Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


Zu S. 790. Hr. Kant hat bereits im Jahre 1755 (Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels, oder Versuch von der Verfassung und dem mechanischen Ursprunge des ganzen Weltgebäudes nach Newtonischen Grundsätzen abgehandelt. Königsb. u. Leipz. 8.) über die Entstehung des Saturnsrings folgende Theorie entworfen. Saturn war, wie alle Planeten, Anfangs ein Komet, der sich auch um eine Axe drehte. Als seine Laufbahn anfieng, dem Kreise ähnlicher zu werden, verlohr der neue Planet allmählig seine Wärme, weil er der Sonne nicht mehr so nahe kam; die Theile, die den Schweif gebildet hatten, wurden verdichtet, und fielen gegen den Planeten zurück. Die vom Aequator entfernten Theile wurden bey der Umdrehung um die Axe nach den Gesetzen der Centralbewegung gegen die Ebene des Aequators getrieben, kamen daselbst von beyden Seiten zusammen, und verenigten sich in eine Masse. Diejenigen Theile aber, welche vor ihrer Vereinigung dem Körper des Planeten selbst nahe kamen, hatten durch die Umdrehungsbewegung nicht genug Schwung erhalten, um der Gravitation ganz widerstehen zu können; sie sielen also auf den Planeten selbst herab, und ließen in der Nähe desselben einen leeren Raum, daher der Ring nicht mit dem Körper selbst zusammenhängt. Dieser Ring mußte nun um den Saturn mit einer Geschwindigkeit umlaufen, die sich im umgekehrten Verhältniß des Abstandes seines innern Randes von dem Mittelpunkte des Planeten befand. Diese Geschwindigkeit dient, die Umdrehungszeit des Planeten selbst zu finden, wenn man die Geschwindigkeit der Theile im Aequator ihr gleich setzt. Die verschiedenen Streifen, welche man auf der Fläche des Ringes bemerkt hat, zeigen, daß es mehrere concentrische Ringe giebt, welche dem keplerischen Gesetze zufolge verschiedene Rotationszeiten haben, indem sich die äußern langsamer, als die innern, umdrehen müssen. Endlich konnte bey den übrigen Planeten ein ähnlicher Ring deswegen nicht entstehen, weil die Höhe, in welcher die Theile gegen den Planeten zu fallen aufhören, und mit der erlangten Geschwindigkeit dem keplerischen Gesetz gemäß blos umlaufen, bey allen übrigen Planeten viel zu groß ist,


Zu S. 790. Hr. Kant hat bereits im Jahre 1755 (Allgemeine Naturgeſchichte und Theorie des Himmels, oder Verſuch von der Verfaſſung und dem mechaniſchen Urſprunge des ganzen Weltgebaͤudes nach Newtoniſchen Grundſaͤtzen abgehandelt. Koͤnigsb. u. Leipz. 8.) uͤber die Entſtehung des Saturnsrings folgende Theorie entworfen. Saturn war, wie alle Planeten, Anfangs ein Komet, der ſich auch um eine Axe drehte. Als ſeine Laufbahn anfieng, dem Kreiſe aͤhnlicher zu werden, verlohr der neue Planet allmaͤhlig ſeine Waͤrme, weil er der Sonne nicht mehr ſo nahe kam; die Theile, die den Schweif gebildet hatten, wurden verdichtet, und fielen gegen den Planeten zuruͤck. Die vom Aequator entfernten Theile wurden bey der Umdrehung um die Axe nach den Geſetzen der Centralbewegung gegen die Ebene des Aequators getrieben, kamen daſelbſt von beyden Seiten zuſammen, und verenigten ſich in eine Maſſe. Diejenigen Theile aber, welche vor ihrer Vereinigung dem Koͤrper des Planeten ſelbſt nahe kamen, hatten durch die Umdrehungsbewegung nicht genug Schwung erhalten, um