sowohl auf Läugnung des Brennstoffs, Annahme der Wasserzerlegung, u. dgl. einzelne Sätze, als vielmehr auf eine ganz neue und umgekehrte Anordnung in Zusammensetzung und Zerlegung der Stoffe an, nach welcher die zusammengesetzten Körper des alten Systems hier als einfach, und mehrere sonst einfach angenommene hier als zusammengesetzt betrachtet werden. Dadurch wird das Zerlegung, was man sich sonst als Zusammensetzung dachte; und umgekehrt findet man da Vermehrung oder Hinzukommen eines neuen Stoffs, wo im alten System die Idee von Verminderung oder Entfernung eines Bestandtheils herrschte. Diese Vertauschung der Vorstellungsart hebt nun auf einmal eine Menge Schwierigkeiten. Das alte System hielt Verbrennung und Verkalkung für Verlust des Phlogistons, und dennoch sahe man bey diesem Verluste den Rückstand am Gewichte zunehmen. Dies zu erklären, ersann man allerley; im Grunde mußte sich doch Jeder selbst gestehen, daß es nichts, als Künsteley und Flickwerk, war. Der Antiphlogistiker denkt sich beym Verbrennen und Verkalken ein Hinzukommen des Sauerstoffs; hier ist die Gewichtszunahme natürlich, und es wird durch Rechnung belegt, daß sie genau so viel betrage, als der hinzugekommene Sauerstoff selbst wog. Noch mehr, der Rückstand ist wirklich sauer. Ferner geschah nach dem alten System die Phlogistisirung der Luft durch Hinzukommen des Phlogistons; dennoch sahe man die Luft dabey an Gewicht und Volumen zugleich abnehmen. Wie viel natürlicher ist nicht die Vorstellung der neuern Chemie, die das ganze Phänomen als Zersetzung des Sauerstoffgas, und Entziehung des Oxygens betrachtet, wobey der unzersetzte Theil, das Stickgas, nicht erst erzeugt wird, sondern blos ausgeschieden zurückbleibt; der Wärmestoff, der hiebey frey wird, erklärt ganz ungesucht die Erhitzung, die solche Processe begleitet. Eben so ist es mit mehrern, ja, ich sage nicht zu viel, mit den meisten Erklärungen.
Damit will ich jedoch keinesweges behaupten, daß diese bequemen Vorstellungen, diese leichten Erklärungen in der That die wahren sind, und den wirklichen Gang der Natur ausdrücken. Das ganze Gebäude ist und bleibt vielmehr hypothetisch,
ſowohl auf Laͤugnung des Brennſtoffs, Annahme der Waſſerzerlegung, u. dgl. einzelne Saͤtze, als vielmehr auf eine ganz neue und umgekehrte Anordnung in Zuſammenſetzung und Zerlegung der Stoffe an, nach welcher die zuſammengeſetzten Koͤrper des alten Syſtems hier als einfach, und mehrere ſonſt einfach angenommene hier als zuſammengeſetzt betrachtet werden. Dadurch wird das Zerlegung, was man ſich ſonſt als Zuſammenſetzung dachte; und umgekehrt findet man da Vermehrung oder Hinzukommen eines neuen Stoffs, wo im alten Syſtem die Idee von Verminderung oder Entfernung eines Beſtandtheils herrſchte. Dieſe Vertauſchung der Vorſtellungsart hebt nun auf einmal eine Menge Schwierigkeiten. Das alte Syſtem hielt Verbrennung und Verkalkung fuͤr Verluſt des Phlogiſtons, und dennoch ſahe man bey dieſem Verluſte den Ruͤckſtand am Gewichte zunehmen. Dies zu erklaͤren, erſann man allerley; im Grunde mußte ſich doch Jeder ſelbſt geſtehen, daß es nichts, als Kuͤnſteley und Flickwerk, war. Der Antiphlogiſtiker denkt ſich beym Verbrennen und Verkalken ein Hinzukommen des Sauerſtoffs; hier iſt die Gewichtszunahme natuͤrlich, und es wird durch Rechnung belegt, daß ſie genau ſo viel betrage, als der hinzugekommene Sauerſtoff ſelbſt wog. Noch mehr, der Ruͤckſtand iſt wirklich ſauer. Ferner geſchah nach dem alten Syſtem die Phlogiſtiſirung der Luft durch Hinzukommen des Phlogiſtons; dennoch ſahe man die Luft dabey an Gewicht und Volumen zugleich abnehmen. Wie viel natuͤrlicher iſt nicht die Vorſtellung der neuern Chemie, die das ganze Phaͤnomen als Zerſetzung des Sauerſtoffgas, und Entziehung des Oxygens betrachtet, wobey der unzerſetzte Theil, das Stickgas, nicht erſt erzeugt wird, ſondern blos ausgeſchieden zuruͤckbleibt; der Waͤrmeſtoff, der hiebey frey wird, erklaͤrt ganz ungeſucht die Erhitzung, die ſolche Proceſſe begleitet. Eben ſo iſt es mit mehrern, ja, ich ſage nicht zu viel, mit den meiſten Erklaͤrungen.
