der Temperatur beym Schmelzen des Eises zu erklären, eine Bindung des Wärmestoffs nöthig? Entzieht er sich nicht blos scheinbar dem Thermometer, wenn er sich in die größern Zwischenräume des Wassers verbirgt? Eben so, meint Herr Mayer, könne man auch von der Wärme, welche zu Bildung der Dampf- und Luftform verwendet wird, behaupten, daß sie nur in einem modificirten sreyen Zustande verbleibe (Es kömmt darauf an, was man unter Bindung versteht. Nimmt man dieses Wort, wie im Wörterb. S. 564. für Beraubung der gewöhnlichen Aeußerungen und Kennzeichen durch Verwendung auf andere Wirkungen, so kan jede Wärme, die nicht mehr aufs Thermometer wirkt, gebunden heißen).
Nach Herrn M. sollte der Wärmestoff nur dann gebunden heißen, wenn die Ziehkraft eines Körpers gegen ihn so beträchtlich wäre, daß er seiner Elasticität dadurch gänzlich beraubt würde, und gar kein Vermögen mehr übrig behielte, in ein absolut kaltes Medium überzuströmen. So lange er von diesem Vermögen noch irgend etwas übrig habe, könne er durch hinreichende Verminderung der Temperatur des Mediums, dem er ausgesetzt werde, aus dem Körper eben so gut entweichen, als die Wärme aus dem heißen Wasser, und verdiene also so gut, wie diese, den Namen der freyen Wärme
Herr Mayer glaubt, dieser freye Wärmestoff umgebe jedes Theilchen des Körpers, in dem er sich befindet, wie eine Atmosphäre. Denn die Ziehkraft der Theilchen gegen ihn müsse näher bey den Theilchen stärker seyn, als in einem größern Abstande; solle also ein Gleichgewicht statt finden, so müsse die geschwächte Elasticität des Wärmestoffs zunächst um die Körpertheilchen durch eine größere Dichte desselben ersetzt werden, wodurch sich eine Atmosphäre um jedes Theilchen bilden müsse. Hieraus erklärt er auch, warum die torricellische Leere unter gleichen Umständen weniger Wärmestoff aufnimmt, als andere gleich große Räume, die aber zum Theil mit materiellen Theilen erfüllt sind. Hätte der freye Wärmestoff in allen Räumen von gleicher Temperatur eine gleiche Dichte, wie einige sich vorgestellt haben,
der Temperatur beym Schmelzen des Eiſes zu erklaͤren, eine Bindung des Waͤrmeſtoffs noͤthig? Entzieht er ſich nicht blos ſcheinbar dem Thermometer, wenn er ſich in die groͤßern Zwiſchenraͤume des Waſſers verbirgt? Eben ſo, meint Herr Mayer, koͤnne man auch von der Waͤrme, welche zu Bildung der Dampf- und Luftform verwendet wird, behaupten, daß ſie nur in einem modificirten ſreyen Zuſtande verbleibe (Es koͤmmt darauf an, was man unter Bindung verſteht. Nimmt man dieſes Wort, wie im Woͤrterb. S. 564. fuͤr Beraubung der gewoͤhnlichen Aeußerungen und Kennzeichen durch Verwendung auf andere Wirkungen, ſo kan jede Waͤrme, die nicht mehr aufs Thermometer wirkt, gebunden heißen).
Nach Herrn M. ſollte der Waͤrmeſtoff nur dann gebunden heißen, wenn die Ziehkraft eines Koͤrpers gegen ihn ſo betraͤchtlich waͤre, daß er ſeiner Elaſticitaͤt dadurch gaͤnzlich beraubt wuͤrde, und gar kein Vermoͤgen mehr uͤbrig behielte, in ein abſolut kaltes Medium uͤberzuſtroͤmen. So lange er von dieſem Vermoͤgen noch irgend etwas uͤbrig habe, koͤnne er durch hinreichende Verminderung der Temperatur des Mediums, dem er ausgeſetzt werde, aus dem Koͤrper eben ſo gut entweichen, als die Waͤrme aus dem heißen Waſſer, und verdiene alſo ſo gut, wie dieſe, den Namen der freyen Waͤrme
Herr Mayer glaubt, dieſer freye Waͤrmeſtoff umgebe jedes Theilchen des Koͤrpers, in dem er ſich befindet, wie eine Atmoſphaͤre. Denn die Ziehkraft der Theilchen gegen ihn muͤſſe naͤher bey den Theilchen ſtaͤrker ſeyn, als in einem groͤßern Abſtande; ſolle alſo ein Gleichgewicht ſtatt finden, ſo muͤſſe die geſchwaͤchte Elaſticitaͤt des Waͤrmeſtoffs zunaͤchſt um die Koͤrpertheilchen durch eine groͤßere Dichte deſſelben erſetzt werden, wodurch ſich eine Atmoſphaͤre um jedes Theilchen bilden muͤſſe. Hieraus erklaͤrt er auch, warum die torricelliſche Leere unter gleichen Umſtaͤnden weniger Waͤrmeſtoff aufnimmt, als andere gleich große Raͤume, die aber zum Theil mit materiellen Theilen erfuͤllt ſind. Haͤtte der freye Waͤrmeſtoff in allen Raͤumen von gleicher Temperatur eine gleiche Dichte, wie einige ſich vorgeſtellt haben,
