wie andere Stoffe durch Verwandtschaft chemische Verbindungen eingehen könne; allein daß dieses wirklich geschehe, beweisen nach ihm wenigstens die bisherigen Versuche noch nicht, weil man sie alle erklären kan, ohne chemische Bindung anzunehmen. Wenn z. B. das Eis durch eine bestimmte Menge zugesetzter Wärme nicht wärmer, sondern blos flüßig wird, so braucht man zu Erklärung dieses Phänomens nur zu sagen, die größere Quantität Wärmestoff in dem aus dem Eise entstandenen Wasser habe eine geringere specisische Elasticität oder Spannung, als die geringere Quantität in dem Eise selbst. Oder man kan sich vorstellen, ein Theil der Dehnkraft des Wärmestoffs wirke der Kraft entgegen, mit welcher sich die Wassertheilchen zu einem festen Körper zu vereinigen streben, und gehe daher fürs Gefühl und Thermometer verlohren, dem allgemeinen Gesetze gemäß, daß eine Kraft nicht zwey verschiedene Wirkungen zugleich hervorbringen kan. (Ist es denn aber nicht erlaubt, eben dieses Bindung zu nennen? Vielleicht bestehen alle chemischen Bindungen blos darinn, daß Kräfte, weil sie andern Kräften entgegenwirken müssen, sich nicht mehr durch ihre sonst gewöhnlichen Aeußerungen zeigen können. Sehr wahrscheinlich würde man dieses so finden, wenn man in den eigentlichen Mechanismus der chemischen Verwandtschaften hineinblicken könnte).
Herr Mayer verwirft den Schluß, daß Wärme, die einem Körper zugesetzt keine Erhöhung der Temperatur hervorbringt, chemisch mit dem Körper verbunden werden müsse. Gesetzt, sagt er, der freye Wärmestoff erweitere sich die Zwischenräumchen des Körpers, in die er strömt, kan denn nicht diese Ausdehnung so viel betragen, daß die mehrere Wärme in den größern Zwischenräumen dennoch nur ebendieselbe Intensität und Spannung behält, wie vorher die geringere in den kleinern Zwischenräumen, daß sie also letzterer das Gleichgewicht hält, wie eine größere Portion Luft einer geringern von eben der Dichte? (Gegen diese Vorstellung von Gleichgewicht sind vornehmlich Herrn Prevost angeführte Erinnerungen über das Stralen der Wärme gerichtet.) Hat man also wohl, um die Unveränderlichkeit
wie andere Stoffe durch Verwandtſchaft chemiſche Verbindungen eingehen koͤnne; allein daß dieſes wirklich geſchehe, beweiſen nach ihm wenigſtens die bisherigen Verſuche noch nicht, weil man ſie alle erklaͤren kan, ohne chemiſche Bindung anzunehmen. Wenn z. B. das Eis durch eine beſtimmte Menge zugeſetzter Waͤrme nicht waͤrmer, ſondern blos fluͤßig wird, ſo braucht man zu Erklaͤrung dieſes Phaͤnomens nur zu ſagen, die groͤßere Quantitaͤt Waͤrmeſtoff in dem aus dem Eiſe entſtandenen Waſſer habe eine geringere ſpeciſiſche Elaſticitaͤt oder Spannung, als die geringere Quantitaͤt in dem Eiſe ſelbſt. Oder man kan ſich vorſtellen, ein Theil der Dehnkraft des Waͤrmeſtoffs wirke der Kraft entgegen, mit welcher ſich die Waſſertheilchen zu einem feſten Koͤrper zu vereinigen ſtreben, und gehe daher fuͤrs Gefuͤhl und Thermometer verlohren, dem allgemeinen Geſetze gemaͤß, daß eine Kraft nicht zwey verſchiedene Wirkungen zugleich hervorbringen kan. (Iſt es denn aber nicht erlaubt, eben dieſes Bindung zu nennen? Vielleicht beſtehen alle chemiſchen Bindungen blos darinn, daß Kraͤfte, weil ſie andern Kraͤften entgegenwirken muͤſſen, ſich nicht mehr durch ihre ſonſt gewoͤhnlichen Aeußerungen zeigen koͤnnen. Sehr wahrſcheinlich wuͤrde man dieſes ſo finden, wenn man in den eigentlichen Mechanismus der chemiſchen Verwandtſchaften hineinblicken koͤnnte).
