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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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kleinen und feinen Gegenständen beschäftigen. Die Augen werden, wie andere Theile des Körpers, durch Uebung gestärkt, die Muskeln sowohl, als die elastischen Theile erlangen mehr Stärke und Fertigkeit zu solchen Bewegungen und Stellungen, zu denen sie oft und anhaltend gebraucht werden. Man muß daher das Auge gewöhnen, immer sowohl nahe als ferne Dinge zu sehen; sind aber die Augen einmal fehlerhaft geworden, so darf man auch mit dem Gebrauche der Gläser nicht zu lange zögern, weil sonst das Auge durch die Gewohnheit, auf das Undeutliche gar nicht zu sehen, immer mehr verdorben wird.

John Stack (Transact. of the Royal Irish Academy. To. II. Dublin, 1788. 4. übers. in Grens Journal der Phys. B. IV. S. 45 u. f.) sucht diese Fehler des Auges aus einer andern Ursache herzuleiten. Er fand nemlich, daß manche Kurzsichtige einen nahen Gegenstand durch eine Karte mit einem Loche deutlich sehen, daß andere bey zusammengezogner Pupille auf 2 Zoll weiter eine Schrift lesen konnten, als bey erweiterter, und daß manchen fehlerhaft sehenden Personen doppelt-concave oder doppelt-convexe Giäser nicht halfen. Dieses kann er sich aus der gewöhnlichen Theorie nicht erklären, und nimmt daher an, die Undeutlichkeit des Sehens entspringe vielmehr aus einer fehlerhaft vertheilten Dichtigkeit der Krystallinse. Diese Dichtigkeit ist in gesunden Augen um die Mitte größer, und nimmt von da an gegen die Ränder allmählich ab, welches die Folge hat, daß die am Rande unter schiefern Winkeln auf die Linse fallenden Stralen (welche sich sonst in einem nähern Punkte, als die in der Mitte, vereinigen würden) weniger gebrochen werden, und nun erst in eben dem Punkte zusammengehen, in welchem auch die mittlern sich vereinigen, und in welchem die Netzhaut liegt, daß also dadurch die Abweichung wegen der Gestalt der Krystallinse verbessert wird. Hat nun in einem Auge die Krystallinse zwar in der Mitte die gehörige Dichtigkeit und Brechungskraft, es ist aber dieselbe von da an gegen die Seiten hin nicht hinlänglich oder zu stark vermindert, so bleibt jene Abweichung unverbessert, und es entspringt eine Undeutlichkeit des Sehens, welcher durch doppelt-concave


kleinen und feinen Gegenſtaͤnden beſchaͤftigen. Die Augen werden, wie andere Theile des Koͤrpers, durch Uebung geſtaͤrkt, die Muſkeln ſowohl, als die elaſtiſchen Theile erlangen mehr Staͤrke und Fertigkeit zu ſolchen Bewegungen und Stellungen, zu denen ſie oft und anhaltend gebraucht werden. Man muß daher das Auge gewoͤhnen, immer ſowohl nahe als ferne Dinge zu ſehen; ſind aber die Augen einmal fehlerhaft geworden, ſo darf man auch mit dem Gebrauche der Glaͤſer nicht zu lange zoͤgern, weil ſonſt das Auge durch die Gewohnheit, auf das Undeutliche gar nicht zu ſehen, immer mehr verdorben wird.

