[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.Leben der Schwedischen euch nicht sagen. Jch verstund diese Spra-che, und bat, ob er sich nicht wollte gefallen lassen, daß ich tausend Thaler zum Unterhalte meines Freundes erlegen dürfte, Er sagte daß er sie zum Pfande, daß wir seine Gnade nicht mißbrauchen würden, annehmen wollte. Der Jude, von dem ich die Anweisung bey mir hatte, ward gefodert, und bezahlte die tausend Thaler. Er erhielt zugleich die Erlaubniß, mich an Statt des abgereisten Ju- den zu besuchen und mich mit dem Nothwen- digen zu versehen. Nunmehr durfte ich an der Hand meines Steeleys, der noch wie in einem Traume war, und nichts als etliche ab- gebrochne Worte zu mir gesprochen hatte, nach meinem Behältnisse eilen. Unsere erste Be- schäftigung, als wir allein waren, bestund dar- inn, daß wir einander eine lange Zeit ansahn, ohne ein Wort zu sprechen. Alsdann suchte ich ihm Wäsche und eine Kleidung, womit mich der Jude noch vor der Abreise versorget hatte; allein er war nicht vermögend vor truckner Freude sich allein anzukleiden, ich mußte ihm helfen. Er sah die Sachen, die ich ihm gab, recht mit Erstaunen an, als ob er ihren Gebrauch vergessen hätte. Da er end- lich umgekleidet war: so betrachtete er sich mit unersättlichen Angen und weinte. Jch hatte ihn
Leben der Schwediſchen euch nicht ſagen. Jch verſtund dieſe Spra-che, und bat, ob er ſich nicht wollte gefallen laſſen, daß ich tauſend Thaler zum Unterhalte meines Freundes erlegen duͤrfte, Er ſagte daß er ſie zum Pfande, daß wir ſeine Gnade nicht mißbrauchen wuͤrden, annehmen wollte. Der Jude, von dem ich die Anweiſung bey mir hatte, ward gefodert, und bezahlte die tauſend Thaler. Er erhielt zugleich die Erlaubniß, mich an Statt des abgereiſten Ju- den zu beſuchen und mich mit dem Nothwen- digen zu verſehen. Nunmehr durfte ich an der Hand meines Steeleys, der noch wie in einem Traume war, und nichts als etliche ab- gebrochne Worte zu mir geſprochen hatte, nach meinem Behaͤltniſſe eilen. Unſere erſte Be- ſchaͤftigung, als wir allein waren, beſtund dar- inn, daß wir einander eine lange Zeit anſahn, ohne ein Wort zu ſprechen. Alsdann ſuchte ich ihm Waͤſche und eine Kleidung, womit mich der Jude noch vor der Abreiſe verſorget hatte; allein er war nicht vermoͤgend vor truckner Freude ſich allein anzukleiden, ich mußte ihm helfen. Er ſah die Sachen, die ich ihm gab, recht mit Erſtaunen an, als ob er ihren Gebrauch vergeſſen haͤtte. Da er end- lich umgekleidet war: ſo betrachtete er ſich mit unerſaͤttlichen Angen und weinte. Jch hatte ihn
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Leben der Schwediſchen
euch nicht ſagen. Jch verſtund dieſe Spra-
che, und bat, ob er ſich nicht wollte gefallen
laſſen, daß ich tauſend Thaler zum Unterhalte
meines Freundes erlegen duͤrfte, Er ſagte
daß er ſie zum Pfande, daß wir ſeine Gnade
nicht mißbrauchen wuͤrden, annehmen wollte.
Der Jude, von dem ich die Anweiſung bey
mir hatte, ward gefodert, und bezahlte
die tauſend Thaler. Er erhielt zugleich die
Erlaubniß, mich an Statt des abgereiſten Ju-
den zu beſuchen und mich mit dem Nothwen-
digen zu verſehen. Nunmehr durfte ich an
der Hand meines Steeleys, der noch wie in
einem Traume war, und nichts als etliche ab-
gebrochne Worte zu mir geſprochen hatte, nach
meinem Behaͤltniſſe eilen. Unſere erſte Be-
ſchaͤftigung, als wir allein waren, beſtund dar-
inn, daß wir einander eine lange Zeit anſahn,
ohne ein Wort zu ſprechen. Alsdann ſuchte
ich ihm Waͤſche und eine Kleidung, womit
mich der Jude noch vor der Abreiſe verſorget
hatte; allein er war nicht vermoͤgend vor
truckner Freude ſich allein anzukleiden, ich
mußte ihm helfen. Er ſah die Sachen, die
ich ihm gab, recht mit Erſtaunen an, als ob
er ihren Gebrauch vergeſſen haͤtte. Da er end-
lich umgekleidet war: ſo betrachtete er ſich mit
unerſaͤttlichen Angen und weinte. Jch hatte
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