Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


so müßte die torricellische Leere gerade die meiste Quantität von Wärme enthalten. Herr M. schließt hieraus, ein Körper nehme bey sonst gleichen Umständen desto mehr Wärme auf, je mehr durch die Ziehkraft seiner Theilchen die natürliche Dehnkraft des Wärmestoffs geschwächt werde. Da ubrigens nach dieser Theorie, selbst in dem nämlichen Körper, die specifische Dehnkraft des Wärmestoffs nicht durchaus gleich, und das Gesetz, nach dem sie sich ändert, unbekannt ist, so muß man sich in jedem Körper eine mittlere specifische Dehnkraft gedenken, und diese ist es, welche man durch die Methode der Mengungen zu erfahren sucht.

Alle empfindbar werdende oder sich verbergende Wärme leitet Herr Mayer mit Crawford blos von veränderter Capacität, nicht von chemischer Scheidung oder Vereinigung, her. Bey den Luftarten, meint er, sollte man den Ausdruck von Permaneität ganz verbannen, weil es innerhalb der Grenzen der absoluten Null gar wohl eine Temperatur geben könne, bey der die Luftarten sich eben so, wie die Dämpfe bey 212° Fahr. zu zersetzen anfiengen. Selbst beym Verbrennen sey die totale hervorgebrachte Hitze blos das Resultat der successiven Capacitätsveränderungen, sowohl der Luft, als des verbrennenden Körpers, der jener den Sauerstoff entziehe. Daß die Hitze dabey nur allein aus der Luft komme, sey eine ganz unstatthafte Behauptung. Ueber die Art und Weise, wie das Sonnenlicht den Wärmestoff modificire, ist Herr M. mit de Luc einverstanden, glaubt aber, man könne dabey allenfalls auch mit der Eulerischen Theorie vom Lichte ausreichen.

Ich habe geglaubt, diese Gedanken eines so scharfsinnigen Naturforschers hier nicht übergehen zu dürfen. In einer Lehre, die noch so wenig ins Reine gebracht ist, wie die vom Wärmestoff, ist es nie ohne Nutzen, die Vorstellungsarten mehrerer geübten Denker kennen zu lernen, wenn sie auch oft beträchtlich von einander abgehen. Inzwischen ist die Verschiedenheit der Crawford-Mayerischen Vorstellung von der im Wörterbuche vorgetragenen Grenischen großentheils nur Verschiedenheit des Ausdrucks, indem Herr Mayer nur das nicht Bindung nennen will, was sich Herr Gren u. a.


ſo muͤßte die torricelliſche Leere gerade die meiſte Quantitaͤt von Waͤrme enthalten. Herr M. ſchließt hieraus, ein Koͤrper nehme bey ſonſt gleichen Umſtaͤnden deſto mehr Waͤrme auf, je mehr durch die Ziehkraft ſeiner Theilchen die natuͤrliche Dehnkraft des Waͤrmeſtoffs geſchwaͤcht werde. Da ubrigens nach dieſer Theorie, ſelbſt in dem naͤmlichen Koͤrper, die ſpecifiſche Dehnkraft des Waͤrmeſtoffs nicht durchaus gleich, und das Geſetz, nach dem ſie ſich aͤndert, unbekannt iſt, ſo muß man ſich in jedem Koͤrper eine mittlere ſpecifiſche Dehnkraft gedenken, und dieſe iſt es, welche man durch die Methode der Mengungen zu erfahren ſucht.

Alle empfindbar werdende oder ſich verbergende Waͤrme leitet Herr Mayer mit Crawford blos von veraͤnderter Capacitaͤt, nicht von chemiſcher Scheidung oder Vereinigung, her. Bey den Luftarten, meint er, ſollte man den Ausdruck von Permaneitaͤt ganz verbannen, weil es innerhalb der Grenzen der abſoluten Null gar wohl eine Temperatur geben koͤnne, bey der die Luftarten ſich eben ſo, wie die Daͤmpfe bey 212° Fahr. zu zerſetzen anfiengen. Selbſt beym Verbrennen ſey die totale hervorgebrachte Hitze blos das Reſultat der ſucceſſiven Capacitaͤtsveraͤnderungen, ſowohl der Luft, als des verbrennenden Koͤrpers, der jener den Sauerſtoff entziehe. Daß die Hitze dabey nur allein aus der Luft komme, ſey eine ganz unſtatthafte Behauptung. Ueber die Art und Weiſe, wie das Sonnenlicht den Waͤrmeſtoff modificire, iſt Herr M. mit de Luc einverſtanden, glaubt aber, man koͤnne dabey allenfalls auch mit der Euleriſchen Theorie vom Lichte ausreichen.

