Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


dem Wasser, welches beym Athemholen entstehen soll. Man erfordert zur Wassererzeugung aus Hydrogen und Oxygen die Entzündung, und nicht blos die Temperatur des thierischen Körpers. Freylich können die Antiphlogistiker hierauf antworten, die Entzündungstemperatur sey nur bey den gewöhnlichen Versuchen nöthig, wo die Stoffe als feste Körper oder in Luftgestalt mit einander verbunden werden: dahingegen der Kohlenstoff und Wasserstoff des Bluts in eine ganz andern Form, als die Kohle und die brennbare Luft bey den gewöhnlichen Versuchen, erscheinen, und daher vielleicht in weit niedrigern Temperaturen das Oxygen schon anziehen können.

Ferner läugnet Herr Gren, daß die Respiration die Quelle der thierischen Wärme sey, und sieht vielmehr die Lungen als das hauptsächlichste Werkzeug zur Ausscheidung der freyen Wärme aus dem Blute, und folglich zur Abkühlung des Körpers, an. Alle die Thatsachen, wodurch man beweisen will, das Athmen sey die Quelle der thierischen Wärme (s. den Art. Athmen, Th. I. S. 152.), sind nicht zwingende Demonstrationen, sondern dieser Meinung nur angepaßt. Man kan eben so gut umgekehrt behaupten, je größer die Wärme des Körpers sey, desto mehr müsse die Lunge arbeiten, um das Blut abzukühlen. Man kan sagen, die Vögel haben große Lungen, weil ihr Körper mit einem schiechten Leiter der Wärme, den Federn, umgeben ist, und die Abführung der überflüßigen Wärme fast ganz allein durch ihre Lungen geschehen muß. Die Hunde athmen schnell und heftig, wenn sie erhitzt sind, oder in heißer Luft leben. Man kan sagen, sie finden in dem häufigen und schnellen Athmen ihre Abkühlung. Was würde daraus entstehen, wenn sie dadurch verhältnißmäßig ihrem Körper noch mehr Hitze zuführten? Und so können alle diese Thatsachen, die man für den Ursprung der Wärme aus dem Athmen anführt, eben sowohl als Beweise der Abkühlung des Bluts durch die Respiration ausgelegt werden.

Durch das Athmen werden nach Herrn Gren vielmehr Feuchtigkeit und Stoff der Luftsäure (Kohlenstoff) aus dem Körper geführt. Von diesem letztern nimmt Hr. G. an, er


dem Waſſer, welches beym Athemholen entſtehen ſoll. Man erfordert zur Waſſererzeugung aus Hydrogen und Oxygen die Entzuͤndung, und nicht blos die Temperatur des thieriſchen Koͤrpers. Freylich koͤnnen die Antiphlogiſtiker hierauf antworten, die Entzuͤndungstemperatur ſey nur bey den gewoͤhnlichen Verſuchen noͤthig, wo die Stoffe als feſte Koͤrper oder in Luftgeſtalt mit einander verbunden werden: dahingegen der Kohlenſtoff und Waſſerſtoff des Bluts in eine ganz andern Form, als die Kohle und die brennbare Luft bey den gewoͤhnlichen Verſuchen, erſcheinen, und daher vielleicht in weit niedrigern Temperaturen das Oxygen ſchon anziehen koͤnnen.

