Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


zu machen, welches nach ihm nicht nur beym Schmelzen oder Verdünsten, sondern auch schon bey der bloßen Ausdehnung geschieht. Ist nämlich ein erhitzter Körper mit einem leicht schmelzbaren oder verdunstbaren kältern umgeben, so wird die aus ihm auf den letztern stralende Wärme schnell und leicht zur latenten gemacht, die nicht wieder zurückstralt, und der erhitzte Körper verliert desto leichter seinen Ueberschuß der freyen Wärme oder der Temperatur. Wenn hingegen der umgebende Körper nicht eigentlich zu den schmelzbaren oder verdunstbaren gehört, wie dieses mit Baumwolle, Federn, Wolle, Haaren, Holz, Kohlen, Ruß, Asche, Bärlappsaamen u. a. der Fall ist, so kann aus dem erhitzten Körper nur der Theil der freyen Wärme frey ausströmen, der auf die in gerader Linie liegenden Zwischenräume trift; der Theil, welcher intercipirt wird, wird wieder zurückgeworfen, und es erfolgt solchergestalt die Abnahme der Temperatur weit langsamer, als da, wo dieser intercipirte Theil verschluckt wird, und seine Stralung, folglich seine warmmachende Kraft, verliert.

Diesen Grundsätzen zufolge hält Herr Gren, der überhaupt der Idee von specifischer Wärme oder Capacität nicht günstig ist, das Mayerische Gesetz, daß die Leitungskraft im umgekehrten Verhältnisse des Products aus dem specifischen Gewicht in die specifische Wärme stehe, für zu voreilig. Er glaubt, das Zusammentreffen desselben mit den Erfahrungen in den wenigen angeführten Fällen sey mehr für zufällig, als für wesentlich zu halten, und die darnach berechnete Tabelle des Herrn von Humboldt bleibe noch manchen Erinnerungen ausgesetzt. Die Leitungskräfte der verschiedenen Luftgattungen lassen sich aus den bisherigen Angaben ihrer specifischen Gewichte und Wärmen nicht nach diesem Gesetze berechnen, daher sie auch Herr von H. aus seiner Tabelle ganz hinweggelassen hat. Hiebey erinnert Herr Gren, es sey beym Abkühlen der Körper in Luft und andern expansibeln Flüßigkeiten noch zu erwägen, daß die erwärmten Lufttheilchen emporsteigen, und andern kältern Platz machen, folglich der Körper nicht mit einem unbeweglichen Medium umgeben sey, welches auf die Resultate


zu machen, welches nach ihm nicht nur beym Schmelzen oder Verduͤnſten, ſondern auch ſchon bey der bloßen Ausdehnung geſchieht. Iſt naͤmlich ein erhitzter Koͤrper mit einem leicht ſchmelzbaren oder verdunſtbaren kaͤltern umgeben, ſo wird die aus ihm auf den letztern ſtralende Waͤrme ſchnell und leicht zur latenten gemacht, die nicht wieder zuruͤckſtralt, und der erhitzte Koͤrper verliert deſto leichter ſeinen Ueberſchuß der freyen Waͤrme oder der Temperatur. Wenn hingegen der umgebende Koͤrper nicht eigentlich zu den ſchmelzbaren oder verdunſtbaren gehoͤrt, wie dieſes mit Baumwolle, Federn, Wolle, Haaren, Holz, Kohlen, Ruß, Aſche, Baͤrlappſaamen u. a. der Fall iſt, ſo kann aus dem erhitzten Koͤrper nur der Theil der freyen Waͤrme frey ausſtroͤmen, der auf die in gerader Linie liegenden Zwiſchenraͤume trift; der Theil, welcher intercipirt wird, wird wieder zuruͤckgeworfen, und es erfolgt ſolchergeſtalt die Abnahme der Temperatur weit langſamer, als da, wo dieſer intercipirte Theil verſchluckt wird, und ſeine Stralung, folglich ſeine warmmachende Kraft, verliert.