Damit will ich jedoch keinesweges behaupten, daß dieſe bequemen Vorſtellungen, dieſe leichten Erklaͤrungen in der That die wahren ſind, und den wirklichen Gang der Natur ausdruͤcken. Das ganze Gebaͤude iſt und bleibt vielmehr hypothetiſch,
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ſowohl auf Laͤugnung des Brennſtoffs, Annahme der Waſſerzerlegung, u. dgl. einzelne Saͤtze, als vielmehr auf eine ganz neue und umgekehrte Anordnung in Zuſammenſetzung und Zerlegung der Stoffe an, nach welcher die zuſammengeſetzten Koͤrper des alten Syſtems hier als einfach, und mehrere ſonſt einfach angenommene hier als zuſammengeſetzt betrachtet werden. Dadurch wird das Zerlegung, was man ſich ſonſt als Zuſammenſetzung dachte; und umgekehrt findet man da Vermehrung oder Hinzukommen eines neuen Stoffs, wo im alten Syſtem die Idee von Verminderung oder Entfernung eines Beſtandtheils herrſchte. Dieſe Vertauſchung der Vorſtellungsart hebt nun auf einmal eine Menge Schwierigkeiten. Das alte Syſtem hielt Verbrennung und Verkalkung fuͤr Verluſt des Phlogiſtons, und dennoch ſahe man bey dieſem Verluſte den Ruͤckſtand am Gewichte zunehmen. Dies zu erklaͤren, erſann man allerley; im Grunde mußte ſich doch Jeder ſelbſt geſtehen, daß es nichts, als Kuͤnſteley und Flickwerk, war. Der Antiphlogiſtiker denkt ſich beym Verbrennen und Verkalken ein Hinzukommen des Sauerſtoffs; hier iſt die Gewichtszunahme natuͤrlich, und es wird durch Rechnung belegt, daß ſie genau ſo viel betrage, als der hinzugekommene Sauerſtoff ſelbſt wog. Noch mehr, der Ruͤckſtand iſt wirklich ſauer. Ferner geſchah nach dem alten Syſtem die Phlogiſtiſirung der Luft durch Hinzukommen des Phlogiſtons; dennoch ſahe man die Luft dabey an Gewicht und Volumen zugleich abnehmen. Wie viel natuͤrlicher iſt nicht die Vorſtellung der neuern Chemie, die das ganze Phaͤnomen als Zerſetzung des Sauerſtoffgas, und Entziehung des Oxygens betrachtet, wobey der unzerſetzte Theil, das Stickgas, nicht erſt erzeugt wird, ſondern blos ausgeſchieden zuruͤckbleibt; der Waͤrmeſtoff, der hiebey frey wird, erklaͤrt ganz ungeſucht die Erhitzung, die ſolche Proceſſe begleitet. Eben ſo iſt es mit mehrern, ja, ich ſage nicht zu viel, mit den meiſten Erklaͤrungen.
Damit will ich jedoch keinesweges behaupten, daß dieſe bequemen Vorſtellungen, dieſe leichten Erklaͤrungen in der That die wahren ſind, und den wirklichen Gang der Natur ausdruͤcken. Das ganze Gebaͤude iſt und bleibt vielmehr hypothetiſch,
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/48>, abgerufen am 21.11.2024.
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