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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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stieg jedesmal um 1 1/4 Zoll, woraus nach den Dimensionen des Gefäßes folgte, daß bey jedem Einathmen 46,76 Cubikzoll Luft in die Brusthöle des Mannes traten. Fast eben dieses Resultat gab bey diesem Manne der Versuch mit der Blase. Bey einem kleinern Menschen, dessen Höhe nur 5 Fuß 1 Zoll betrug, schlug der Puls in einer Minute 72mal, die Zahl der Inspirationen war 18, und das Wasser stieg und sank 0,95 Zoll. Hieraus folgte der Luftraum, den dieser Mann bey jeder Inspiration einzog, = 40,78 Cubikzoll. Der Versuch mit der Blase gab ebendasselbe Resultat. Das Mittel zwischen beyden Versuchen giebt für die Luftmenge, welche bey jeder Inspiration in die Lunge tritt, 43,77 Cubikzoll.

Herr Menzies betrachtet die Lungen selbst als den Heerd der thierischen Wärme, welche von der Zersetzung der Luft in ihnen herrühre, und in directem Verhältnisse der Quantität der zersetzten Lebensluft und der gebildeten Luftsäure sey.

Herr Gren hat in seinem Journal der Physik die angeführten Abhandlungen der Herren Girtanner und Menzies mit Anmerkungen begleitet, und darinn gegen die antiphlogistischen Erklärungen des Athemholens einige Einwendungen gemacht. Bey allen diesen Erklärungen wird angenommen, der Kohlenstoff zersetze die atmosphärifche Luft, verbinde sich mit ihrem Sauerstoff, und mache dagegen ihren Wärmestoff frey. Demzufolge wäre das Athemholen eine Art von schwacher Verbrennung des Carbone. Aber nach den Behauptungen der Antiphlogistiker soll der Carbone das Sauerstoffgas nicht eher, als bey der Glühhitze, zersetzen, und man sieht es ja auch, daß Kohlen ohne Glühen nicht verbrennen, und daß bey der Temperatur der Blutwärme, und noch weit darüber, Kohle und respirable Luft einander nicht zersetzen. Wenn nun dieses nach Herrn Lovoisier eignen Behauptungen nicht der Fall ist, so kann auch der Kohlenstoff des Bluts und des Lungenschleims bey der bloßen Wärme des thierischen Körpers mit dem Oxygen der reinen Luft nicht Luftsäure erzeugen. Es geschieht dieses ja nur bey der Entzündung, die doch wohl in der Respiration schwerlich anzutreffen seyn möchte. Eben diese Bewandniß hat es mit


ſtieg jedesmal um 1 1/4 Zoll, woraus nach den Dimenſionen des Gefaͤßes folgte, daß bey jedem Einathmen 46,76 Cubikzoll Luft in die Bruſthoͤle des Mannes traten. Faſt eben dieſes Reſultat gab bey dieſem Manne der Verſuch mit der Blaſe. Bey einem kleinern Menſchen, deſſen Hoͤhe nur 5 Fuß 1 Zoll betrug, ſchlug der Puls in einer Minute 72mal, die Zahl der Inſpirationen war 18, und das Waſſer ſtieg und ſank 0,95 Zoll. Hieraus folgte der Luftraum, den dieſer Mann bey jeder Inſpiration einzog, = 40,78 Cubikzoll. Der Verſuch mit der Blaſe gab ebendaſſelbe Reſultat. Das Mittel zwiſchen beyden Verſuchen giebt fuͤr die Luftmenge, welche bey jeder Inſpiration in die Lunge tritt, 43,77 Cubikzoll.

Herr Menzies betrachtet die Lungen ſelbſt als den Heerd der thieriſchen Waͤrme, welche von der Zerſetzung der Luft in ihnen herruͤhre, und in directem Verhaͤltniſſe der Quantitaͤt der zerſetzten Lebensluft und der gebildeten Luftſaͤure ſey.

