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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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so zu nennen verstatten. Mir scheint es doch immer sicherer, das Phänomen der Verbergung der Wärme durch eine solche allgemeine Benennung zu bezeichnen, als sich über den Mechanismus dieser Verbergung in umständliche Erklärungen einzulassen, die doch am Ende nichts weiter, als Möglichkeiten, sind. Unmerkbarer Wärmestoff. Zu Th. IV. S 565

Herr Gren (Grundriß der Naturl. 1793. §. 726. 727. System. Handbuch der Chem. 1794. B. I. §. 210. 211.) begreift unter dem Namen der unmerkbaren Wärmematerie (calor insensibilis) diejenige Quantität des Wärmestoffs, welche bey ihrer Verbindung mit den Körpern auf die Aenderung und Erhaltung ihres Zustands (nämlich des tropfbarflüßigen, dampfförmigen oder luftförmigen) verwendet, und dadurch ihrer Stralung, so wie ihrer Wirkung auf unser Gefühl und aufs Thermometer beraubt wird. Er theilt diese unmerkbare Wärmematerie wieder in adhärirende und chemisch gebundene. Diejenige nämlich, welche auf Hervorbringung des flüßigen und des dampfförmigen Zustandes verwendet wird (Schmelzungs- und Verdampfungswärme), ist mit der Substanz der Körper nur so schwach verbunden, daß sie durch blos mechanische Mittel, durch bloße Berührung kälterer Körper, davon getrennt werden kan. Diese nennt er daher adhärirende oder mit Pictet latente Wärmematerie. Diejenige hingegen, welche den permanent - elastischen Zustand hervorbringt, und die Luftarten bildet, verbindet sich mit ihrer Basis so fest, daß sie davon nur allein durch chemische Verwandtschaft, nicht aber durch blos mechanische Zusammendrückung oder durch niedrigere Temperatur, getrennt werden kan. Diese ist demnach chemisch gebundene Wärmematerie.

Was die specifische Wärme betrift, so äußert Herr Gren (Naturl. §. 735.), er werde immer mehr geneigt, diesen Begrif ganz außugeben, und alles, was man sonst specifische Wärme oder Capacität genannt habe, für latente Wärme zu halten. Denn selbst die sogenannte fortgepflanze


ſo zu nennen verſtatten. Mir ſcheint es doch immer ſicherer, das Phaͤnomen der Verbergung der Waͤrme durch eine ſolche allgemeine Benennung zu bezeichnen, als ſich uͤber den Mechanismus dieſer Verbergung in umſtaͤndliche Erklaͤrungen einzulaſſen, die doch am Ende nichts weiter, als Moͤglichkeiten, ſind. Unmerkbarer Waͤrmeſtoff. Zu Th. IV. S 565

Herr Gren (Grundriß der Naturl. 1793. §. 726. 727. Syſtem. Handbuch der Chem. 1794. B. I. §. 210. 211.) begreift unter dem Namen der unmerkbaren Waͤrmematerie (calor inſenſibilis) diejenige Quantitaͤt des Waͤrmeſtoffs, welche bey ihrer Verbindung mit den Koͤrpern auf die Aenderung und Erhaltung ihres Zuſtands (naͤmlich des tropfbarfluͤßigen, dampffoͤrmigen oder luftfoͤrmigen) verwendet, und dadurch ihrer Stralung, ſo wie ihrer Wirkung auf unſer Gefuͤhl und aufs Thermometer beraubt wird. Er theilt dieſe unmerkbare Waͤrmematerie wieder in adhaͤrirende und chemiſch gebundene. Diejenige naͤmlich, welche auf Hervorbringung des fluͤßigen und des dampffoͤrmigen Zuſtandes verwendet wird (Schmelzungs- und Verdampfungswaͤrme), iſt mit der Subſtanz der Koͤrper nur ſo ſchwach verbunden, daß ſie durch blos mechaniſche Mittel, durch bloße Beruͤhrung kaͤlterer Koͤrper, davon getrennt werden kan. Dieſe nennt er daher adhaͤrirende oder mit Pictet latente Waͤrmematerie. Diejenige hingegen, welche den permanent - elaſtiſchen Zuſtand hervorbringt, und die Luftarten bildet, verbindet ſich mit ihrer Baſis ſo feſt, daß ſie davon nur allein durch chemiſche Verwandtſchaft, nicht aber durch blos mechaniſche Zuſammendruͤckung oder durch niedrigere Temperatur, getrennt werden kan. Dieſe iſt demnach chemiſch gebundene Waͤrmematerie.

Was die ſpecifiſche Waͤrme betrift, ſo aͤußert Herr Gren (Naturl. §. 735.), er werde immer mehr geneigt, dieſen Begrif ganz auſzugeben, und alles, was man ſonſt ſpecifiſche Waͤrme oder Capacitaͤt genannt habe, fuͤr latente Waͤrme zu halten. Denn ſelbſt die ſogenannte fortgepflanze

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[958/0970] ſo zu nennen verſtatten. Mir ſcheint es doch immer ſicherer, das Phaͤnomen der Verbergung der Waͤrme durch eine ſolche allgemeine Benennung zu bezeichnen, als ſich uͤber den Mechanismus dieſer Verbergung in umſtaͤndliche Erklaͤrungen einzulaſſen, die doch am Ende nichts weiter, als Moͤglichkeiten, ſind. Unmerkbarer Waͤrmeſtoff. Zu Th. IV. S 565 Herr Gren (Grundriß der Naturl. 1793. §. 726. 727. Syſtem. Handbuch der Chem. 1794. B. I. §. 210. 211.) begreift unter dem Namen der unmerkbaren Waͤrmematerie (calor inſenſibilis) diejenige Quantitaͤt des Waͤrmeſtoffs, welche bey ihrer Verbindung mit den Koͤrpern auf die Aenderung und Erhaltung ihres Zuſtands (naͤmlich des tropfbarfluͤßigen, dampffoͤrmigen oder luftfoͤrmigen) verwendet, und dadurch ihrer Stralung, ſo wie ihrer Wirkung auf unſer Gefuͤhl und aufs Thermometer beraubt wird. Er theilt dieſe unmerkbare Waͤrmematerie wieder in adhaͤrirende und chemiſch gebundene. Diejenige naͤmlich, welche auf Hervorbringung des fluͤßigen und des dampffoͤrmigen Zuſtandes verwendet wird (Schmelzungs- und Verdampfungswaͤrme), iſt mit der Subſtanz der Koͤrper nur ſo ſchwach verbunden, daß ſie durch blos mechaniſche Mittel, durch bloße Beruͤhrung kaͤlterer Koͤrper, davon getrennt werden kan. Dieſe nennt er daher adhaͤrirende oder mit Pictet latente Waͤrmematerie. Diejenige hingegen, welche den permanent - elaſtiſchen Zuſtand hervorbringt, und die Luftarten bildet, verbindet ſich mit ihrer Baſis ſo feſt, daß ſie davon nur allein durch chemiſche Verwandtſchaft, nicht aber durch blos mechaniſche Zuſammendruͤckung oder durch niedrigere Temperatur, getrennt werden kan. Dieſe iſt demnach chemiſch gebundene Waͤrmematerie. Was die ſpecifiſche Waͤrme betrift, ſo aͤußert Herr Gren (Naturl. §. 735.), er werde immer mehr geneigt, dieſen Begrif ganz auſzugeben, und alles, was man ſonſt ſpecifiſche Waͤrme oder Capacitaͤt genannt habe, fuͤr latente Waͤrme zu halten. Denn ſelbſt die ſogenannte fortgepflanze

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 958. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/970>, abgerufen am 23.05.2024.