Addre&#x017F;-<lb/>
&#x017F;e an den Kaufmann mit, dem die Waaren des<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">E 2</fw><fw place="bottom" type="catch">Schiffs</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[67/0067] Graͤfinn von G** ſie ihr Wort gehalten haͤtten. Jch ſchrieb an meinen Freund; doch ehe der Brief fortgieng, ließ mich der Agent rufen, und ſagte mir, daß er endlich ſo gluͤcklich geweſen waͤre, ſich um ſeinen Landsmann verdient zu machen; ſeine Befreyung waͤre in dem Senate unterzeich- net worden, und er haͤtte das Verſprechen er- halten, daß Steeley binnen drey oder vier Mo- naten aus Siberien zuruͤckgebracht und frey- gelaſſen werden ſollte. Jch dankte dem Agen- ten nicht anders, als ob er mir dieſe Wohl- that ſelbſt erwieſen haͤtte, und eilte meinem Freunde dieſe freudige Nachricht zu melden. Die Juden reiſten ab, und ich war wirklich willens, Steeleys Ankunft zu erwarten. Doch die Liebe ſiegte uͤber die Freundſchaft und das Verlangen euch zu ſuchen, machte mir meinen Auffenthalt in Moskau unertraͤglich. Jch wollte fort, ohne zu wiſſen, wohin. Der Handel in die Schwediſchen Lande war noch verboten. Jch wollte nach Daͤnnemark, weil ich mir einbildete, daß ihr euch vielleicht dahin gewendet haben wuͤrdet: allein Tompſon be- redte mich, daß ich mit einem Hollaͤndiſchen Schiffe, deſſen Ladung er in Commiſſion hat- te, und das in Archangel ſegelfertig lag, nach Holland gehn ſollte. Er gab mir eine Addreſ- ſe an den Kaufmann mit, dem die Waaren des Schiffs E 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/67
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/67>, abgerufen am 28.04.2024.