Herr Gren hat in ſeinem Journal der Phyſik die angefuͤhrten Abhandlungen der Herren Girtanner und Menzies mit Anmerkungen begleitet, und darinn gegen die antiphlogiſtiſchen Erklaͤrungen des Athemholens einige Einwendungen gemacht. Bey allen dieſen Erklaͤrungen wird angenommen, der Kohlenſtoff zerſetze die atmoſphaͤrifche Luft, verbinde ſich mit ihrem Sauerſtoff, und mache dagegen ihren Waͤrmeſtoff frey. Demzufolge waͤre das Athemholen eine Art von ſchwacher Verbrennung des Carbone. Aber nach den Behauptungen der Antiphlogiſtiker ſoll der Carbone das Sauerſtoffgas nicht eher, als bey der Gluͤhhitze, zerſetzen, und man ſieht es ja auch, daß Kohlen ohne Gluͤhen nicht verbrennen, und daß bey der Temperatur der Blutwaͤrme, und noch weit daruͤber, Kohle und reſpirable Luft einander nicht zerſetzen. Wenn nun dieſes nach Herrn Lovoiſier eignen Behauptungen nicht der Fall iſt, ſo kann auch der Kohlenſtoff des Bluts und des Lungenſchleims bey der bloßen Waͤrme des thieriſchen Koͤrpers mit dem Oxygen der reinen Luft nicht Luftſaͤure erzeugen. Es geſchieht dieſes ja nur bey der Entzuͤndung, die doch wohl in der Reſpiration ſchwerlich anzutreffen ſeyn moͤchte. Eben dieſe Bewandniß hat es mit

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[69/0081] ſtieg jedesmal um 1 1/4 Zoll, woraus nach den Dimenſionen des Gefaͤßes folgte, daß bey jedem Einathmen 46,76 Cubikzoll Luft in die Bruſthoͤle des Mannes traten. Faſt eben dieſes Reſultat gab bey dieſem Manne der Verſuch mit der Blaſe. Bey einem kleinern Menſchen, deſſen Hoͤhe nur 5 Fuß 1 Zoll betrug, ſchlug der Puls in einer Minute 72mal, die Zahl der Inſpirationen war 18, und das Waſſer ſtieg und ſank 0,95 Zoll. Hieraus folgte der Luftraum, den dieſer Mann bey jeder Inſpiration einzog, = 40,78 Cubikzoll. Der Verſuch mit der Blaſe gab ebendaſſelbe Reſultat. Das Mittel zwiſchen beyden Verſuchen giebt fuͤr die Luftmenge, welche bey jeder Inſpiration in die Lunge tritt, 43,77 Cubikzoll. Herr Menzies betrachtet die Lungen ſelbſt als den Heerd der thieriſchen Waͤrme, welche von der Zerſetzung der Luft in ihnen herruͤhre, und in directem Verhaͤltniſſe der Quantitaͤt der zerſetzten Lebensluft und der gebildeten Luftſaͤure ſey. Herr Gren hat in ſeinem Journal der Phyſik die angefuͤhrten Abhandlungen der Herren Girtanner und Menzies mit Anmerkungen begleitet, und darinn gegen die antiphlogiſtiſchen Erklaͤrungen des Athemholens einige Einwendungen gemacht. Bey allen dieſen Erklaͤrungen wird angenommen, der Kohlenſtoff zerſetze die atmoſphaͤrifche Luft, verbinde ſich mit ihrem Sauerſtoff, und mache dagegen ihren Waͤrmeſtoff frey. Demzufolge waͤre das Athemholen eine Art von ſchwacher Verbrennung des Carbone. Aber nach den Behauptungen der Antiphlogiſtiker ſoll der Carbone das Sauerſtoffgas nicht eher, als bey der Gluͤhhitze, zerſetzen, und man ſieht es ja auch, daß Kohlen ohne Gluͤhen nicht verbrennen, und daß bey der Temperatur der Blutwaͤrme, und noch weit daruͤber, Kohle und reſpirable Luft einander nicht zerſetzen. Wenn nun dieſes nach Herrn Lovoiſier eignen Behauptungen nicht der Fall iſt, ſo kann auch der Kohlenſtoff des Bluts und des Lungenſchleims bey der bloßen Waͤrme des thieriſchen Koͤrpers mit dem Oxygen der reinen Luft nicht Luftſaͤure erzeugen. Es geſchieht dieſes ja nur bey der Entzuͤndung, die doch wohl in der Reſpiration ſchwerlich anzutreffen ſeyn moͤchte. Eben dieſe Bewandniß hat es mit

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/81>, abgerufen am 04.05.2024.