Ferner laͤugnet Herr Gren, daß die Reſpiration die Quelle der thieriſchen Waͤrme ſey, und ſieht vielmehr die Lungen als das hauptſaͤchlichſte Werkzeug zur Ausſcheidung der freyen Waͤrme aus dem Blute, und folglich zur Abkuͤhlung des Koͤrpers, an. Alle die Thatſachen, wodurch man beweiſen will, das Athmen ſey die Quelle der thieriſchen Waͤrme (ſ. den Art. Athmen, Th. I. S. 152.), ſind nicht zwingende Demonſtrationen, ſondern dieſer Meinung nur angepaßt. Man kan eben ſo gut umgekehrt behaupten, je groͤßer die Waͤrme des Koͤrpers ſey, deſto mehr muͤſſe die Lunge arbeiten, um das Blut abzukuͤhlen. Man kan ſagen, die Voͤgel haben große Lungen, weil ihr Koͤrper mit einem ſchiechten Leiter der Waͤrme, den Federn, umgeben iſt, und die Abfuͤhrung der uͤberfluͤßigen Waͤrme faſt ganz allein durch ihre Lungen geſchehen muß. Die Hunde athmen ſchnell und heftig, wenn ſie erhitzt ſind, oder in heißer Luft leben. Man kan ſagen, ſie finden in dem haͤufigen und ſchnellen Athmen ihre Abkuͤhlung. Was wuͤrde daraus entſtehen, wenn ſie dadurch verhaͤltnißmaͤßig ihrem Koͤrper noch mehr Hitze zufuͤhrten? Und ſo koͤnnen alle dieſe Thatſachen, die man fuͤr den Urſprung der Waͤrme aus dem Athmen anfuͤhrt, eben ſowohl als Beweiſe der Abkuͤhlung des Bluts durch die Reſpiration ausgelegt werden.