der Gravitation ganz widerſtehen zu koͤnnen; ſie ſielen alſo auf den Planeten ſelbſt herab, und ließen in der Naͤhe deſſelben einen leeren Raum, daher der Ring nicht mit dem Koͤrper ſelbſt zuſammenhaͤngt. Dieſer Ring mußte nun um den Saturn mit einer Geſchwindigkeit umlaufen, die ſich im umgekehrten Verhaͤltniß des Abſtandes ſeines innern Randes von dem Mittelpunkte des Planeten befand. Dieſe Geſchwindigkeit dient, die Umdrehungszeit des Planeten ſelbſt zu finden, wenn man die Geſchwindigkeit der Theile im Aequator ihr gleich ſetzt. Die verſchiedenen Streifen, welche man auf der Flaͤche des Ringes bemerkt hat, zeigen, daß es mehrere concentriſche Ringe giebt, welche dem kepleriſchen Geſetze zufolge verſchiedene Rotationszeiten haben, indem ſich die aͤußern langſamer, als die innern, umdrehen muͤſſen. Endlich konnte bey den uͤbrigen Planeten ein aͤhnlicher Ring deswegen nicht entſtehen, weil die Hoͤhe, in welcher die Theile gegen den Planeten zu fallen aufhoͤren, und mit der erlangten Geſchwindigkeit dem kepleriſchen Geſetz gemaͤß blos umlaufen, bey allen uͤbrigen Planeten viel zu groß iſt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p>
                <pb facs="#f0810" xml:id="P.5.798" n="798"/><lb/>
              </p>
              <p><hi rendition="#b">Zu S.</hi> 790. Hr. <hi rendition="#b">Kant</hi> hat bereits im Jahre 1755 (Allgemeine Naturge&#x017F;chichte und Theorie des Himmels, oder Ver&#x017F;uch von der Verfa&#x017F;&#x017F;ung und dem mechani&#x017F;chen Ur&#x017F;prunge des ganzen Weltgeba&#x0364;udes nach Newtoni&#x017F;chen Grund&#x017F;a&#x0364;tzen abgehandelt. Ko&#x0364;nigsb. u. Leipz. 8.) u&#x0364;ber die Ent&#x017F;tehung des Saturnsrings folgende Theorie entworfen. Saturn war, wie alle Planeten, Anfangs ein Komet, der &#x017F;ich auch um eine Axe drehte. Als &#x017F;eine Laufbahn anfieng, dem Krei&#x017F;e a&#x0364;hnlicher zu werden, verlohr der neue Planet allma&#x0364;hlig &#x017F;eine Wa&#x0364;rme, weil er der Sonne nicht mehr &#x017F;o nahe kam; die Theile, die den Schweif gebildet hatten, wurden verdichtet, und fielen gegen den Planeten zuru&#x0364;ck. Die vom Aequator entfernten Theile wurden bey der Umdrehung um die Axe nach den Ge&#x017F;etzen der Centralbewegung gegen die Ebene des Aequators getrieben, kamen da&#x017F;elb&#x017F;t von beyden Seiten zu&#x017F;ammen, und verenigten &#x017F;ich in eine Ma&#x017F;&#x017F;e. Diejenigen Theile aber, welche vor ihrer Vereinigung dem Ko&#x0364;rper des Planeten &#x017F;elb&#x017F;t nahe kamen, hatten durch die Umdrehungsbewegung nicht genug Schwung erhalten, um der Gravitation ganz wider&#x017F;tehen zu ko&#x0364;nnen; &#x017F;ie &#x017F;ielen al&#x017F;o auf den Planeten &#x017F;elb&#x017F;t herab, und ließen in der Na&#x0364;he de&#x017F;&#x017F;elben einen leeren Raum, daher der Ring nicht mit dem Ko&#x0364;rper &#x017F;elb&#x017F;t zu&#x017F;ammenha&#x0364;ngt. Die&#x017F;er Ring mußte nun um den Saturn mit einer Ge&#x017F;chwindigkeit umlaufen, die &#x017F;ich im umgekehrten Verha&#x0364;ltniß des Ab&#x017F;tandes &#x017F;eines innern Randes von dem Mittelpunkte des Planeten befand. Die&#x017F;e Ge&#x017F;chwindigkeit dient, die Umdrehungszeit des Planeten &#x017F;elb&#x017F;t zu finden, wenn man