Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite

Gräfinn von G **
den seyn. Hätte mich nicht einer von
den jungen Herren, die mich begleiteten,
entführen, und eine kleine Verwirrung in
meiner Geschichte anrichten können? Jch
war ja schön, und wie die Leute sagten,
recht sehr schön; und ich bin auf einem so
weiten Wege nicht ein einzigmal entführet
worden? Jst dieses wohl glaublich? Oder
ist es vielleicht mit meinen Annehmlichkei-
ten nicht so gewiß gewesen? Jch will mir
diese Vorwürfe gern machen lassen. Ge-
nug, ich bin nicht entführet worden, und
ich würde mit einer solchen Verwegenheit
eines verliebten Räubers sehr übel zufrie-
den gewesen seyn; denn mir ward ohnedieß
jeder Augenblick bis zum Anblicke mei-
nes Grafen zu lang.

Jch kam also, wie ich gesagt habe, in
Begleitung meines Vetters glücklich auf
dem Landgute des Grafen an. Jch fand
ihn viel liebenswürdiger, als er mir vor
einem Jahre vorgekommen war. Man

darf
Erster Theil. B

Gräfinn von G **
den ſeyn. Hätte mich nicht einer von
den jungen Herren, die mich begleiteten,
entführen, und eine kleine Verwirrung in
meiner Geſchichte anrichten können? Jch
war ja ſchön, und wie die Leute ſagten,
recht ſehr ſchön; und ich bin auf einem ſo
weiten Wege nicht ein einzigmal entführet
worden? Jſt dieſes wohl glaublich? Oder
iſt es vielleicht mit meinen Annehmlichkei-
ten nicht ſo gewiß geweſen? Jch will mir
dieſe Vorwürfe gern machen laſſen. Ge-
nug, ich bin nicht entführet worden, und
ich würde mit einer ſolchen Verwegenheit
eines verliebten Räubers ſehr übel zufrie-
den geweſen ſeyn; denn mir ward ohnedieß
jeder Augenblick bis zum Anblicke mei-
nes Grafen zu lang.

Jch kam alſo, wie ich geſagt habe, in
Begleitung meines Vetters glücklich auf
dem Landgute des Grafen an. Jch fand
ihn viel liebenswürdiger, als er mir vor
einem Jahre vorgekommen war. Man

darf
Erſter Theil. B
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="17"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gräfinn von G **</hi></fw><lb/>
den &#x017F;eyn. Hätte mich nicht einer von<lb/>
den jungen Herren, die mich begleiteten,<lb/>
entführen, und eine kleine Verwirrung in<lb/>
meiner Ge&#x017F;chichte anrichten können? Jch<lb/>
war ja &#x017F;chön, und wie die Leute &#x017F;agten,<lb/>
recht &#x017F;ehr &#x017F;chön; und ich bin auf einem &#x017F;o<lb/>
weiten Wege nicht ein einzigmal entführet<lb/>
worden? J&#x017F;t die&#x017F;es wohl glaublich? Oder<lb/>
i&#x017F;t es vielleicht mit meinen Annehmlichkei-<lb/>
ten nicht &#x017F;o gewiß gewe&#x017F;en? Jch will mir<lb/>
die&#x017F;e Vorwürfe gern machen la&#x017F;&#x017F;en. Ge-<lb/>
nug, ich bin nicht entführet worden, und<lb/>
ich würde mit einer &#x017F;olchen Verwegenheit<lb/>
eines verliebten Räubers &#x017F;ehr übel zufrie-<lb/>
den gewe&#x017F;en &#x017F;eyn; denn mir ward ohnedieß<lb/>
jeder Augenblick bis zum Anblicke mei-<lb/>
nes Grafen zu lang.</p><lb/>
        <p>Jch kam al&#x017F;o, wie ich ge&#x017F;agt habe, in<lb/>
Begleitung meines Vetters glücklich auf<lb/>
dem Landgute des Grafen an. Jch fand<lb/>
ihn viel liebenswürdiger, als er mir vor<lb/>
einem Jahre vorgekommen war. Man<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Er&#x017F;ter Theil.</hi> B</fw><fw place="bottom" type="catch">darf</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0017] Gräfinn von G ** den ſeyn. Hätte mich nicht einer von den jungen Herren, die mich begleiteten, entführen, und eine kleine Verwirrung in meiner Geſchichte anrichten können? Jch war ja ſchön, und wie die Leute ſagten, recht ſehr ſchön; und ich bin auf einem ſo weiten Wege nicht ein einzigmal entführet worden? Jſt dieſes wohl glaublich? Oder iſt es vielleicht mit meinen Annehmlichkei- ten nicht ſo gewiß geweſen? Jch will mir dieſe Vorwürfe gern machen laſſen. Ge- nug, ich bin nicht entführet worden, und ich würde mit einer ſolchen Verwegenheit eines verliebten Räubers ſehr übel zufrie- den geweſen ſeyn; denn mir ward ohnedieß jeder Augenblick bis zum Anblicke mei- nes Grafen zu lang. Jch kam alſo, wie ich geſagt habe, in Begleitung meines Vetters glücklich auf dem Landgute des Grafen an. Jch fand ihn viel liebenswürdiger, als er mir vor einem Jahre vorgekommen war. Man darf Erſter Theil. B

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/17
Zitationshilfe: [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/17>, abgerufen am 23.04.2024.