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Geier, Martin: Die köstlichste Arbeit/ aus dem 119. Psalm v. 54. [...] bei Ansehnlicher und Volckreicher Leichbestattung Des [...] Herrn Henrich Schützens [...]. Dresden, 1672.

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Die köstlichste Arbeit.
nimmermehr in solchen worten sich eingebildet hette. Da hat wohl
ehe ein singend schülerlein für der thür einer armen Kreistenden und fast
desperaten mutter neue kräffte gebracht/ das über denn worten (und ob
es wärt bis in die nacht/ und wider an den morgen/ etc:) sie sich in
GOtt gestärcket/ und die frucht gesund zur welt gebohren hat. Wohl
auch dem/ der sein itziges leben als eine stehtwehrende Reise/ sein Haus
aber als eine kurtz-eingeräumte Herberge ansihet/ nach anleitung un-
sers spruches: in loco peregrinationis meae. Lieber GOtt/ wie lange we-
rets wohl/ das wir hier uns auffhalten? was sind 70 80. ja 100. Jahr?
Wen der mensche lange lebt/ sagt Sirach c. 18, 8: so lebet er hundert
jahr. Gleich wie ein tröpflein wassers gegen das meer/ und wie
ein körnlein gegen dem sand am meer/ so geringe sind seine jahr ge-
gen die ewigkeit. Wer wolte den/ wofern er anders recht Klug were/
sich übermässig bekümmern um die unlust/ so ihm auff solcher reise be-
gegnet: Ohne ist es zwar nicht; lieber kehret man unter weges ein bei
einem ehrlichen manne/ da man seine ruh und gute beqvemligkeit haben
kan. Aber wen sichs nicht anders leiden will/ so nimt man auch mit ei-
ner geringen schencke vor lieb/ und ist zu frieden/ wen man nur ein stücke
brod/ einen guten trunck und eine schütte gut stro bekömt/ lieber/ als wen
man in regen/ frost und schnee unter freien Himmel liegen müste. Wä-
rets doch nicht lange/ getrösten wir uns/ und warten desto freudiger auff
den lieben morgen. Also ob wir schon auff unserer Lebensreise auch ein-
mahl besser als das andere/ besser an diesen/ als an jenen orte/ accomo-
diret
werden/ soll uns doch deswegen die ungedult nicht überwältigen.
Lieber ein Lied von des HErren Rechten gesungen/ als das man ver-
gebens eines daher gruntzet oder pinselt/ damit uns doch gar nichts ge-
holffen wird. Ach wie klug thun die jenigen/ so da sehen auff das ende
des glaubens/ welches ist der seelen seligkeit/ 1. Pet. 1, 9: unterdessen
aber grosmütig alle unlust in der kurtzen herberge verschmertzen/ in be-
trachtung/ das der anfänger und vollender unsers glaubens weit mehrers
überstanden/ da er doch wohl freude hette haben können: Ebr. XII, 2.

Schlüs-

Die koͤſtlichſte Arbeit.
nimmermehr in ſolchen worten ſich eingebildet hette. Da hat wohl
ehe ein ſingend ſchuͤlerlein fuͤr der thuͤr einer armen Kreiſtenden und faſt
deſperaten mutter neue kraͤffte gebracht/ das uͤber denn worten (und ob
es waͤrt bis in die nacht/ und wider an den morgen/ etc:) ſie ſich in
GOtt geſtaͤrcket/ und die frucht geſund zur welt gebohren hat. Wohl
auch dem/ der ſein itziges leben als eine ſtehtwehrende Reiſe/ ſein Haus
aber als eine kurtz-eingeraͤumte Herberge anſihet/ nach anleitung un-
ſers ſpruches: in loco peregrinationis meæ. Lieber GOtt/ wie lange we-
rets wohl/ das wir hier uns auffhalten? was ſind 70 80. ja 100. Jahr?
Wen der menſche lange lebt/ ſagt Sirach c. 18, 8: ſo lebet er hundert
jahr. Gleich wie ein troͤpflein waſſers gegen das meer/ und wie
ein koͤrnlein gegen dem ſand am meer/ ſo geringe ſind ſeine jahr ge-
gen die ewigkeit. Wer wolte den/ wofern er anders recht Klug were/
ſich uͤbermaͤſsig bekuͤmmern um die unluſt/ ſo ihm auff ſolcher reiſe be-
gegnet: Ohne iſt es zwar nicht; lieber kehret man unter weges ein bei
einem ehrlichen manne/ da man ſeine ruh und gute beqvemligkeit haben
kan. Aber wen ſichs nicht anders leiden will/ ſo nimt man auch mit ei-
ner geringen ſchencke vor lieb/ und iſt zu frieden/ wen man nur ein ſtuͤcke
brod/ einen guten trunck und eine ſchuͤtte gut ſtro bekoͤmt/ lieber/ als wen
man in regen/ froſt und ſchnee unter freien Himmel liegen muͤſte. Waͤ-
rets doch nicht lange/ getroͤſten wir uns/ und warten deſto freudiger auff
den lieben morgen. Alſo ob wir ſchon auff unſerer Lebensreiſe auch ein-
mahl beſſer als das andere/ beſſer an dieſen/ als an jenen orte/ accomo-
diret
werden/ ſoll uns doch deswegen die ungedult nicht uͤberwaͤltigen.
Lieber ein Lied von des HErren Rechten geſungen/ als das man ver-
gebens eines daher gruntzet oder pinſelt/ damit uns doch gar nichts ge-
holffen wird. Ach wie klug thun die jenigen/ ſo da ſehen auff das ende
des glaubens/ welches iſt der ſeelen ſeligkeit/ 1. Pet. 1, 9: unterdeſſen
aber grosmuͤtig alle unluſt in der kurtzen herberge verſchmertzen/ in be-
trachtung/ das der anfaͤnger und vollender unſers glaubens weit mehrers
uͤberſtanden/ da er doch wohl freude hette haben koͤnnen: Ebr. XII, 2.

