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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
rück. Als er wieder zu sich selbst kömmt, sieht
er seine Braut noch an der Thüre
des Wagens, vom Blitze getödtet, leh-
nen, so wie sie ihm die Hand reichte. Kann
wohl ein größer Unglück seyn? Der arme
Freund! Ein halb Jahr darauf nöthiget ihn
sein Vater, eine Reise vorzunehmen, um seine
Schwermuth zu zerstreuen. Er thut ihn in
das Gefolge des Englischen Gesandten, der nach
Stockholm geht, und giebt ihm seinen Vetter
zum Gefährten mit. Und eben in dieser
Stadt entschließt er sich aus Schwermuth, und
aus Verdruß gegen sein Leben, ohne Wissen
des Gesandten, Kriegsdienste anzunehmen
und muntert seinen Vetter zu eben diesem
Entschlusse auf. Er hat nunmehr an diesen
Gesandten geschrieben, und ihm sein Unglück
und seine Gefangenschaft geklagt, und zugleich
für mich, unter dem Namen des Capitains
Loewenhoek gebeten. Vielleicht vermag die-
ser Mann etwas zu unserer Befreyung.
Addressirt eure Briefe nach der beygelegten
Aufschrift an den Sekretair dieses Gesandten;
er ist Steeleys guter Freund. Jch würde
noch nicht zu schreiben aufhören, wenn wir
mehr Papier hätten. Wird euch denn dieser
Brief auch antreffen? Ja, ich hoffe es und
tröste mich schon mit einer Antwort von euch - -

Mein
B 2

Graͤfinn von G**
ruͤck. Als er wieder zu ſich ſelbſt koͤmmt, ſieht
er ſeine Braut noch an der Thuͤre
des Wagens, vom Blitze getoͤdtet, leh-
nen, ſo wie ſie ihm die Hand reichte. Kann
wohl ein groͤßer Ungluͤck ſeyn? Der arme
Freund! Ein halb Jahr darauf noͤthiget ihn
ſein Vater, eine Reiſe vorzunehmen, um ſeine
Schwermuth zu zerſtreuen. Er thut ihn in
das Gefolge des Engliſchen Geſandten, der nach
Stockholm geht, und giebt ihm ſeinen Vetter
zum Gefaͤhrten mit. Und eben in dieſer
Stadt entſchließt er ſich aus Schwermuth, und
aus Verdruß gegen ſein Leben, ohne Wiſſen
des Geſandten, Kriegsdienſte anzunehmen
und muntert ſeinen Vetter zu eben dieſem
Entſchluſſe auf. Er hat nunmehr an dieſen
Geſandten geſchrieben, und ihm ſein Ungluͤck
und ſeine Gefangenſchaft geklagt, und zugleich
fuͤr mich, unter dem Namen des Capitains
Loewenhoek gebeten. Vielleicht vermag die-
ſer Mann etwas zu unſerer Befreyung.
Addreſſirt eure Briefe nach der beygelegten
Aufſchrift an den Sekretair dieſes Geſandten;
er iſt Steeleys guter Freund. Jch wuͤrde
noch nicht zu ſchreiben aufhoͤren, wenn wir
mehr Papier haͤtten. Wird euch denn dieſer
Brief auch antreffen? Ja, ich hoffe es und
troͤſte mich ſchon mit einer Antwort von euch ‒ ‒

Mein
B 2
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[19/0019] Graͤfinn von G** ruͤck. Als er wieder zu ſich ſelbſt koͤmmt, ſieht er ſeine Braut noch an der Thuͤre des Wagens, vom Blitze getoͤdtet, leh- nen, ſo wie ſie ihm die Hand reichte. Kann wohl ein groͤßer Ungluͤck ſeyn? Der arme Freund! Ein halb Jahr darauf noͤthiget ihn ſein Vater, eine Reiſe vorzunehmen, um ſeine Schwermuth zu zerſtreuen. Er thut ihn in das Gefolge des Engliſchen Geſandten, der nach Stockholm geht, und giebt ihm ſeinen Vetter zum Gefaͤhrten mit. Und eben in dieſer Stadt entſchließt er ſich aus Schwermuth, und aus Verdruß gegen ſein Leben, ohne Wiſſen des Geſandten, Kriegsdienſte anzunehmen und muntert ſeinen Vetter zu eben dieſem Entſchluſſe auf. Er hat nunmehr an dieſen Geſandten geſchrieben, und ihm ſein Ungluͤck und ſeine Gefangenſchaft geklagt, und zugleich fuͤr mich, unter dem Namen des Capitains Loewenhoek gebeten. Vielleicht vermag die- ſer Mann etwas zu unſerer Befreyung. Addreſſirt eure Briefe nach der beygelegten Aufſchrift an den Sekretair dieſes Geſandten; er iſt Steeleys guter Freund. Jch wuͤrde noch nicht zu ſchreiben aufhoͤren, wenn wir mehr Papier haͤtten. Wird euch denn dieſer Brief auch antreffen? Ja, ich hoffe es und troͤſte mich ſchon mit einer Antwort von euch ‒ ‒ Mein B 2

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/19>, abgerufen am 30.04.2024.