wird, so kan man sich nicht enthalten, dem Gedanken Raum zu geben, die Menge Wasser, welche im Regen herabfällt, müsse vorher in der Atmosphäre größtentheils in einem solchen Zustande befindlich seyn, in welchem sie sich der Bemerkung durchs Hygrometer gänzlich entziehet, und selbst bey kalten Temperaturen nicht so niedergeschlagen wird, daß sie naß machte, oder auf hygroskopische Substanzen wirkte. Was ist nun dieses für ein Zustand? Der Zustand einer Auflösung in Luft kan es nicht seyn, weil sonst die Luft, ehe ein Niederschlag erfolgte, oder Regen entstünde, mit Wasser gesättigt seyn, und der Niederschlag am Hygrometer bemerkt werden müßte; der Zustand eines bloßen Dampfs kan es auch nicht seyn, weil dieser so, wie die Temperatur sinkt, seine Gegenwart augenblicklich verräth. Es bleibt also kaum etwas anders übrig, als einen Uebergang des Wassers in die Luftgestalt anzunehmen, und den Regen umgekehrt aus einer Zersetzung der Luft selbst zu erklären.
Freylich kan man die Frage, wodurch diese Bildung und Zersetzung der Luft entstehe, noch nicht hinlänglich beantworten. Wahrscheinlich aber muß dieses durch chemische Wahlanziehung anderer Materien geschehen. Vielleicht ist Luft nichts anders, als Wasser im Feuer aufgelöst, dem ein Drittes die Permanenz giebt. Vielleicht ist dieses Dritte das elektrische Fluidum, s. den Zusatz des Art. Gas, atmosphärisches. In der Hypothese von zwoen elektrischen Materien (welche jedoch Herr de Luc nicht annimmt) ließe sich die Zersetzung der Luft so erklären, daß, wenn z. B. die in der Luft gebundene Elektricität die negative wäre, diese durch die Anziehung der positiven abgeschieden und in den Erdboden geleitet würde. Auch die Zersetzung der Wolken wird leicht begreiflich, wenn man annimmt, daß in ihren Bläschen elektrisches Fluidum gefunden werde. Denn wenn dieses durch die Anziehung beyder verschiedenen Elektricitäten herausgelockt wird, so muß sich das Wasser der Bläschen zusammenziehen und in Tropfen herabfallen.
Diese Verbindung des Regens mit der Elektricität wird auch durch die Gewitterschauer, Strichregen und Platzregen bestätiget, welche fast immer, und besonders wenn sie mit
wird, ſo kan man ſich nicht enthalten, dem Gedanken Raum zu geben, die Menge Waſſer, welche im Regen herabfaͤllt, muͤſſe vorher in der Atmoſphaͤre groͤßtentheils in einem ſolchen Zuſtande befindlich ſeyn, in welchem ſie ſich der Bemerkung durchs Hygrometer gaͤnzlich entziehet, und ſelbſt bey kalten Temperaturen nicht ſo niedergeſchlagen wird, daß ſie naß machte, oder auf hygroſkopiſche Subſtanzen wirkte. Was iſt nun dieſes fuͤr ein Zuſtand? Der Zuſtand einer Aufloͤſung in Luft kan es nicht ſeyn, weil ſonſt die Luft, ehe ein Niederſchlag erfolgte, oder Regen entſtuͤnde, mit Waſſer geſaͤttigt ſeyn, und der Niederſchlag am Hygrometer bemerkt werden muͤßte; der Zuſtand eines bloßen Dampfs kan es auch nicht ſeyn, weil dieſer ſo, wie die Temperatur ſinkt, ſeine Gegenwart augenblicklich verraͤth. Es bleibt alſo kaum etwas anders uͤbrig, als einen Uebergang des Waſſers in die Luftgeſtalt anzunehmen, und den Regen umgekehrt aus einer Zerſetzung der Luft ſelbſt zu erklaͤren.
Freylich kan man die Frage, wodurch dieſe Bildung und Zerſetzung der Luft entſtehe, noch nicht hinlaͤnglich beantworten. Wahrſcheinlich aber muß dieſes durch chemiſche Wahlanziehung anderer Materien geſchehen. Vielleicht iſt Luft nichts anders, als Waſſer im Feuer aufgeloͤſt, dem ein Drittes die Permanenz giebt. Vielleicht iſt dieſes Dritte das elektriſche Fluidum, ſ. den Zuſatz des Art. Gas, atmoſphaͤriſches. In der Hypotheſe von zwoen elektriſchen Materien (welche jedoch Herr de Luc nicht annimmt) ließe ſich die Zerſetzung der Luft ſo erklaͤren, daß, wenn z. B. die in der Luft gebundene Elektricitaͤt die negative waͤre, dieſe durch die Anziehung der poſitiven abgeſchieden und in den Erdboden geleitet wuͤrde. Auch die Zerſetzung der Wolken wird leicht begreiflich, wenn man annimmt, daß in ihren Blaͤschen elektriſches Fluidum gefunden werde. Denn wenn dieſes durch die Anziehung beyder verſchiedenen Elektricitaͤten herausgelockt wird, ſo muß ſich das Waſſer der Blaͤschen zuſammenziehen und in Tropfen herabfallen.
