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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Wärme (Pictet's chaleur propagee im Art. S. 554.), in so fern sie dem durch die Zwischenräume der Körper frey hindurchstralenden Wärmestoff entgegengesetzt werde, sey doch nichts anders, als adhärirende Wärmematerie, die theils durch bewirkte Ausdehnung der Körper, theils durch das Bestreben, sie flüßiger zu machen oder in Dampfform zu bringen (was sie doch am Ende auch wirklich bewerkstellige) unmerkbar werde. Wenn man überlege, daß die dem tropfbaren Wasser mitgetheilte Wärme allemal Verdünstung bewirke, so müsse man nothwendig ein Mistrauen auf alle Versuche über die specifische. Wärme setzen, bey denen man, wie bisher, das Wasser zum Maaßstabe gebraucht habe.

Diese Idee kömmt ganz mit dem überein, was ich im Art. S. 566. von der Entbehrlichkeit des Begrifs der Capacität gesagt habe. Nur in den Worten sind wir verschieden, indem Hr. Gren nur das gebunden nennt, was chemisch vereinigt ist, da ich mir verstattete, alles so zu nennen, was seiner gewöhnlichen Aeußerungen und Kennzeichen beraubt wird, wofür Hr. G. lieber den Namen unmerkbar brauchen will. Inzwischen müßte man doch drey Gattungen dieser unmerkbaren Wärme, die specifische (welche blos auf Ausdehnung, oder auf Streben nach Hervorbringung der tropfbar-flüßigen und Dampfgestalt verwendet wird), die latente (wirkliche Schmelzungs- und Verdampfungswärme) und die chemisch gebundene, unterscheiden.

Durch die Methode der Mengungen (s. den Art. Wätme, specifische) erfährt man eigentlich nur Verhältnisse, nach welchen ungleichartige Stoffe Wärme annehmen und mittheilen, wenn in ihren Temperaturen gleich große Veränderungen vorgehen. Wenn die Versuche mit Genauigkeit angestellt sind, so darf man dabey voraussetzen, es sey keine latente Wärme frey, und keine vorher freye latent geworden, und nur unter dieser Voraussetzung darf man sich verstatten, das Gefundene als Verhältnisse der eigentlich sogenannten specifischen Wärme anzusehen. Durch das Calorimeter der Herren Lavoisier und de la Place hingegen (s. den Art. Wärmemesser) erfährt man die Wirkung des ganzen Wärmegehalts an specifischer und latenter Wärme


Waͤrme (Pictet's chaleur propagée im Art. S. 554.), in ſo fern ſie dem durch die Zwiſchenraͤume der Koͤrper frey hindurchſtralenden Waͤrmeſtoff entgegengeſetzt werde, ſey doch nichts anders, als adhaͤrirende Waͤrmematerie, die theils durch bewirkte Ausdehnung der Koͤrper, theils durch das Beſtreben, ſie fluͤßiger zu machen oder in Dampfform zu bringen (was ſie doch am Ende auch wirklich bewerkſtellige) unmerkbar werde. Wenn man uͤberlege, daß die dem tropfbaren Waſſer mitgetheilte Waͤrme allemal Verduͤnſtung bewirke, ſo muͤſſe man nothwendig ein Mistrauen auf alle Verſuche uͤber die ſpecifiſche. Waͤrme ſetzen, bey denen man, wie bisher, das Waſſer zum Maaßſtabe gebraucht habe.

Dieſe Idee koͤmmt ganz mit dem uͤberein, was ich im Art. S. 566. von der Entbehrlichkeit des Begrifs der Capacitaͤt geſagt habe. Nur in den Worten ſind wir verſchieden, indem Hr. Gren nur das gebunden nennt, was chemiſch vereinigt iſt, da ich mir verſtattete, alles ſo zu nennen, was ſeiner gewoͤhnlichen Aeußerungen und Kennzeichen beraubt wird, wofuͤr Hr. G. lieber den Namen unmerkbar brauchen will. Inzwiſchen muͤßte man doch drey Gattungen dieſer unmerkbaren Waͤrme, die ſpecifiſche (welche blos auf Ausdehnung, oder auf Streben nach Hervorbringung der tropfbar-fluͤßigen und Dampfgeſtalt verwendet wird), die latente (wirkliche Schmelzungs- und Verdampfungswaͤrme) und die chemiſch gebundene, unterſcheiden.

