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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748.

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Gräfinn von G**
angekommen war. Sie fragte, wo sein Ca-
merad, ihr Sohn wäre. Der Russe, der
vielleicht nicht wußte, nach wem sie fragte,
antwortete ihr, daß ihn die Schweden todt ge-
schlagen hätten. Jn dem Augenblicke fuhr
sie auf mich und schrie: was? hast du meinen
Sohn umgebracht? und riß mich, der ich vor
Mattigkeit mich kaum selbst mehr aufrecht
halten konnte, zur Erde, bis die Soldaten
mich von ihrer Wut befreyten. Bedenkt nur,
meine liebe Gemahlinn, wie mir damals zu
Muthe gewesen seyn muß. Jn eben der
Stadt, in welcher mein Vater in seiner Ju-
gend die Ehre eines Königlichen Abgesandten
genossen, war ich ein nichtswürdiger Schwe-
de, und vielleicht auf eben dem Platze, wo er
seinen Einzug gehalten, war sein Sohn itzt
der Raserey eines Weibes ausgesetzt.

Wodurch habe ich doch das traurige
Schicksal verdient, fern von euch, in einer
öden Mauer eingeschlossen zu seyn, in einem
Behältnisse, in dem ich ausser der Gesellschaft
meines Steeley, alles entbehre, was das Le-
ben angenehm macht, und von keiner Freude
weis, als von der, mich euer mit ihm zu er-
innern, und mit ihm über unser Schicksal zu
seufzen? Er hat, wie ich euch schon gesagt,
durch ein Geschenke, das er dem Aufseher über

die

Graͤfinn von G**
angekommen war. Sie fragte, wo ſein Ca-
merad, ihr Sohn waͤre. Der Ruſſe, der
vielleicht nicht wußte, nach wem ſie fragte,
antwortete ihr, daß ihn die Schweden todt ge-
ſchlagen haͤtten. Jn dem Augenblicke fuhr
ſie auf mich und ſchrie: was? haſt du meinen
Sohn umgebracht? und riß mich, der ich vor
Mattigkeit mich kaum ſelbſt mehr aufrecht
halten konnte, zur Erde, bis die Soldaten
mich von ihrer Wut befreyten. Bedenkt nur,
meine liebe Gemahlinn, wie mir damals zu
Muthe geweſen ſeyn muß. Jn eben der
Stadt, in welcher mein Vater in ſeiner Ju-
gend die Ehre eines Koͤniglichen Abgeſandten
genoſſen, war ich ein nichtswuͤrdiger Schwe-
de, und vielleicht auf eben dem Platze, wo er
ſeinen Einzug gehalten, war ſein Sohn itzt
der Raſerey eines Weibes ausgeſetzt.

Wodurch habe ich doch das traurige
Schickſal verdient, fern von euch, in einer
oͤden Mauer eingeſchloſſen zu ſeyn, in einem
Behaͤltniſſe, in dem ich auſſer der Geſellſchaft
meines Steeley, alles entbehre, was das Le-
ben angenehm macht, und von keiner Freude
weis, als von der, mich euer mit ihm zu er-
innern, und mit ihm uͤber unſer Schickſal zu
ſeufzen? Er hat, wie ich euch ſchon geſagt,
durch ein Geſchenke, das er dem Aufſeher uͤber

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[11/0011] Graͤfinn von G** angekommen war. Sie fragte, wo ſein Ca- merad, ihr Sohn waͤre. Der Ruſſe, der vielleicht nicht wußte, nach wem ſie fragte, antwortete ihr, daß ihn die Schweden todt ge- ſchlagen haͤtten. Jn dem Augenblicke fuhr ſie auf mich und ſchrie: was? haſt du meinen Sohn umgebracht? und riß mich, der ich vor Mattigkeit mich kaum ſelbſt mehr aufrecht halten konnte, zur Erde, bis die Soldaten mich von ihrer Wut befreyten. Bedenkt nur, meine liebe Gemahlinn, wie mir damals zu Muthe geweſen ſeyn muß. Jn eben der Stadt, in welcher mein Vater in ſeiner Ju- gend die Ehre eines Koͤniglichen Abgeſandten genoſſen, war ich ein nichtswuͤrdiger Schwe- de, und vielleicht auf eben dem Platze, wo er ſeinen Einzug gehalten, war ſein Sohn itzt der Raſerey eines Weibes ausgeſetzt. Wodurch habe ich doch das traurige Schickſal verdient, fern von euch, in einer oͤden Mauer eingeſchloſſen zu ſeyn, in einem Behaͤltniſſe, in dem ich auſſer der Geſellſchaft meines Steeley, alles entbehre, was das Le- ben angenehm macht, und von keiner Freude weis, als von der, mich euer mit ihm zu er- innern, und mit ihm uͤber unſer Schickſal zu ſeufzen? Er hat, wie ich euch ſchon geſagt, durch ein Geſchenke, das er dem Aufſeher uͤber die

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Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G**. Bd. 2. Leipzig, 1748, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben02_1748/11>, abgerufen am 21.11.2024.