Herr Mayer verwirft den Schluß, daß Waͤrme, die einem Koͤrper zugeſetzt keine Erhoͤhung der Temperatur hervorbringt, chemiſch mit dem Koͤrper verbunden werden muͤſſe. Geſetzt, ſagt er, der freye Waͤrmeſtoff erweitere ſich die Zwiſchenraͤumchen des Koͤrpers, in die er ſtroͤmt, kan denn nicht dieſe Ausdehnung ſo viel betragen, daß die mehrere Waͤrme in den groͤßern Zwiſchenraͤumen dennoch nur ebendieſelbe Intenſitaͤt und Spannung behaͤlt, wie vorher die geringere in den kleinern Zwiſchenraͤumen, daß ſie alſo letzterer das Gleichgewicht haͤlt, wie eine groͤßere Portion Luft einer geringern von eben der Dichte? (Gegen dieſe Vorſtellung von Gleichgewicht ſind vornehmlich Herrn Prevoſt angefuͤhrte Erinnerungen uͤber das Stralen der Waͤrme gerichtet.) Hat man alſo wohl, um die Unveraͤnderlichkeit
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wie andere Stoffe durch Verwandtſchaft chemiſche Verbindungen eingehen koͤnne; allein daß dieſes wirklich geſchehe, beweiſen nach ihm wenigſtens die bisherigen Verſuche noch nicht, weil man ſie alle erklaͤren kan, ohne chemiſche Bindung anzunehmen. Wenn z. B. das Eis durch eine beſtimmte Menge zugeſetzter Waͤrme nicht waͤrmer, ſondern blos fluͤßig wird, ſo braucht man zu Erklaͤrung dieſes Phaͤnomens nur zu ſagen, die groͤßere Quantitaͤt Waͤrmeſtoff in dem aus dem Eiſe entſtandenen Waſſer habe eine geringere ſpeciſiſche Elaſticitaͤt oder Spannung, als die geringere Quantitaͤt in dem Eiſe ſelbſt. Oder man kan ſich vorſtellen, ein Theil der Dehnkraft des Waͤrmeſtoffs wirke der Kraft entgegen, mit welcher ſich die Waſſertheilchen zu einem feſten Koͤrper zu vereinigen ſtreben, und gehe daher fuͤrs Gefuͤhl und Thermometer verlohren, dem allgemeinen Geſetze gemaͤß, daß eine Kraft nicht zwey verſchiedene Wirkungen zugleich hervorbringen kan. (Iſt es denn aber nicht erlaubt, eben dieſes <hirendition="#b">Bindung</hi> zu nennen? Vielleicht beſtehen alle chemiſchen Bindungen blos darinn, daß Kraͤfte, weil ſie andern Kraͤften entgegenwirken muͤſſen, ſich nicht mehr durch ihre ſonſt gewoͤhnlichen Aeußerungen zeigen koͤnnen. Sehr wahrſcheinlich wuͤrde man dieſes ſo finden, wenn man in den eigentlichen Mechanismus der chemiſchen Verwandtſchaften hineinblicken koͤnnte).</p><p>Herr <hirendition="#b">Mayer</hi> verwirft den Schluß, daß Waͤrme, die einem Koͤrper zugeſetzt keine Erhoͤhung der Temperatur hervorbringt, chemiſch mit dem Koͤrper verbunden werden muͤſſe. Geſetzt, ſagt er, der freye Waͤrmeſtoff erweitere ſich die Zwiſchenraͤumchen des Koͤrpers, in die er ſtroͤmt, kan denn nicht dieſe Ausdehnung ſo viel betragen, daß die mehrere Waͤrme in den groͤßern Zwiſchenraͤumen dennoch nur ebendieſelbe Intenſitaͤt und Spannung behaͤlt, wie vorher die geringere in den kleinern Zwiſchenraͤumen, daß ſie alſo letzterer das Gleichgewicht haͤlt, wie eine groͤßere Portion Luft einer geringern von eben der Dichte? (Gegen dieſe Vorſtellung von Gleichgewicht ſind vornehmlich Herrn <hirendition="#b">Prevoſt</hi> angefuͤhrte Erinnerungen uͤber das Stralen der Waͤrme gerichtet.) Hat man alſo wohl, um die Unveraͤnderlichkeit<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