Dieſe Verbindung des Regens mit der Elektricitaͤt wird auch durch die Gewitterſchauer, Strichregen und Platzregen beſtaͤtiget, welche faſt immer, und beſonders wenn ſie mit
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wird, ſo kan man ſich nicht enthalten, dem Gedanken Raum zu geben, die Menge Waſſer, welche im Regen herabfaͤllt, muͤſſe vorher in der Atmoſphaͤre groͤßtentheils in einem ſolchen Zuſtande befindlich ſeyn, in welchem ſie ſich der Bemerkung durchs Hygrometer gaͤnzlich entziehet, und ſelbſt bey kalten Temperaturen nicht ſo niedergeſchlagen wird, daß ſie naß machte, oder auf hygroſkopiſche Subſtanzen wirkte. Was iſt nun dieſes fuͤr ein Zuſtand? Der Zuſtand einer Aufloͤſung in Luft kan es nicht ſeyn, weil ſonſt die Luft, ehe ein Niederſchlag erfolgte, oder Regen entſtuͤnde, mit Waſſer geſaͤttigt ſeyn, und der Niederſchlag am Hygrometer bemerkt werden muͤßte; der Zuſtand eines bloßen Dampfs kan es auch nicht ſeyn, weil dieſer ſo, wie die Temperatur ſinkt, ſeine Gegenwart augenblicklich verraͤth. Es bleibt alſo kaum etwas anders uͤbrig, als einen Uebergang des Waſſers in die Luftgeſtalt anzunehmen, und den Regen umgekehrt aus einer Zerſetzung der Luft ſelbſt zu erklaͤren.</p><p>Freylich kan man die Frage, wodurch dieſe Bildung und Zerſetzung der Luft entſtehe, noch nicht hinlaͤnglich beantworten. Wahrſcheinlich aber muß dieſes durch chemiſche Wahlanziehung anderer Materien geſchehen. Vielleicht iſt Luft nichts anders, als Waſſer im Feuer aufgeloͤſt, dem ein Drittes die Permanenz giebt. Vielleicht iſt dieſes Dritte das elektriſche Fluidum, ſ. den Zuſatz des Art. <hirendition="#b">Gas, atmoſphaͤriſches.</hi> In der Hypotheſe von zwoen elektriſchen Materien (welche jedoch Herr <hirendition="#b">de Luc</hi> nicht annimmt) ließe ſich die Zerſetzung der Luft ſo erklaͤren, daß, wenn z. B. die in der Luft gebundene Elektricitaͤt die negative waͤre, dieſe durch die Anziehung der poſitiven abgeſchieden und in den Erdboden geleitet wuͤrde. Auch die Zerſetzung der Wolken wird leicht begreiflich, wenn man annimmt, daß in ihren Blaͤschen elektriſches Fluidum gefunden werde. Denn wenn dieſes durch die Anziehung beyder verſchiedenen Elektricitaͤten herausgelockt wird, ſo muß ſich das Waſſer der Blaͤschen zuſammenziehen und in Tropfen herabfallen.</p><p>Dieſe Verbindung des Regens mit der Elektricitaͤt wird auch durch die Gewitterſchauer, Strichregen und Platzregen beſtaͤtiget, welche faſt immer, und beſonders wenn ſie mit<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
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wird, ſo kan man ſich nicht enthalten, dem Gedanken Raum zu geben, die Menge Waſſer, welche im Regen herabfaͤllt, muͤſſe vorher in der Atmoſphaͤre groͤßtentheils in einem ſolchen Zuſtande befindlich ſeyn, in welchem ſie ſich der Bemerkung durchs Hygrometer gaͤnzlich entziehet, und ſelbſt bey kalten Temperaturen nicht ſo niedergeſchlagen wird, daß ſie naß machte, oder auf hygroſkopiſche Subſtanzen wirkte. Was iſt nun dieſes fuͤr ein Zuſtand? Der Zuſtand einer Aufloͤſung in Luft kan es nicht ſeyn, weil ſonſt die Luft, ehe ein Niederſchlag erfolgte, oder Regen entſtuͤnde, mit Waſſer geſaͤttigt ſeyn, und der Niederſchlag am Hygrometer bemerkt werden muͤßte; der Zuſtand eines bloßen Dampfs kan es auch nicht ſeyn, weil dieſer ſo, wie die Temperatur ſinkt, ſeine Gegenwart augenblicklich verraͤth. Es bleibt alſo kaum etwas anders uͤbrig, als einen Uebergang des Waſſers in die Luftgeſtalt anzunehmen, und den Regen umgekehrt aus einer Zerſetzung der Luft ſelbſt zu erklaͤren.
Freylich kan man die Frage, wodurch dieſe Bildung und Zerſetzung der Luft entſtehe, noch nicht hinlaͤnglich beantworten. Wahrſcheinlich aber muß dieſes durch chemiſche Wahlanziehung anderer Materien geſchehen. Vielleicht iſt Luft nichts anders, als Waſſer im Feuer aufgeloͤſt, dem ein Drittes die Permanenz giebt. Vielleicht iſt dieſes Dritte das elektriſche Fluidum, ſ. den Zuſatz des Art. Gas, atmoſphaͤriſches. In der Hypotheſe von zwoen elektriſchen Materien (welche jedoch Herr de Luc nicht annimmt) ließe ſich die Zerſetzung der Luft ſo erklaͤren, daß, wenn z. B. die in der Luft gebundene Elektricitaͤt die negative waͤre, dieſe durch die Anziehung der poſitiven abgeſchieden und in den Erdboden geleitet wuͤrde. Auch die Zerſetzung der Wolken wird leicht begreiflich, wenn man annimmt, daß in ihren Blaͤschen elektriſches Fluidum gefunden werde. Denn wenn dieſes durch die Anziehung beyder verſchiedenen Elektricitaͤten herausgelockt wird, ſo muß ſich das Waſſer der Blaͤschen zuſammenziehen und in Tropfen herabfallen.
Dieſe Verbindung des Regens mit der Elektricitaͤt wird auch durch die Gewitterſchauer, Strichregen und Platzregen beſtaͤtiget, welche faſt immer, und beſonders wenn ſie mit
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/761>, abgerufen am 24.11.2024.
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