Ich habe geglaubt, dieſe Gedanken eines ſo ſcharfſinnigen Naturforſchers hier nicht uͤbergehen zu duͤrfen. In einer Lehre, die noch ſo wenig ins Reine gebracht iſt, wie die vom Waͤrmeſtoff, iſt es nie ohne Nutzen, die Vorſtellungsarten mehrerer geuͤbten Denker kennen zu lernen, wenn ſie auch oft betraͤchtlich von einander abgehen. Inzwiſchen iſt die Verſchiedenheit der Crawford-Mayeriſchen Vorſtellung von der im Woͤrterbuche vorgetragenen Greniſchen großentheils nur Verſchiedenheit des Ausdrucks, indem Herr Mayer nur das nicht Bindung nennen will, was ſich Herr Gren u. a.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0969" xml:id="P.5.957" n="957"/><lb/>
&#x017F;o mu&#x0364;ßte die torricelli&#x017F;che Leere gerade die mei&#x017F;te Quantita&#x0364;t von Wa&#x0364;rme enthalten. Herr M. &#x017F;chließt hieraus, ein Ko&#x0364;rper nehme bey &#x017F;on&#x017F;t gleichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden de&#x017F;to mehr Wa&#x0364;rme auf, je mehr durch die Ziehkraft &#x017F;einer Theilchen die natu&#x0364;rliche Dehnkraft des Wa&#x0364;rme&#x017F;toffs ge&#x017F;chwa&#x0364;cht werde. Da ubrigens nach die&#x017F;er Theorie, &#x017F;elb&#x017F;t in dem na&#x0364;mlichen Ko&#x0364;rper, die &#x017F;pecifi&#x017F;che Dehnkraft des Wa&#x0364;rme&#x017F;toffs nicht durchaus gleich, und das Ge&#x017F;etz, nach dem &#x017F;ie &#x017F;ich a&#x0364;ndert, unbekannt i&#x017F;t, &#x017F;o muß man &#x017F;ich in jedem Ko&#x0364;rper eine mittlere &#x017F;pecifi&#x017F;che Dehnkraft gedenken, und die&#x017F;e i&#x017F;t es, welche man durch die Methode der Mengungen zu erfahren &#x017F;ucht.</p>
              <p>Alle empfindbar werdende oder &#x017F;ich verbergende Wa&#x0364;rme leitet Herr <hi rendition="#b">Mayer</hi> mit Crawford blos von vera&#x0364;nderter Capacita&#x0364;t, nicht von chemi&#x017F;cher Scheidung oder Vereinigung, her. Bey den Luftarten, meint er, &#x017F;ollte man den Ausdruck von Permaneita&#x0364;t ganz verbannen, weil es innerhalb der Grenzen der ab&#x017F;oluten Null gar wohl eine Temperatur geben ko&#x0364;nne, bey der die Luftarten &#x017F;ich eben &#x017F;o, wie die Da&#x0364;mpfe bey 212° Fahr. zu zer&#x017F;etzen anfiengen. Selb&#x017F;t beym Verbrennen &#x017F;ey die totale hervorgebrachte Hitze blos das Re&#x017F;ultat der &#x017F;ucce&#x017F;&#x017F;iven Capacita&#x0364;tsvera&#x0364;nderungen, &#x017F;owohl der Luft, als des verbrennenden Ko&#x0364;rpers, der jener den Sauer&#x017F;toff entziehe. Daß die Hitze dabey nur allein aus der Luft komme, &#x017F;ey eine ganz un&#x017F;tatthafte Behauptung. Ueber die Art und Wei&#x017F;e, wie das Sonnenlicht den Wa&#x0364;rme&#x017F;toff modificire, i&#x017F;t Herr M. mit <hi rendition="#b">de Luc</hi> einver&#x017F;tanden, glaubt aber, man ko&#x0364;nne dabey allenfalls auch mit der Euleri&#x017F;chen Theorie vom Lichte ausreichen.</p>
