[Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747.Gräfinn von G ** decken. Nicht wahr, Mariane, fieng eran, sie errathen schon, was ich ihnen hin- terbringen will? Erschrecken sie nur, denn sie müssen doch erschrecken. Hier ist ein Brief aus dem Lager. Sagen sie mir nichts mehr, versetzte Mariane. Jch kann den Jnnhalt des Briefs schon wis- sen. Mein Gemahl ist todt. Jch un- glückselige Frau! Doch ich bin zufrieden, daß mir ihn nicht die Welt, sondern der Himmel entzogen hat. Nun sehe ich, daß es Gott nicht hat haben wollen. Wie ist er denn gestorben? Jst er im Treffen geblieben? Wir erstaunten über diese unvermuthe- als
Gräfinn von G ** decken. Nicht wahr, Mariane, fieng eran, ſie errathen ſchon, was ich ihnen hin- terbringen will? Erſchrecken ſie nur, denn ſie müſſen doch erſchrecken. Hier iſt ein Brief aus dem Lager. Sagen ſie mir nichts mehr, verſetzte Mariane. Jch kann den Jnnhalt des Briefs ſchon wiſ- ſen. Mein Gemahl iſt todt. Jch un- glückſelige Frau! Doch ich bin zufrieden, daß mir ihn nicht die Welt, ſondern der Himmel entzogen hat. Nun ſehe ich, daß es Gott nicht hat haben wollen. Wie iſt er denn geſtorben? Jſt er im Treffen geblieben? Wir erſtaunten über dieſe unvermuthe- als
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Gräfinn von G **
decken. Nicht wahr, Mariane, fieng er
an, ſie errathen ſchon, was ich ihnen hin-
terbringen will? Erſchrecken ſie nur,
denn ſie müſſen doch erſchrecken. Hier
iſt ein Brief aus dem Lager. Sagen ſie
mir nichts mehr, verſetzte Mariane. Jch
kann den Jnnhalt des Briefs ſchon wiſ-
ſen. Mein Gemahl iſt todt. Jch un-
glückſelige Frau! Doch ich bin zufrieden,
daß mir ihn nicht die Welt, ſondern der
Himmel entzogen hat. Nun ſehe ich, daß
es Gott nicht hat haben wollen. Wie
iſt er denn geſtorben? Jſt er im Treffen
geblieben?
Wir erſtaunten über dieſe unvermuthe-
te Gelaſſenheit, die einer Gleichgültigkeit
nicht unähnlich ſah. Wir hatten uns auf
die beſten Troſtgründe vergebens gefaßt
gemacht. Gleichwohl wußten wir auch
nicht, ob wir Marianen trauen durften.
Jndeſſen that ſie gelaſſen, und betraurete
ihren Mann mehr durch ſtille Thränen,
als
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Zitationshilfe: | [Gellert, Christian Fürchtegott]: Das Leben der Schwedischen Gräfinn von G.***. Bd. 1. Leipzig, 1747, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gellert_leben01_1747/107>, abgerufen am 16.02.2025. |