Dieſen Grundſaͤtzen zufolge haͤlt Herr Gren, der uͤberhaupt der Idee von ſpecifiſcher Waͤrme oder Capacitaͤt nicht guͤnſtig iſt, das Mayeriſche Geſetz, daß die Leitungskraft im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Products aus dem ſpecifiſchen Gewicht in die ſpecifiſche Waͤrme ſtehe, fuͤr zu voreilig. Er glaubt, das Zuſammentreffen deſſelben mit den Erfahrungen in den wenigen angefuͤhrten Faͤllen ſey mehr fuͤr zufaͤllig, als fuͤr weſentlich zu halten, und die darnach berechnete Tabelle des Herrn von Humboldt bleibe noch manchen Erinnerungen ausgeſetzt. Die Leitungskraͤfte der verſchiedenen Luftgattungen laſſen ſich aus den bisherigen Angaben ihrer ſpecifiſchen Gewichte und Waͤrmen nicht nach dieſem Geſetze berechnen, daher ſie auch Herr von H. aus ſeiner Tabelle ganz hinweggelaſſen hat. Hiebey erinnert Herr Gren, es ſey beym Abkuͤhlen der Koͤrper in Luft und andern expanſibeln Fluͤßigkeiten noch zu erwaͤgen, daß die erwaͤrmten Lufttheilchen emporſteigen, und andern kaͤltern Platz machen, folglich der Koͤrper nicht mit einem unbeweglichen Medium umgeben ſey, welches auf die Reſultate