die Ge&#x017F;chwindigkeit der Theile im Aequator ihr gleich &#x017F;etzt. Die ver&#x017F;chiedenen Streifen, welche man auf der Fla&#x0364;che des Ringes bemerkt hat, zeigen, daß es mehrere concentri&#x017F;che Ringe giebt, welche dem kepleri&#x017F;chen Ge&#x017F;etze zufolge ver&#x017F;chiedene Rotationszeiten haben, indem &#x017F;ich die a&#x0364;ußern lang&#x017F;amer, als die innern, umdrehen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en. Endlich konnte bey den u&#x0364;brigen Planeten ein a&#x0364;hnlicher Ring deswegen nicht ent&#x017F;tehen, weil die Ho&#x0364;he, in welcher die Theile gegen den Planeten zu fallen aufho&#x0364;ren, und mit der erlangten Ge&#x017F;chwindigkeit dem kepleri&#x017F;chen Ge&#x017F;etz gema&#x0364;ß blos umlaufen, bey allen u&#x0364;brigen Planeten viel zu groß i&#x017F;t,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[798/0810] Zu S. 790. Hr. Kant hat bereits im Jahre 1755 (Allgemeine Naturgeſchichte und Theorie des Himmels, oder Verſuch von der Verfaſſung und dem mechaniſchen Urſprunge des ganzen Weltgebaͤudes nach Newtoniſchen Grundſaͤtzen abgehandelt. Koͤnigsb. u. Leipz. 8.) uͤber die Entſtehung des Saturnsrings folgende Theorie entworfen. Saturn war, wie alle Planeten, Anfangs ein Komet, der ſich auch um eine Axe drehte. Als ſeine Laufbahn anfieng, dem Kreiſe aͤhnlicher zu werden, verlohr der neue Planet allmaͤhlig ſeine Waͤrme, weil er der Sonne nicht mehr ſo nahe kam; die Theile, die den Schweif gebildet hatten, wurden verdichtet, und fielen gegen den Planeten zuruͤck. Die vom Aequator entfernten Theile wurden bey der Umdrehung um die Axe nach den Geſetzen der Centralbewegung gegen die Ebene des Aequators getrieben, kamen daſelbſt von beyden Seiten zuſammen, und verenigten ſich in eine Maſſe. Diejenigen Theile aber, welche vor ihrer Vereinigung dem Koͤrper des Planeten ſelbſt nahe kamen, hatten durch die Umdrehungsbewegung nicht genug Schwung erhalten, um der Gravitation ganz widerſtehen zu koͤnnen; ſie ſielen alſo auf den Planeten ſelbſt herab, und ließen in der Naͤhe deſſelben einen leeren Raum, daher der Ring nicht mit dem Koͤrper ſelbſt zuſammenhaͤngt. Dieſer Ring mußte nun um den Saturn mit einer Geſchwindigkeit umlaufen, die ſich im umgekehrten Verhaͤltniß des Abſtandes ſeines innern Randes von dem Mittelpunkte des Planeten befand. Dieſe Geſchwindigkeit dient, die Umdrehungszeit des Planeten ſelbſt zu finden, wenn man die Geſchwindigkeit der Theile im Aequator ihr gleich ſetzt. Die verſchiedenen Streifen, welche man auf der Flaͤche des Ringes bemerkt hat, zeigen, daß es mehrere concentriſche Ringe giebt, welche dem kepleriſchen Geſetze zufolge verſchiedene Rotationszeiten haben, indem ſich die aͤußern langſamer, als die innern, umdrehen muͤſſen. Endlich konnte bey den uͤbrigen Planeten ein aͤhnlicher Ring deswegen nicht entſtehen, weil die Hoͤhe, in welcher die Theile gegen den Planeten zu fallen aufhoͤren, und mit der erlangten Geſchwindigkeit dem kepleriſchen Geſetz gemaͤß blos umlaufen, bey allen uͤbrigen Planeten viel zu groß iſt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/810
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 798. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/810>, abgerufen am 18.06.2024.