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wie andere Stoffe durch Verwandtſchaft chemiſche Verbindungen eingehen koͤnne; allein daß dieſes wirklich geſchehe, beweiſen nach ihm wenigſtens die bisherigen Verſuche noch nicht, weil man ſie alle erklaͤren kan, ohne chemiſche Bindung anzunehmen. Wenn z. B. das Eis durch eine beſtimmte Menge zugeſetzter Waͤrme nicht waͤrmer, ſondern blos fluͤßig wird, ſo braucht man zu Erklaͤrung dieſes Phaͤnomens nur zu ſagen, die groͤßere Quantitaͤt Waͤrmeſtoff in dem aus dem Eiſe entſtandenen Waſſer habe eine geringere ſpeciſiſche Elaſticitaͤt oder Spannung, als die geringere Quantitaͤt in dem Eiſe ſelbſt. Oder man kan ſich vorſtellen, ein Theil der Dehnkraft des Waͤrmeſtoffs wirke der Kraft entgegen, mit welcher ſich die Waſſertheilchen zu einem feſten Koͤrper zu vereinigen ſtreben, und gehe daher fuͤrs Gefuͤhl und Thermometer verlohren, dem allgemeinen Geſetze gemaͤß, daß eine Kraft nicht zwey verſchiedene Wirkungen zugleich hervorbringen kan. (Iſt es denn aber nicht erlaubt, eben dieſes Bindung zu nennen? Vielleicht beſtehen alle chemiſchen Bindungen blos darinn, daß Kraͤfte, weil ſie andern Kraͤften entgegenwirken muͤſſen, ſich nicht mehr durch ihre ſonſt gewoͤhnlichen Aeußerungen zeigen koͤnnen. Sehr wahrſcheinlich wuͤrde man dieſes ſo finden, wenn man in den eigentlichen Mechanismus der chemiſchen Verwandtſchaften hineinblicken koͤnnte).
Herr Mayer verwirft den Schluß, daß Waͤrme, die einem Koͤrper zugeſetzt keine Erhoͤhung der Temperatur hervorbringt, chemiſch mit dem Koͤrper verbunden werden muͤſſe. Geſetzt, ſagt er, der freye Waͤrmeſtoff erweitere ſich die Zwiſchenraͤumchen des Koͤrpers, in die er ſtroͤmt, kan denn nicht dieſe Ausdehnung ſo viel betragen, daß die mehrere Waͤrme in den groͤßern Zwiſchenraͤumen dennoch nur ebendieſelbe Intenſitaͤt und Spannung behaͤlt, wie vorher die geringere in den kleinern Zwiſchenraͤumen, daß ſie alſo letzterer das Gleichgewicht haͤlt, wie eine groͤßere Portion Luft einer geringern von eben der Dichte? (Gegen dieſe Vorſtellung von Gleichgewicht ſind vornehmlich Herrn Prevoſt angefuͤhrte Erinnerungen uͤber das Stralen der Waͤrme gerichtet.) Hat man alſo wohl, um die Unveraͤnderlichkeit
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 955. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/967>, abgerufen am 23.11.2024.
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