              <p>Ich habe geglaubt, die&#x017F;e Gedanken eines &#x017F;o &#x017F;charf&#x017F;innigen Naturfor&#x017F;chers hier nicht u&#x0364;bergehen zu du&#x0364;rfen. In einer Lehre, die noch &#x017F;o wenig ins Reine gebracht i&#x017F;t, wie die vom Wa&#x0364;rme&#x017F;toff, i&#x017F;t es nie ohne Nutzen, die Vor&#x017F;tellungsarten mehrerer geu&#x0364;bten Denker kennen zu lernen, wenn &#x017F;ie auch oft betra&#x0364;chtlich von einander abgehen. Inzwi&#x017F;chen i&#x017F;t die Ver&#x017F;chiedenheit der Crawford-Mayeri&#x017F;chen Vor&#x017F;tellung von der im Wo&#x0364;rterbuche vorgetragenen Greni&#x017F;chen großentheils nur Ver&#x017F;chiedenheit des Ausdrucks, indem Herr Mayer nur das nicht Bindung nennen will, was &#x017F;ich Herr Gren u. a.<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[957/0969] ſo muͤßte die torricelliſche Leere gerade die meiſte Quantitaͤt von Waͤrme enthalten. Herr M. ſchließt hieraus, ein Koͤrper nehme bey ſonſt gleichen Umſtaͤnden deſto mehr Waͤrme auf, je mehr durch die Ziehkraft ſeiner Theilchen die natuͤrliche Dehnkraft des Waͤrmeſtoffs geſchwaͤcht werde. Da ubrigens nach dieſer Theorie, ſelbſt in dem naͤmlichen Koͤrper, die ſpecifiſche Dehnkraft des Waͤrmeſtoffs nicht durchaus gleich, und das Geſetz, nach dem ſie ſich aͤndert, unbekannt iſt, ſo muß man ſich in jedem Koͤrper eine mittlere ſpecifiſche Dehnkraft gedenken, und dieſe iſt es, welche man durch die Methode der Mengungen zu erfahren ſucht. Alle empfindbar werdende oder ſich verbergende Waͤrme leitet Herr Mayer mit Crawford blos von veraͤnderter Capacitaͤt, nicht von chemiſcher Scheidung oder Vereinigung, her. Bey den Luftarten, meint er, ſollte man den Ausdruck von Permaneitaͤt ganz verbannen, weil es innerhalb der Grenzen der abſoluten Null gar wohl eine Temperatur geben koͤnne, bey der die Luftarten ſich eben ſo, wie die Daͤmpfe bey 212° Fahr. zu zerſetzen anfiengen. Selbſt beym Verbrennen ſey die totale hervorgebrachte Hitze blos das Reſultat der ſucceſſiven Capacitaͤtsveraͤnderungen, ſowohl der Luft, als des verbrennenden Koͤrpers, der jener den Sauerſtoff entziehe. Daß die Hitze dabey nur allein aus der Luft komme, ſey eine ganz unſtatthafte Behauptung. Ueber die Art und Weiſe, wie das Sonnenlicht den Waͤrmeſtoff modificire, iſt Herr M. mit de Luc einverſtanden, glaubt aber, man koͤnne dabey allenfalls auch mit der Euleriſchen Theorie vom Lichte ausreichen. Ich habe geglaubt, dieſe Gedanken eines ſo ſcharfſinnigen Naturforſchers hier nicht uͤbergehen zu duͤrfen. In einer Lehre, die noch ſo wenig ins Reine gebracht iſt, wie die vom Waͤrmeſtoff, iſt es nie ohne Nutzen, die Vorſtellungsarten mehrerer geuͤbten Denker kennen zu lernen, wenn ſie auch oft betraͤchtlich von einander abgehen. Inzwiſchen iſt die Verſchiedenheit der Crawford-Mayeriſchen Vorſtellung von der im Woͤrterbuche vorgetragenen Greniſchen großentheils nur Verſchiedenheit des Ausdrucks, indem Herr Mayer nur das nicht Bindung nennen will, was ſich Herr Gren u. a.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/969
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 957. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/969>, abgerufen am 22.05.2024.