Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Leben der Schwedischen
der, ein Mensch mit einem ehrlichen wilden Ge-
sichte, näher kömmt, das ist der Fremdling,
dem ich so gut bin. Betrachte ihn nur, und
sag es ihm, wie oft ich von ihm mit dir rede.
Zeige ihm doch die Gegenden, wo er mit leich-
ter Mühe die Zahl von Zobeln zusammen brin-
gen kann. Jch will auch alles für dich thun.
Suche mir hier in der Nähe eine Höle, oder ei-
nen Baum aus, wo ich dem armen Fremden
küuftig etwas Honig und Fisch und Brodt
hineinlegen kann. Der Bruder verspricht es
ihr, und geht mit Steeleyn fort, und weist ihm
verschiedene Vortheile, und auch einen Ort,
wie ihn seine Schwester verlangt hatte. Die-
sen hat sie zur Vorrathskammer von ihren
kleinen Wohlthaten gemacht, oder Steeleyn
vielmehr entweder des Morgens, oder des
Abends, da erwartet. Sie ist oft ganze hal-
be Tage bey ihm geblieben, und alsdann hat
ihr Bruder ihres Liebhabers Arbeit verrichten
müssen. Da Steeley das vortreffliche Herz
seiner Schönen wahrgenommen: so hat er sich
alle Mühe gegeben, sie zu bilden, und ihre ed-
len Empfindungen von den rauhen Eindrü-
cken ihrer Erziehung zu reinigen. Sie hat,
durch die Liebe ermuntert, im kurzen seine Mey-
nungen und seine Sitten angenommen und so
viel Verstand bekommen, daß er sich keine Ge-

walt

Leben der Schwediſchen
der, ein Menſch mit einem ehrlichen wilden Ge-
ſichte, naͤher koͤmmt, das iſt der Fremdling,
dem ich ſo gut bin. Betrachte ihn nur, und
ſag es ihm, wie oft ich von ihm mit dir rede.
Zeige ihm doch die Gegenden, wo er mit leich-
ter Muͤhe die Zahl von Zobeln zuſammen brin-
gen kann. Jch will auch alles fuͤr dich thun.
Suche mir hier in der Naͤhe eine Hoͤle, oder ei-
nen Baum aus, wo ich dem armen Fremden
kuͤuftig etwas Honig und Fiſch und Brodt
hineinlegen kann. Der Bruder verſpricht es
ihr, und geht mit Steeleyn fort, und weiſt ihm
verſchiedene Vortheile, und auch einen Ort,
wie ihn ſeine Schweſter verlangt hatte. Die-
ſen hat ſie zur Vorrathskammer von ihren
kleinen Wohlthaten gemacht, oder Steeleyn
vielmehr entweder des Morgens, oder des
Abends, da erwartet. Sie iſt oft ganze hal-
be Tage bey ihm geblieben, und alsdann hat
ihr Bruder ihres Liebhabers Arbeit verrichten
muͤſſen. Da Steeley das vortreffliche Herz
ſeiner Schoͤnen wahrgenommen: ſo hat er ſich
alle Muͤhe gegeben, ſie zu bilden, und ihre ed-
len Empfindungen von den rauhen Eindruͤ-
cken ihrer Erziehung zu reinigen. Sie hat,
durch die Liebe ermuntert, im kurzen ſeine Mey-
nungen und ſeine Sitten angenommen und ſo
viel Verſtand bekommen, daß er ſich keine Ge-

