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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
ihm nach diesem |weniger Verdruß angethan.
Sein ganzes Glück, das ihm in seiner Abwe-
senheit von mir begegnet ist, besteht in einer
kleinen Freundschaft, die ihm ein Cosakisches
Mädchen in dem letzten Jahre vor seiner Zu-
rückkunft nach Tobolskoy erwiesen. Sie be-
weist, daß es auch unter dem wildesten Vol-
ke noch edle und empfindliche Herzen giebt.
Steeley war eines Tages auf seinem Reviere
um Pohem so glücklich gewesen, die gesetzte
Zahl seiner Zobel bald zu fangen. Auf dem
Rückwege nach der Stadt hatte er sich, um
auszuruhen bey einer Quelle niedergeworfen.
Darauf kömmt ein wohlgebildetes Mädchen
zu ihm und sieht ihn lange starr an. Endlich
setzt sie sich nieder und trinkt mit der holen
Hand aus der Quelle. Armer Fremdling,
fängt sie an, wollt ihr nicht auch trinken?
Steeley sagt, daß ers schon gethan hätte.
Aber, spricht sie, wollt ihr denn nicht einen
Trunk Wasser aus meiner Hand annehmen?
Thut es doch, ihr dauert mich, so oft ich euch
gehn sehe, und ich bin nicht hieher gekommen,
um zu trinken, sondern um euch dieses zu sa-
gen. Steeley erschrickt, und weis selbst nicht,
was er sagen soll. Ach fährt sie fort, ihr wollt
mir nicht antworten? Nun dauert michs, daß
ich euerntwegen hieher gegangen bin. War-

tet
D 2

Graͤfinn von G**
ihm nach dieſem |weniger Verdruß angethan.
Sein ganzes Gluͤck, das ihm in ſeiner Abwe-
ſenheit von mir begegnet iſt, beſteht in einer
kleinen Freundſchaft, die ihm ein Coſakiſches
Maͤdchen in dem letzten Jahre vor ſeiner Zu-
ruͤckkunft nach Tobolskoy erwieſen. Sie be-
weiſt, daß es auch unter dem wildeſten Vol-
ke noch edle und empfindliche Herzen giebt.
Steeley war eines Tages auf ſeinem Reviere
um Pohem ſo gluͤcklich geweſen, die geſetzte
Zahl ſeiner Zobel bald zu fangen. Auf dem
Ruͤckwege nach der Stadt hatte er ſich, um
auszuruhen bey einer Quelle niedergeworfen.
Darauf koͤmmt ein wohlgebildetes Maͤdchen
zu ihm und ſieht ihn lange ſtarr an. Endlich
ſetzt ſie ſich nieder und trinkt mit der holen
Hand aus der Quelle. Armer Fremdling,
faͤngt ſie an, wollt ihr nicht auch trinken?
Steeley ſagt, daß ers ſchon gethan haͤtte.
Aber, ſpricht ſie, wollt ihr denn nicht einen
Trunk Waſſer aus meiner Hand annehmen?
Thut es doch, ihr dauert mich, ſo oft ich euch
gehn ſehe, und ich bin nicht hieher gekommen,
um zu trinken, ſondern um euch dieſes zu ſa-
gen. Steeley erſchrickt, und weis ſelbſt nicht,
was er ſagen ſoll. Ach faͤhrt ſie fort, ihr wollt
mir nicht antworten? Nun dauert michs, daß
ich euerntwegen hieher gegangen bin. War-

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D 2
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[51/0051] Graͤfinn von G** ihm nach dieſem |weniger Verdruß angethan. Sein ganzes Gluͤck, das ihm in ſeiner Abwe- ſenheit von mir begegnet iſt, beſteht in einer kleinen Freundſchaft, die ihm ein Coſakiſches Maͤdchen in dem letzten Jahre vor ſeiner Zu- ruͤckkunft nach Tobolskoy erwieſen. Sie be- weiſt, daß es auch unter dem wildeſten Vol- ke noch edle und empfindliche Herzen giebt. Steeley war eines Tages auf ſeinem Reviere um Pohem ſo gluͤcklich geweſen, die geſetzte Zahl ſeiner Zobel bald zu fangen. Auf dem Ruͤckwege nach der Stadt hatte er ſich, um auszuruhen bey einer Quelle niedergeworfen. Darauf koͤmmt ein wohlgebildetes Maͤdchen zu ihm und ſieht ihn lange ſtarr an. Endlich ſetzt ſie ſich nieder und trinkt mit der holen Hand aus der Quelle. Armer Fremdling, faͤngt ſie an, wollt ihr nicht auch trinken? Steeley ſagt, daß ers ſchon gethan haͤtte. Aber, ſpricht ſie, wollt ihr denn nicht einen Trunk Waſſer aus meiner Hand annehmen? Thut es doch, ihr dauert mich, ſo oft ich euch gehn ſehe, und ich bin nicht hieher gekommen, um zu trinken, ſondern um euch dieſes zu ſa- gen. Steeley erſchrickt, und weis ſelbſt nicht, was er ſagen ſoll. Ach faͤhrt ſie fort, ihr wollt mir nicht antworten? Nun dauert michs, daß ich euerntwegen hieher gegangen bin. War- tet D 2

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/51>, abgerufen am 21.11.2024.