Durch das Athmen werden nach Herrn Gren vielmehr Feuchtigkeit und Stoff der Luftſaͤure (Kohlenſtoff) aus dem Koͤrper gefuͤhrt. Von dieſem letztern nimmt Hr. G. an, er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f0082" xml:id="P.5.70" n="70"/><lb/>
dem Wa&#x017F;&#x017F;er, welches beym Athemholen ent&#x017F;tehen &#x017F;oll. Man erfordert zur Wa&#x017F;&#x017F;ererzeugung aus Hydrogen und Oxygen die Entzu&#x0364;ndung, und nicht blos die Temperatur des thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers. Freylich ko&#x0364;nnen die Antiphlogi&#x017F;tiker hierauf antworten, die Entzu&#x0364;ndungstemperatur &#x017F;ey nur bey den gewo&#x0364;hnlichen Ver&#x017F;uchen no&#x0364;thig, wo die Stoffe als fe&#x017F;te Ko&#x0364;rper oder in Luftge&#x017F;talt mit einander verbunden werden: dahingegen der Kohlen&#x017F;toff und Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff des Bluts in eine ganz andern Form, als die Kohle und die brennbare Luft bey den gewo&#x0364;hnlichen Ver&#x017F;uchen, er&#x017F;cheinen, und daher vielleicht in weit niedrigern Temperaturen das Oxygen &#x017F;chon anziehen ko&#x0364;nnen.</p>
              <p>Ferner la&#x0364;ugnet Herr <hi rendition="#b">Gren,</hi> daß die Re&#x017F;piration die Quelle der thieri&#x017F;chen Wa&#x0364;rme &#x017F;ey, und &#x017F;ieht vielmehr die Lungen als das haupt&#x017F;a&#x0364;chlich&#x017F;te Werkzeug zur Aus&#x017F;cheidung der freyen Wa&#x0364;rme aus dem Blute, und folglich zur Abku&#x0364;hlung des Ko&#x0364;rpers, an. Alle die That&#x017F;achen, wodurch man bewei&#x017F;en will, das Athmen &#x017F;ey die Quelle der thieri&#x017F;chen Wa&#x0364;rme (&#x017F;. den Art. <hi rendition="#b">Athmen,</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 152.), &#x017F;ind nicht zwingende Demon&#x017F;trationen, &#x017F;ondern die&#x017F;er Meinung nur angepaßt. Man kan eben &#x017F;o gut umgekehrt behaupten, je gro&#x0364;ßer die Wa&#x0364;rme des Ko&#x0364;rpers &#x017F;ey, de&#x017F;to mehr mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e die Lunge arbeiten, um das Blut abzuku&#x0364;hlen. Man kan &#x017F;agen, die Vo&#x0364;gel haben große Lungen, weil ihr Ko&#x0364;rper mit einem &#x017F;chiechten Leiter der Wa&#x0364;rme, den Federn, umgeben i&#x017F;t, und die Abfu&#x0364;hrung der u&#x0364;berflu&#x0364;ßigen Wa&#x0364;rme fa&#x017F;t ganz allein durch ihre Lungen ge&#x017F;chehen muß. Die Hunde athmen &#x017F;chnell und heftig, wenn &#x017F;ie erhitzt &#x017F;ind, oder in heißer Luft leben. Man kan &#x017F;agen, &#x017F;ie finden in dem ha&#x0364;ufigen und &#x017F;chnellen Athmen ihre Abku&#x0364;hlung. Was wu&#x0364;rde daraus ent&#x017F;tehen, wenn &#x017F;ie dadurch verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig ihrem Ko&#x0364;rper noch mehr Hitze zufu&#x0364;hrten? Und &#x017F;o ko&#x0364;nnen alle die&#x017F;e That&#x017F;achen, die man fu&#x0364;r den Ur&#x017F;prung der Wa&#x0364;rme aus dem Athmen anfu&#x0364;hrt, eben &#x017F;owohl als Bewei&#x017F;e der Abku&#x0364;hlung des Bluts durch die Re&#x017F;piration ausgelegt werden.</p>
              <p>Durch das Athmen werden nach Herrn <hi rendition="#b">Gren</hi> vielmehr Feuchtigkeit und Stoff der Luft&#x017F;a&#x0364;ure (Kohlen&#x017F;toff) aus dem Ko&#x0364;rper gefu&#x0364;hrt. Von die&#x017F;em letztern nimmt Hr. G. an, er<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0082] dem Waſſer, welches beym Athemholen entſtehen ſoll. Man erfordert zur Waſſererzeugung aus Hydrogen und Oxygen die Entzuͤndung, und nicht blos die Temperatur des thieriſchen Koͤrpers. Freylich koͤnnen die Antiphlogiſtiker hierauf antworten, die Entzuͤndungstemperatur ſey nur bey den gewoͤhnlichen Verſuchen noͤthig, wo die Stoffe als feſte Koͤrper oder in Luftgeſtalt mit einander verbunden werden: dahingegen der Kohlenſtoff und Waſſerſtoff des Bluts in eine ganz andern Form, als die Kohle und die brennbare Luft bey den gewoͤhnlichen Verſuchen, erſcheinen, und daher vielleicht in weit niedrigern Temperaturen das Oxygen ſchon anziehen koͤnnen. Ferner laͤugnet Herr Gren, daß die Reſpiration die Quelle der thieriſchen Waͤrme ſey, und ſieht vielmehr die Lungen als das hauptſaͤchlichſte Werkzeug zur Ausſcheidung der freyen Waͤrme aus dem Blute, und folglich zur Abkuͤhlung des Koͤrpers, an. Alle die Thatſachen, wodurch man beweiſen will, das Athmen ſey die Quelle der thieriſchen Waͤrme (ſ. den Art. Athmen, Th. I. S. 152.), ſind nicht zwingende Demonſtrationen, ſondern dieſer Meinung nur angepaßt. Man kan eben ſo gut umgekehrt behaupten, je groͤßer die Waͤrme des Koͤrpers ſey, deſto mehr muͤſſe die Lunge arbeiten, um das Blut abzukuͤhlen. Man kan ſagen, die Voͤgel haben große Lungen, weil ihr Koͤrper mit einem ſchiechten Leiter der Waͤrme, den Federn, umgeben iſt, und die Abfuͤhrung der uͤberfluͤßigen Waͤrme faſt ganz allein durch ihre Lungen geſchehen muß. Die Hunde athmen ſchnell und heftig, wenn ſie erhitzt ſind, oder in heißer Luft leben. Man kan ſagen, ſie finden in dem haͤufigen und ſchnellen Athmen ihre Abkuͤhlung. Was wuͤrde daraus entſtehen, wenn ſie dadurch verhaͤltnißmaͤßig ihrem Koͤrper noch mehr Hitze zufuͤhrten? Und ſo koͤnnen alle dieſe Thatſachen, die man fuͤr den Urſprung der Waͤrme aus dem Athmen anfuͤhrt, eben ſowohl als Beweiſe der Abkuͤhlung des Bluts durch die Reſpiration ausgelegt werden. Durch das Athmen werden nach Herrn Gren vielmehr Feuchtigkeit und Stoff der Luftſaͤure (Kohlenſtoff) aus dem Koͤrper gefuͤhrt. Von dieſem letztern nimmt Hr. G. an, er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/82
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/82>, abgerufen am 24.11.2024.