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der Temperatur beym Schmelzen des Eiſes zu erklaͤren, eine Bindung des Waͤrmeſtoffs noͤthig? Entzieht er ſich nicht blos ſcheinbar dem Thermometer, wenn er ſich in die groͤßern Zwiſchenraͤume des Waſſers verbirgt? Eben ſo, meint Herr <hirendition="#b">Mayer,</hi> koͤnne man auch von der Waͤrme, welche zu Bildung der Dampf- und Luftform verwendet wird, behaupten, daß ſie nur in einem modificirten ſreyen Zuſtande verbleibe (Es koͤmmt darauf an, was man unter Bindung verſteht. Nimmt man dieſes Wort, wie im Woͤrterb. S. 564. fuͤr Beraubung der gewoͤhnlichen Aeußerungen und Kennzeichen durch Verwendung auf andere Wirkungen, ſo kan jede Waͤrme, die nicht mehr aufs Thermometer wirkt, <hirendition="#b">gebunden</hi> heißen).</p><p>Nach Herrn M. ſollte der Waͤrmeſtoff nur dann gebunden heißen, wenn die Ziehkraft eines Koͤrpers gegen ihn ſo betraͤchtlich waͤre, daß er ſeiner Elaſticitaͤt dadurch gaͤnzlich beraubt wuͤrde, und gar kein Vermoͤgen mehr uͤbrig behielte, in ein abſolut kaltes Medium uͤberzuſtroͤmen. So lange er von dieſem Vermoͤgen noch irgend etwas uͤbrig habe, koͤnne er durch hinreichende Verminderung der Temperatur des Mediums, dem er ausgeſetzt werde, aus dem Koͤrper eben ſo gut entweichen, als die Waͤrme aus dem heißen Waſſer, und verdiene alſo ſo gut, wie dieſe, den Namen der <hirendition="#b">freyen Waͤrme</hi></p><p>Herr <hirendition="#b">Mayer</hi> glaubt, dieſer freye Waͤrmeſtoff umgebe jedes Theilchen des Koͤrpers, in dem er ſich befindet, wie eine Atmoſphaͤre. Denn die Ziehkraft der Theilchen gegen ihn muͤſſe naͤher bey den Theilchen ſtaͤrker ſeyn, als in einem groͤßern Abſtande; ſolle alſo ein Gleichgewicht ſtatt finden, ſo muͤſſe die geſchwaͤchte Elaſticitaͤt des Waͤrmeſtoffs zunaͤchſt um die Koͤrpertheilchen durch eine groͤßere Dichte deſſelben erſetzt werden, wodurch ſich eine Atmoſphaͤre um jedes Theilchen bilden muͤſſe. Hieraus erklaͤrt er auch, warum die torricelliſche Leere unter gleichen Umſtaͤnden weniger Waͤrmeſtoff aufnimmt, als andere gleich große Raͤume, die aber zum Theil mit materiellen Theilen erfuͤllt ſind. Haͤtte der freye Waͤrmeſtoff in allen Raͤumen von gleicher Temperatur eine gleiche Dichte, wie einige ſich vorgeſtellt haben,<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
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der Temperatur beym Schmelzen des Eiſes zu erklaͤren, eine Bindung des Waͤrmeſtoffs noͤthig? Entzieht er ſich nicht blos ſcheinbar dem Thermometer, wenn er ſich in die groͤßern Zwiſchenraͤume des Waſſers verbirgt? Eben ſo, meint Herr Mayer, koͤnne man auch von der Waͤrme, welche zu Bildung der Dampf- und Luftform verwendet wird, behaupten, daß ſie nur in einem modificirten ſreyen Zuſtande verbleibe (Es koͤmmt darauf an, was man unter Bindung verſteht. Nimmt man dieſes Wort, wie im Woͤrterb. S. 564. fuͤr Beraubung der gewoͤhnlichen Aeußerungen und Kennzeichen durch Verwendung auf andere Wirkungen, ſo kan jede Waͤrme, die nicht mehr aufs Thermometer wirkt, gebunden heißen).
Nach Herrn M. ſollte der Waͤrmeſtoff nur dann gebunden heißen, wenn die Ziehkraft eines Koͤrpers gegen ihn ſo betraͤchtlich waͤre, daß er ſeiner Elaſticitaͤt dadurch gaͤnzlich beraubt wuͤrde, und gar kein Vermoͤgen mehr uͤbrig behielte, in ein abſolut kaltes Medium uͤberzuſtroͤmen. So lange er von dieſem Vermoͤgen noch irgend etwas uͤbrig habe, koͤnne er durch hinreichende Verminderung der Temperatur des Mediums, dem er ausgeſetzt werde, aus dem Koͤrper eben ſo gut entweichen, als die Waͤrme aus dem heißen Waſſer, und verdiene alſo ſo gut, wie dieſe, den Namen der freyen Waͤrme
Herr Mayer glaubt, dieſer freye Waͤrmeſtoff umgebe jedes Theilchen des Koͤrpers, in dem er ſich befindet, wie eine Atmoſphaͤre. Denn die Ziehkraft der Theilchen gegen ihn muͤſſe naͤher bey den Theilchen ſtaͤrker ſeyn, als in einem groͤßern Abſtande; ſolle alſo ein Gleichgewicht ſtatt finden, ſo muͤſſe die geſchwaͤchte Elaſticitaͤt des Waͤrmeſtoffs zunaͤchſt um die Koͤrpertheilchen durch eine groͤßere Dichte deſſelben erſetzt werden, wodurch ſich eine Atmoſphaͤre um jedes Theilchen bilden muͤſſe. Hieraus erklaͤrt er auch, warum die torricelliſche Leere unter gleichen Umſtaͤnden weniger Waͤrmeſtoff aufnimmt, als andere gleich große Raͤume, die aber zum Theil mit materiellen Theilen erfuͤllt ſind. Haͤtte der freye Waͤrmeſtoff in allen Raͤumen von gleicher Temperatur eine gleiche Dichte, wie einige ſich vorgeſtellt haben,
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 956. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/968>, abgerufen am 23.11.2024.
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