John Stack (Transact. of the Royal Iriſh Academy. To. II. Dublin, 1788. 4. uͤberſ. in Grens Journal der Phyſ. B. IV. S. 45 u. f.) ſucht dieſe Fehler des Auges aus einer andern Urſache herzuleiten. Er fand nemlich, daß manche Kurzſichtige einen nahen Gegenſtand durch eine Karte mit einem Loche deutlich ſehen, daß andere bey zuſammengezogner Pupille auf 2 Zoll weiter eine Schrift leſen konnten, als bey erweiterter, und daß manchen fehlerhaft ſehenden Perſonen doppelt-concave oder doppelt-convexe Giaͤſer nicht halfen. Dieſes kann er ſich aus der gewoͤhnlichen Theorie nicht erklaͤren, und nimmt daher an, die Undeutlichkeit des Sehens entſpringe vielmehr aus einer fehlerhaft vertheilten Dichtigkeit der Kryſtallinſe. Dieſe Dichtigkeit iſt in geſunden Augen um die Mitte groͤßer, und nimmt von da an gegen die Raͤnder allmaͤhlich ab, welches die Folge hat, daß die am Rande unter ſchiefern Winkeln auf die Linſe fallenden Stralen (welche ſich ſonſt in einem naͤhern Punkte, als die in der Mitte, vereinigen wuͤrden) weniger gebrochen werden, und nun erſt in eben dem Punkte zuſammengehen, in welchem auch die mittlern ſich vereinigen, und in welchem die Netzhaut liegt, daß alſo dadurch die Abweichung wegen der Geſtalt der Kryſtallinſe verbeſſert wird. Hat nun in einem Auge die Kryſtallinſe zwar in der Mitte die gehoͤrige Dichtigkeit und Brechungskraft, es iſt aber dieſelbe von da an gegen die Seiten hin nicht hinlaͤnglich oder zu ſtark vermindert, ſo bleibt jene Abweichung unverbeſſert, und es entſpringt eine Undeutlichkeit des Sehens, welcher durch doppelt-concave

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[78/0090] kleinen und feinen Gegenſtaͤnden beſchaͤftigen. Die Augen werden, wie andere Theile des Koͤrpers, durch Uebung geſtaͤrkt, die Muſkeln ſowohl, als die elaſtiſchen Theile erlangen mehr Staͤrke und Fertigkeit zu ſolchen Bewegungen und Stellungen, zu denen ſie oft und anhaltend gebraucht werden. Man muß daher das Auge gewoͤhnen, immer ſowohl nahe als ferne Dinge zu ſehen; ſind aber die Augen einmal fehlerhaft geworden, ſo darf man auch mit dem Gebrauche der Glaͤſer nicht zu lange zoͤgern, weil ſonſt das Auge durch die Gewohnheit, auf das Undeutliche gar nicht zu ſehen, immer mehr verdorben wird. John Stack (Transact. of the Royal Iriſh Academy. To. II. Dublin, 1788. 4. uͤberſ. in Grens Journal der Phyſ. B. IV. S. 45 u. f.) ſucht dieſe Fehler des Auges aus einer andern Urſache herzuleiten. Er fand nemlich, daß manche Kurzſichtige einen nahen Gegenſtand durch eine Karte mit einem Loche deutlich ſehen, daß andere bey zuſammengezogner Pupille auf 2 Zoll weiter eine Schrift leſen konnten, als bey erweiterter, und daß manchen fehlerhaft ſehenden Perſonen doppelt-concave oder doppelt-convexe Giaͤſer nicht halfen. Dieſes kann er ſich aus der gewoͤhnlichen Theorie nicht erklaͤren, und nimmt daher an, die Undeutlichkeit des Sehens entſpringe vielmehr aus einer fehlerhaft vertheilten Dichtigkeit der Kryſtallinſe. Dieſe Dichtigkeit iſt in geſunden Augen um die Mitte groͤßer, und nimmt von da an gegen die Raͤnder allmaͤhlich ab, welches die Folge hat, daß die am Rande unter ſchiefern Winkeln auf die Linſe fallenden Stralen (welche ſich ſonſt in einem naͤhern Punkte, als die in der Mitte, vereinigen wuͤrden) weniger gebrochen werden, und nun erſt in eben dem Punkte zuſammengehen, in welchem auch die mittlern ſich vereinigen, und in welchem die Netzhaut liegt, daß alſo dadurch die Abweichung wegen der Geſtalt der Kryſtallinſe verbeſſert wird. Hat nun in einem Auge die Kryſtallinſe zwar in der Mitte die gehoͤrige Dichtigkeit und Brechungskraft, es iſt aber dieſelbe von da an gegen die Seiten hin nicht hinlaͤnglich oder zu ſtark vermindert, ſo bleibt jene Abweichung unverbeſſert, und es entſpringt eine Undeutlichkeit des Sehens, welcher durch doppelt-concave

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/90>, abgerufen am 04.05.2024.