Landgute. Endlich erhielt mein Gemahl Befehl am Hofe zu erscheinen, und ich folgte ihm dahin.
Jch war kaum bey Hofe angekommen: so ward ich verehrt und bewundert. Es war, wie es schien, niemand schöner, nie- mand geschickter und vollkommner, als ich. Jch konnte vor der Menge der Aufwar- tungen und vor dem süssen Klange der Schmeicheleyen kaum zu mir selber kom- men. Zu meinem Unglücke bekam mein Gemahl Ordre zum Marsche, und ich mußte zurück bleiben. Es hieß, ich sollte ihm bald nachfolgen; allein es vergiengen drey Monate, ehe ich ihn zu sehen bekam. Jch hatte meine ganze Philosophie nöthig, die ich bey meinem Vetter, meinem Ge- mahle und seinem Vater gelernet hatte, wenn ich nicht eitel und hochmüthig wer- den wollte. Die Ehre, die mir allenthal- ben erwiesen ward, war eine gefährliche Sache für eine junge und schöne Frau, die den Hof zum erstenmal sah.
Ein
Leben der Schwediſchen
Landgute. Endlich erhielt mein Gemahl Befehl am Hofe zu erſcheinen, und ich folgte ihm dahin.
Jch war kaum bey Hofe angekommen: ſo ward ich verehrt und bewundert. Es war, wie es ſchien, niemand ſchöner, nie- mand geſchickter und vollkommner, als ich. Jch konnte vor der Menge der Aufwar- tungen und vor dem ſüſſen Klange der Schmeicheleyen kaum zu mir ſelber kom- men. Zu meinem Unglücke bekam mein Gemahl Ordre zum Marſche, und ich mußte zurück bleiben. Es hieß, ich ſollte ihm bald nachfolgen; allein es vergiengen drey Monate, ehe ich ihn zu ſehen bekam. Jch hatte meine ganze Philoſophie nöthig, die ich bey meinem Vetter, meinem Ge- mahle und ſeinem Vater gelernet hatte, wenn ich nicht eitel und hochmüthig wer- den wollte. Die Ehre, die mir allenthal- ben erwieſen ward, war eine gefährliche Sache für eine junge und ſchöne Frau, die den Hof zum erſtenmal ſah.
Ein
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Leben der Schwediſchen
Landgute. Endlich erhielt mein Gemahl
Befehl am Hofe zu erſcheinen, und ich
folgte ihm dahin.
Jch war kaum bey Hofe angekommen:
ſo ward ich verehrt und bewundert. Es
war, wie es ſchien, niemand ſchöner, nie-
mand geſchickter und vollkommner, als ich.
Jch konnte vor der Menge der Aufwar-
tungen und vor dem ſüſſen Klange der
Schmeicheleyen kaum zu mir ſelber kom-
men. Zu meinem Unglücke bekam mein
Gemahl Ordre zum Marſche, und ich
mußte zurück bleiben. Es hieß, ich ſollte
ihm bald nachfolgen; allein es vergiengen
drey Monate, ehe ich ihn zu ſehen bekam.
Jch hatte meine ganze Philoſophie nöthig,
die ich bey meinem Vetter, meinem Ge-
mahle und ſeinem Vater gelernet hatte,
wenn ich nicht eitel und hochmüthig wer-
den wollte. Die Ehre, die mir allenthal-
ben erwieſen ward, war eine gefährliche
Sache für eine junge und ſchöne Frau,
die den Hof zum erſtenmal ſah.
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[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/42>, abgerufen am 04.07.2024.
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