Schluͤs-
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[0036] Die koͤſtlichſte Arbeit. nimmermehr in ſolchen worten ſich eingebildet hette. Da hat wohl ehe ein ſingend ſchuͤlerlein fuͤr der thuͤr einer armen Kreiſtenden und faſt deſperaten mutter neue kraͤffte gebracht/ das uͤber denn worten (und ob es waͤrt bis in die nacht/ und wider an den morgen/ etc:) ſie ſich in GOtt geſtaͤrcket/ und die frucht geſund zur welt gebohren hat. Wohl auch dem/ der ſein itziges leben als eine ſtehtwehrende Reiſe/ ſein Haus aber als eine kurtz-eingeraͤumte Herberge anſihet/ nach anleitung un- ſers ſpruches: in loco peregrinationis meæ. Lieber GOtt/ wie lange we- rets wohl/ das wir hier uns auffhalten? was ſind 70 80. ja 100. Jahr? Wen der menſche lange lebt/ ſagt Sirach c. 18, 8: ſo lebet er hundert jahr. Gleich wie ein troͤpflein waſſers gegen das meer/ und wie ein koͤrnlein gegen dem ſand am meer/ ſo geringe ſind ſeine jahr ge- gen die ewigkeit. Wer wolte den/ wofern er anders recht Klug were/ ſich uͤbermaͤſsig bekuͤmmern um die unluſt/ ſo ihm auff ſolcher reiſe be- gegnet: Ohne iſt es zwar nicht; lieber kehret man unter weges ein bei einem ehrlichen manne/ da man ſeine ruh und gute beqvemligkeit haben kan. Aber wen ſichs nicht anders leiden will/ ſo nimt man auch mit ei- ner geringen ſchencke vor lieb/ und iſt zu frieden/ wen man nur ein ſtuͤcke brod/ einen guten trunck und eine ſchuͤtte gut ſtro bekoͤmt/ lieber/ als wen man in regen/ froſt und ſchnee unter freien Himmel liegen muͤſte. Waͤ- rets doch nicht lange/ getroͤſten wir uns/ und warten deſto freudiger auff den lieben morgen. Alſo ob wir ſchon auff unſerer Lebensreiſe auch ein- mahl beſſer als das andere/ beſſer an dieſen/ als an jenen orte/ accomo- diret werden/ ſoll uns doch deswegen die ungedult nicht uͤberwaͤltigen. Lieber ein Lied von des HErren Rechten geſungen/ als das man ver- gebens eines daher gruntzet oder pinſelt/ damit uns doch gar nichts ge- holffen wird. Ach wie klug thun die jenigen/ ſo da ſehen auff das ende des glaubens/ welches iſt der ſeelen ſeligkeit/ 1. Pet. 1, 9: unterdeſſen aber grosmuͤtig alle unluſt in der kurtzen herberge verſchmertzen/ in be- trachtung/ das der anfaͤnger und vollender unſers glaubens weit mehrers uͤberſtanden/ da er doch wohl freude hette haben koͤnnen: Ebr. XII, 2. Schluͤs-

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Zitationshilfe: Geier, Martin: Die köstlichste Arbeit/ aus dem 119. Psalm v. 54. [...] bei Ansehnlicher und Volckreicher Leichbestattung Des [...] Herrn Henrich Schützens [...]. Dresden, 1672, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/geier_schuetz_1672/36>, abgerufen am 28.03.2024.