Durch die Methode der Mengungen (ſ. den Art. Waͤtme, ſpecifiſche) erfaͤhrt man eigentlich nur Verhaͤltniſſe, nach welchen ungleichartige Stoffe Waͤrme annehmen und mittheilen, wenn in ihren Temperaturen gleich große Veraͤnderungen vorgehen. Wenn die Verſuche mit Genauigkeit angeſtellt ſind, ſo darf man dabey vorausſetzen, es ſey keine latente Waͤrme frey, und keine vorher freye latent geworden, und nur unter dieſer Vorausſetzung darf man ſich verſtatten, das Gefundene als Verhaͤltniſſe der eigentlich ſogenannten ſpecifiſchen Waͤrme anzuſehen. Durch das Calorimeter der Herren Lavoiſier und de la Place hingegen (ſ. den Art. Waͤrmemeſſer) erfaͤhrt man die Wirkung des ganzen Waͤrmegehalts an ſpecifiſcher und latenter Waͤrme

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[959/0971] Waͤrme (Pictet's chaleur propagée im Art. S. 554.), in ſo fern ſie dem durch die Zwiſchenraͤume der Koͤrper frey hindurchſtralenden Waͤrmeſtoff entgegengeſetzt werde, ſey doch nichts anders, als adhaͤrirende Waͤrmematerie, die theils durch bewirkte Ausdehnung der Koͤrper, theils durch das Beſtreben, ſie fluͤßiger zu machen oder in Dampfform zu bringen (was ſie doch am Ende auch wirklich bewerkſtellige) unmerkbar werde. Wenn man uͤberlege, daß die dem tropfbaren Waſſer mitgetheilte Waͤrme allemal Verduͤnſtung bewirke, ſo muͤſſe man nothwendig ein Mistrauen auf alle Verſuche uͤber die ſpecifiſche. Waͤrme ſetzen, bey denen man, wie bisher, das Waſſer zum Maaßſtabe gebraucht habe. Dieſe Idee koͤmmt ganz mit dem uͤberein, was ich im Art. S. 566. von der Entbehrlichkeit des Begrifs der Capacitaͤt geſagt habe. Nur in den Worten ſind wir verſchieden, indem Hr. Gren nur das gebunden nennt, was chemiſch vereinigt iſt, da ich mir verſtattete, alles ſo zu nennen, was ſeiner gewoͤhnlichen Aeußerungen und Kennzeichen beraubt wird, wofuͤr Hr. G. lieber den Namen unmerkbar brauchen will. Inzwiſchen muͤßte man doch drey Gattungen dieſer unmerkbaren Waͤrme, die ſpecifiſche (welche blos auf Ausdehnung, oder auf Streben nach Hervorbringung der tropfbar-fluͤßigen und Dampfgeſtalt verwendet wird), die latente (wirkliche Schmelzungs- und Verdampfungswaͤrme) und die chemiſch gebundene, unterſcheiden. Durch die Methode der Mengungen (ſ. den Art. Waͤtme, ſpecifiſche) erfaͤhrt man eigentlich nur Verhaͤltniſſe, nach welchen ungleichartige Stoffe Waͤrme annehmen und mittheilen, wenn in ihren Temperaturen gleich große Veraͤnderungen vorgehen. Wenn die Verſuche mit Genauigkeit angeſtellt ſind, ſo darf man dabey vorausſetzen, es ſey keine latente Waͤrme frey, und keine vorher freye latent geworden, und nur unter dieſer Vorausſetzung darf man ſich verſtatten, das Gefundene als Verhaͤltniſſe der eigentlich ſogenannten ſpecifiſchen Waͤrme anzuſehen. Durch das Calorimeter der Herren Lavoiſier und de la Place hingegen (ſ. den Art. Waͤrmemeſſer) erfaͤhrt man die Wirkung des ganzen Waͤrmegehalts an ſpecifiſcher und latenter Waͤrme

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 959. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/971>, abgerufen am 23.11.2024.