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0965" xml:id="P.5.953" n="953"/><lb/>
zu machen, welches nach ihm nicht nur beym Schmelzen oder Verdu&#x0364;n&#x017F;ten, &#x017F;ondern auch &#x017F;chon bey der bloßen Ausdehnung ge&#x017F;chieht. I&#x017F;t na&#x0364;mlich ein erhitzter Ko&#x0364;rper mit einem leicht &#x017F;chmelzbaren oder verdun&#x017F;tbaren ka&#x0364;ltern umgeben, &#x017F;o wird die aus ihm auf den letztern &#x017F;tralende Wa&#x0364;rme &#x017F;chnell und leicht zur latenten gemacht, die nicht wieder zuru&#x0364;ck&#x017F;tralt, und der erhitzte Ko&#x0364;rper verliert de&#x017F;to leichter &#x017F;einen Ueber&#x017F;chuß der freyen Wa&#x0364;rme oder der Temperatur. Wenn hingegen der umgebende Ko&#x0364;rper nicht eigentlich zu den &#x017F;chmelzbaren oder verdun&#x017F;tbaren geho&#x0364;rt, wie die&#x017F;es mit Baumwolle, Federn, Wolle, Haaren, Holz, Kohlen, Ruß, A&#x017F;che, Ba&#x0364;rlapp&#x017F;aamen u. a. der Fall i&#x017F;t, &#x017F;o kann aus dem erhitzten Ko&#x0364;rper nur der Theil der freyen Wa&#x0364;rme frey aus&#x017F;tro&#x0364;men, der auf die in gerader Linie liegenden Zwi&#x017F;chenra&#x0364;ume trift; der Theil, welcher intercipirt wird, wird wieder zuru&#x0364;ckgeworfen, und es erfolgt &#x017F;olcherge&#x017F;talt die Abnahme der Temperatur weit lang&#x017F;amer, als da, wo die&#x017F;er intercipirte Theil ver&#x017F;chluckt wird, und &#x017F;eine Stralung, folglich &#x017F;eine warmmachende Kraft, verliert.</p>
              <p>Die&#x017F;en Grund&#x017F;a&#x0364;tzen zufolge ha&#x0364;lt Herr <hi rendition="#b">Gren,</hi> der u&#x0364;berhaupt der Idee von &#x017F;pecifi&#x017F;cher Wa&#x0364;rme oder Capacita&#x0364;t nicht gu&#x0364;n&#x017F;tig i&#x017F;t, das Mayeri&#x017F;che Ge&#x017F;etz, daß die Leitungskraft im umgekehrten Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e des Products aus dem &#x017F;pecifi&#x017F;chen Gewicht in die &#x017F;pecifi&#x017F;che Wa&#x0364;rme &#x017F;tehe, fu&#x0364;r zu voreilig. Er glaubt, das Zu&#x017F;ammentreffen de&#x017F;&#x017F;elben mit den Erfahrungen in den wenigen angefu&#x0364;hrten Fa&#x0364;llen &#x017F;ey mehr fu&#x0364;r zufa&#x0364;llig, als fu&#x0364;r we&#x017F;entlich zu halten, und die darnach berechnete Tabelle des Herrn <hi rendition="#b">von Humboldt</hi> bleibe noch manchen Erinnerungen ausge&#x017F;etzt. Die Leitungskra&#x0364;fte der ver&#x017F;chiedenen Luftgattungen la&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ich aus den bisherigen Angaben ihrer &#x017F;pecifi&#x017F;chen Gewichte und Wa&#x0364;rmen nicht nach die&#x017F;em Ge&#x017F;etze berechnen, daher &#x017F;ie auch Herr von H. aus &#x017F;einer Tabelle ganz hinweggela&#x017F;&#x017F;en hat. Hiebey erinnert Herr <hi rendition="#b">Gren,</hi> es &#x017F;ey beym Abku&#x0364;hlen der Ko&#x0364;rper in Luft und andern expan&#x017F;ibeln Flu&#x0364;ßigkeiten noch zu erwa&#x0364;gen, daß die erwa&#x0364;rmten Lufttheilchen empor&#x017F;teigen, und andern ka&#x0364;ltern Platz machen, folglich der Ko&#x0364;rper nicht mit einem unbeweglichen Medium umgeben &#x017F;ey, welches auf die Re&#x017F;ultate<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[953/0965] zu machen, welches nach ihm nicht nur beym Schmelzen oder Verduͤnſten, ſondern auch ſchon bey der bloßen Ausdehnung geſchieht. Iſt naͤmlich ein erhitzter Koͤrper mit einem leicht ſchmelzbaren oder verdunſtbaren kaͤltern umgeben, ſo wird die aus ihm auf den letztern ſtralende Waͤrme ſchnell und leicht zur latenten gemacht, die nicht wieder zuruͤckſtralt, und der erhitzte Koͤrper verliert deſto leichter ſeinen Ueberſchuß der freyen Waͤrme oder der Temperatur. Wenn hingegen der umgebende Koͤrper nicht eigentlich zu den ſchmelzbaren oder verdunſtbaren gehoͤrt, wie dieſes mit Baumwolle, Federn, Wolle, Haaren, Holz, Kohlen, Ruß, Aſche, Baͤrlappſaamen u. a. der Fall iſt, ſo kann aus dem erhitzten Koͤrper nur der Theil der freyen Waͤrme frey ausſtroͤmen, der auf die in gerader Linie liegenden Zwiſchenraͤume trift; der Theil, welcher intercipirt wird, wird wieder zuruͤckgeworfen, und es erfolgt ſolchergeſtalt die Abnahme der Temperatur weit langſamer, als da, wo dieſer intercipirte Theil verſchluckt wird, und ſeine Stralung, folglich ſeine warmmachende Kraft, verliert. Dieſen Grundſaͤtzen zufolge haͤlt Herr Gren, der uͤberhaupt der Idee von ſpecifiſcher Waͤrme oder Capacitaͤt nicht guͤnſtig iſt, das Mayeriſche Geſetz, daß die Leitungskraft im umgekehrten Verhaͤltniſſe des Products aus dem ſpecifiſchen Gewicht in die ſpecifiſche Waͤrme ſtehe, fuͤr zu voreilig. Er glaubt, das Zuſammentreffen deſſelben mit den Erfahrungen in den wenigen angefuͤhrten Faͤllen ſey mehr fuͤr zufaͤllig, als fuͤr weſentlich zu halten, und die darnach berechnete Tabelle des Herrn von Humboldt bleibe noch manchen Erinnerungen ausgeſetzt. Die Leitungskraͤfte der verſchiedenen Luftgattungen laſſen ſich aus den bisherigen Angaben ihrer ſpecifiſchen Gewichte und Waͤrmen nicht nach dieſem Geſetze berechnen, daher ſie auch Herr von H. aus ſeiner Tabelle ganz hinweggelaſſen hat. Hiebey erinnert Herr Gren, es ſey beym Abkuͤhlen der Koͤrper in Luft und andern expanſibeln Fluͤßigkeiten noch zu erwaͤgen, daß die erwaͤrmten Lufttheilchen emporſteigen, und andern kaͤltern Platz machen, folglich der Koͤrper nicht mit einem unbeweglichen Medium umgeben ſey, welches auf die Reſultate

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/965
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 953. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/965>, abgerufen am 18.05.2024.