walt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0054" n="54"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Leben der Schwedi&#x017F;chen</hi></fw><lb/>
der, ein Men&#x017F;ch mit einem ehrlichen wilden Ge-<lb/>
&#x017F;ichte, na&#x0364;her ko&#x0364;mmt, das i&#x017F;t der Fremdling,<lb/>
dem ich &#x017F;o gut bin. Betrachte ihn nur, und<lb/>
&#x017F;ag es ihm, wie oft ich von ihm mit dir rede.<lb/>
Zeige ihm doch die Gegenden, wo er mit leich-<lb/>
ter Mu&#x0364;he die Zahl von Zobeln zu&#x017F;ammen brin-<lb/>
gen kann. Jch will auch alles fu&#x0364;r dich thun.<lb/>
Suche mir hier in der Na&#x0364;he eine Ho&#x0364;le, oder ei-<lb/>
nen Baum aus, wo ich dem armen Fremden<lb/>
ku&#x0364;uftig etwas Honig und Fi&#x017F;ch und Brodt<lb/>
hineinlegen kann. Der Bruder ver&#x017F;pricht es<lb/>
ihr, und geht mit Steeleyn fort, und wei&#x017F;t ihm<lb/>
ver&#x017F;chiedene Vortheile, und auch einen Ort,<lb/>
wie ihn &#x017F;eine Schwe&#x017F;ter verlangt hatte. Die-<lb/>
&#x017F;en hat &#x017F;ie zur Vorrathskammer von ihren<lb/>
kleinen Wohlthaten gemacht, oder Steeleyn<lb/>
vielmehr entweder des Morgens, oder des<lb/>
Abends, da erwartet. Sie i&#x017F;t oft ganze hal-<lb/>
be Tage bey ihm geblieben, und alsdann hat<lb/>
ihr Bruder ihres Liebhabers Arbeit verrichten<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Da Steeley das vortreffliche Herz<lb/>
&#x017F;einer Scho&#x0364;nen wahrgenommen: &#x017F;o hat er &#x017F;ich<lb/>
alle Mu&#x0364;he gegeben, &#x017F;ie zu bilden, und ihre ed-<lb/>
len Empfindungen von den rauhen Eindru&#x0364;-<lb/>
cken ihrer Erziehung zu reinigen. Sie hat,<lb/>
durch die Liebe ermuntert, im kurzen &#x017F;eine Mey-<lb/>
nungen und &#x017F;eine Sitten angenommen und &#x017F;o<lb/>
viel Ver&#x017F;tand bekommen, daß er &#x017F;ich keine Ge-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">walt</fw><lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[54/0054] Leben der Schwediſchen der, ein Menſch mit einem ehrlichen wilden Ge- ſichte, naͤher koͤmmt, das iſt der Fremdling, dem ich ſo gut bin. Betrachte ihn nur, und ſag es ihm, wie oft ich von ihm mit dir rede. Zeige ihm doch die Gegenden, wo er mit leich- ter Muͤhe die Zahl von Zobeln zuſammen brin- gen kann. Jch will auch alles fuͤr dich thun. Suche mir hier in der Naͤhe eine Hoͤle, oder ei- nen Baum aus, wo ich dem armen Fremden kuͤuftig etwas Honig und Fiſch und Brodt hineinlegen kann. Der Bruder verſpricht es ihr, und geht mit Steeleyn fort, und weiſt ihm verſchiedene Vortheile, und auch einen Ort, wie ihn ſeine Schweſter verlangt hatte. Die- ſen hat ſie zur Vorrathskammer von ihren kleinen Wohlthaten gemacht, oder Steeleyn vielmehr entweder des Morgens, oder des Abends, da erwartet. Sie iſt oft ganze hal- be Tage bey ihm geblieben, und alsdann hat ihr Bruder ihres Liebhabers Arbeit verrichten muͤſſen. Da Steeley das vortreffliche Herz ſeiner Schoͤnen wahrgenommen: ſo hat er ſich alle Muͤhe gegeben, ſie zu bilden, und ihre ed- len Empfindungen von den rauhen Eindruͤ- cken ihrer Erziehung zu reinigen. Sie hat, durch die Liebe ermuntert, im kurzen ſeine Mey- nungen und ſeine Sitten angenommen und ſo viel Verſtand bekommen, daß er ſich keine Ge- walt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/54
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/54>, abgerufen am 28.04.2024.