[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen Steeley war krank worden und hatte sich etli-che Tage nicht von seinem Lager aufrichten können. Er hatte sich also genöthigt gesehn, da Eskin des Abends aus den Wäldern zurück gekommen, ihn zu ersuchen, daß er ihm das Gefäß mit Wasser reichen möchte, weil ihm sehr durstete. Also durstet euch recht sehr? spricht Eskin. Das ist mir lieb. Es hat mich vielmal auch gedurstet, und ihr seyd ge- gen einen Fürsten doch nur ein Nichtswürdi- ger. Darauf nimmt er das Trinkgeschirr und trinkt, und alsdann wirft ers Steeleyn vor die Füsse und lacht: da so viel gehört euch! Braucht man wohl mehr zur Verzweiflung, als so einen Unmenschen um sich zu haben? Nach einer Zeit von einem Jahre, und nach unzähligen Beleidigungen, wird dem Eskin, der sich gegen einen von seinen Aufsehern in der Raserey vergangen, so übel mit gefahren, daß man ihn halb todt in sein Behältnis schlep- pen muß. Man entzieht ihm zween Tage das Brodt; aber Steeley ist so großmüthig und theilet das seinige mit ihm. Er reicht ihm, so oft er kann das Trinken. Er wäscht ihm so gar die Wunden aus; und damals hat ihm der Russe die Hand gedrückt und zu ihm gesagt: vergebt mirs, daß ich nicht eben so an euch gehandelt, als ihr an mir thut. Er hat ihm
Leben der Schwediſchen Steeley war krank worden und hatte ſich etli-che Tage nicht von ſeinem Lager aufrichten koͤnnen. Er hatte ſich alſo genoͤthigt geſehn, da Eskin des Abends aus den Waͤldern zuruͤck gekommen, ihn zu erſuchen, daß er ihm das Gefaͤß mit Waſſer reichen moͤchte, weil ihm ſehr durſtete. Alſo durſtet euch recht ſehr? ſpricht Eskin. Das iſt mir lieb. Es hat mich vielmal auch gedurſtet, und ihr ſeyd ge- gen einen Fuͤrſten doch nur ein Nichtswuͤrdi- ger. Darauf nimmt er das Trinkgeſchirr und trinkt, und alsdann wirft ers Steeleyn vor die Fuͤſſe und lacht: da ſo viel gehoͤrt euch! Braucht man wohl mehr zur Verzweiflung, als ſo einen Unmenſchen um ſich zu haben? Nach einer Zeit von einem Jahre, und nach unzaͤhligen Beleidigungen, wird dem Eskin, der ſich gegen einen von ſeinen Aufſehern in der Raſerey vergangen, ſo uͤbel mit gefahren, daß man ihn halb todt in ſein Behaͤltnis ſchlep- pen muß. Man entzieht ihm zween Tage das Brodt; aber Steeley iſt ſo großmuͤthig und theilet das ſeinige mit ihm. Er reicht ihm, ſo oft er kann das Trinken. Er waͤſcht ihm ſo gar die Wunden aus; und damals hat ihm der Ruſſe die Hand gedruͤckt und zu ihm geſagt: vergebt mirs, daß ich nicht eben ſo an euch gehandelt, als ihr an mir thut. Er hat ihm
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Leben der Schwediſchen
Steeley war krank worden und hatte ſich etli-
che Tage nicht von ſeinem Lager aufrichten
koͤnnen. Er hatte ſich alſo genoͤthigt geſehn,
da Eskin des Abends aus den Waͤldern zuruͤck
gekommen, ihn zu erſuchen, daß er ihm das
Gefaͤß mit Waſſer reichen moͤchte, weil ihm
ſehr durſtete. Alſo durſtet euch recht ſehr?
ſpricht Eskin. Das iſt mir lieb. Es hat
mich vielmal auch gedurſtet, und ihr ſeyd ge-
gen einen Fuͤrſten doch nur ein Nichtswuͤrdi-
ger. Darauf nimmt er das Trinkgeſchirr und
trinkt, und alsdann wirft ers Steeleyn vor
die Fuͤſſe und lacht: da ſo viel gehoͤrt euch!
Braucht man wohl mehr zur Verzweiflung,
als ſo einen Unmenſchen um ſich zu haben?
Nach einer Zeit von einem Jahre, und nach
unzaͤhligen Beleidigungen, wird dem Eskin,
der ſich gegen einen von ſeinen Aufſehern in
der Raſerey vergangen, ſo uͤbel mit gefahren,
daß man ihn halb todt in ſein Behaͤltnis ſchlep-
pen muß. Man entzieht ihm zween Tage
das Brodt; aber Steeley iſt ſo großmuͤthig
und theilet das ſeinige mit ihm. Er reicht
ihm, ſo oft er kann das Trinken. Er waͤſcht
ihm ſo gar die Wunden aus; und damals hat
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