[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Gräfinn von G** sitzt sie schon an der Quelle und wartet aufihn. Sie nöthigt ihn, daß er sich niedersetzen und ein Stück Honig und Brodt aus ihrer Hand essen muß. Seht ihr, spricht sie, ich ässe gern selbst; aber ich gönne es euch doch noch lieber. Und hier habe ich euch auch et- liche Zobel mitgebracht, womit mich meine Liebhaber beschenkt haben. Nun habt ihr den ganzen Tag nichts zu thun. Sie sollen mir nun alle Tage welche schenken müssen, und ich will sie euch bringen. Seht mich doch freundlich an. Jhr hört ja, wie gut ichs mit euch meyne. Sie spielt darauf wieder ganz bescheiden mit seinen Haaren, und bittet um eine Locke, und zeigt ihm eine Scheere, die sie zu dieser Absicht mitgebracht. Steeley, dem die treuherzige und doch ehrbare Liebe dieser wilden Cosakinn nicht mißfällt, erlaubt ihr diese Bitte. Sie belohnt ihn durch etliche freywillige Küsse und zeigt ihm von fern eine Hütte, welches die Hütte ihres Vaters wäre. Darauf nimmt sie ein Blatt von einem Bau- me und bläßt. Nunmehr wird mein Bru- der kommen. Jch hatte ihn bestellt. Wenn du mir die Locke nicht im guten gegeben hät- test, so hätten wir dich dazu gezwungen. Fürchte dich nicht, er ist wie ich, er thut dir kein Leid. Siehst du, spricht sie, da der Bru- der, D 3
Graͤfinn von G** ſitzt ſie ſchon an der Quelle und wartet aufihn. Sie noͤthigt ihn, daß er ſich niederſetzen und ein Stuͤck Honig und Brodt aus ihrer Hand eſſen muß. Seht ihr, ſpricht ſie, ich aͤſſe gern ſelbſt; aber ich goͤnne es euch doch noch lieber. Und hier habe ich euch auch et- liche Zobel mitgebracht, womit mich meine Liebhaber beſchenkt haben. Nun habt ihr den ganzen Tag nichts zu thun. Sie ſollen mir nun alle Tage welche ſchenken muͤſſen, und ich will ſie euch bringen. Seht mich doch freundlich an. Jhr hoͤrt ja, wie gut ichs mit euch meyne. Sie ſpielt darauf wieder ganz beſcheiden mit ſeinen Haaren, und bittet um eine Locke, und zeigt ihm eine Scheere, die ſie zu dieſer Abſicht mitgebracht. Steeley, dem die treuherzige und doch ehrbare Liebe dieſer wilden Coſakinn nicht mißfaͤllt, erlaubt ihr dieſe Bitte. Sie belohnt ihn durch etliche freywillige Kuͤſſe und zeigt ihm von fern eine Huͤtte, welches die Huͤtte ihres Vaters waͤre. Darauf nimmt ſie ein Blatt von einem Bau- me und blaͤßt. Nunmehr wird mein Bru- der kommen. Jch hatte ihn beſtellt. Wenn du mir die Locke nicht im guten gegeben haͤt- teſt, ſo haͤtten wir dich dazu gezwungen. Fuͤrchte dich nicht, er iſt wie ich, er thut dir kein Leid. Siehſt du, ſpricht ſie, da der Bru- der, D 3
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Graͤfinn von G**
ſitzt ſie ſchon an der Quelle und wartet auf
ihn. Sie noͤthigt ihn, daß er ſich niederſetzen
und ein Stuͤck Honig und Brodt aus ihrer
Hand eſſen muß. Seht ihr, ſpricht ſie, ich
aͤſſe gern ſelbſt; aber ich goͤnne es euch doch
noch lieber. Und hier habe ich euch auch et-
liche Zobel mitgebracht, womit mich meine
Liebhaber beſchenkt haben. Nun habt ihr
den ganzen Tag nichts zu thun. Sie ſollen
mir nun alle Tage welche ſchenken muͤſſen, und
ich will ſie euch bringen. Seht mich doch
freundlich an. Jhr hoͤrt ja, wie gut ichs mit
euch meyne. Sie ſpielt darauf wieder ganz
beſcheiden mit ſeinen Haaren, und bittet um
eine Locke, und zeigt ihm eine Scheere, die ſie
zu dieſer Abſicht mitgebracht. Steeley, dem
die treuherzige und doch ehrbare Liebe dieſer
wilden Coſakinn nicht mißfaͤllt, erlaubt ihr
dieſe Bitte. Sie belohnt ihn durch etliche
freywillige Kuͤſſe und zeigt ihm von fern eine
Huͤtte, welches die Huͤtte ihres Vaters waͤre.
Darauf nimmt ſie ein Blatt von einem Bau-
me und blaͤßt. Nunmehr wird mein Bru-
der kommen. Jch hatte ihn beſtellt. Wenn
du mir die Locke nicht im guten gegeben haͤt-
teſt, ſo haͤtten wir dich dazu gezwungen.
Fuͤrchte dich nicht, er iſt wie ich, er thut dir
kein Leid. Siehſt du, ſpricht ſie, da der Bru-
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