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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Die durch den Sauerstoff in Säuren und Halbsäuren verwandelten Körper haben einen großen Hang, sich mit andern Körpern, vorzüglich mit Laugensalzen, Erden und Metallen zu verbinden. Aus diesen Verbindungen entstehen die Mittelsalze. Die Säuren sind, eigentlich zu reden, nicht Salze, sondern salzmachende Substanzen, und die Körper, mit denen sie sich verbinden, werden als die Grundlagen der Mittelsalze angesehen. Aus 48 Säuren und 27 Grundlagen (nemlich 3 Laugensalzen, 6 Erden und 18 Metallen), die wir kennen, lassen sich 1296 Mittelsalze zusammensetzen. Eigne willkührliche Namen für jedes insbesondere, nach Art der alten Chemisten, würden das Gedächtniß überladen, und Verwirrung in die Wissenschaft bringen, woraus die Nothwendigkeit einer neuen regelmäßigen Nomenclatur erhellet.

Die Verbindungen der Säuren in ique (die mit Sauerstoff gesättigt sind) werden durch die Endung in ate, hingegen die von Säuren in eux (die nicht gesättigt sind) durch Endung in ite unterschieden. So wird der Name der Säure flectirt, und der Name der Grundlage beygefügt. Nach der alten Sprache z. B. gab die Vitriolsäure (acide sulfurique) mit dem Gewächslaugensalze (Potasse) den vitriolisirten Weinstein, welcher hier Sulfate de Potasse heißt. Die Weinsteinsäure (acide tartareux) mit eben dem Laugensalze gab den tartarisirten Weinstein; dieser heißt nun Tartrite de Potasse. So der gemeine Salpeter Nitrate de Potasse, der würflichte Nitrate de Soude, das Küchensalz Muriate de Soude, Glaubers Wundersalz, Sulfate de Soude, der Salmiak Muriate d'Ammoniaque u. s. w. Verbindungen einfacher nicht gesäuerter Stoffe, z. B. des Schwefels, Phosphors, der Kohle, mit andern Grundlagen, erhalten Namen in ure, Sulphure, Phosphure, Carbure (Sulphuretum, Phosphoretum, Carburas), z. B. Suifure de potasse, geschwefelte Potasche (Schwefelleber), Carbure de fer, gekohltes Eisen, u. s. w.

Schon dieser flüchtig entworfene Abriß wird zeigen, durch welche Hauptbegriffe sich diese neuere Chemie von der ältern vorzüglich unterscheidet. Die Hauptsache kömmt nicht


Die durch den Sauerſtoff in Saͤuren und Halbſaͤuren verwandelten Koͤrper haben einen großen Hang, ſich mit andern Koͤrpern, vorzuͤglich mit Laugenſalzen, Erden und Metallen zu verbinden. Aus dieſen Verbindungen entſtehen die Mittelſalze. Die Saͤuren ſind, eigentlich zu reden, nicht Salze, ſondern ſalzmachende Subſtanzen, und die Koͤrper, mit denen ſie ſich verbinden, werden als die Grundlagen der Mittelſalze angeſehen. Aus 48 Saͤuren und 27 Grundlagen (nemlich 3 Laugenſalzen, 6 Erden und 18 Metallen), die wir kennen, laſſen ſich 1296 Mittelſalze zuſammenſetzen. Eigne willkuͤhrliche Namen fuͤr jedes insbeſondere, nach Art der alten Chemiſten, wuͤrden das Gedaͤchtniß uͤberladen, und Verwirrung in die Wiſſenſchaft bringen, woraus die Nothwendigkeit einer neuen regelmaͤßigen Nomenclatur erhellet.

Die Verbindungen der Saͤuren in ique (die mit Sauerſtoff geſaͤttigt ſind) werden durch die Endung in ate, hingegen die von Saͤuren in eux (die nicht geſaͤttigt ſind) durch Endung in ite unterſchieden. So wird der Name der Saͤure flectirt, und der Name der Grundlage beygefuͤgt. Nach der alten Sprache z. B. gab die Vitriolſaͤure (acide ſulfurique) mit dem Gewaͤchslaugenſalze (Potaſſe) den vitrioliſirten Weinſtein, welcher hier Sulfate de Potaſſe heißt. Die Weinſteinſaͤure (acide tartareux) mit eben dem Laugenſalze gab den tartariſirten Weinſtein; dieſer heißt nun Tartrite de Potaſſe. So der gemeine Salpeter Nitrate de Potaſſe, der wuͤrflichte Nitrate de Soude, das Kuͤchenſalz Muriate de Soude, Glaubers Wunderſalz, Sulfate de Soude, der Salmiak Muriate d'Ammoniaque u. ſ. w. Verbindungen einfacher nicht geſaͤuerter Stoffe, z. B. des Schwefels, Phosphors, der Kohle, mit andern Grundlagen, erhalten Namen in ure, Sulphure, Phoſphure, Carbure (Sulphuretum, Phoſphoretum, Carburas), z. B. Suifure de potaſſe, geſchwefelte Potaſche (Schwefelleber), Carbure de fer, gekohltes Eiſen, u. ſ. w.

Schon dieſer fluͤchtig entworfene Abriß wird zeigen, durch welche Hauptbegriffe ſich dieſe neuere Chemie von der aͤltern vorzuͤglich unterſcheidet. Die Hauptſache koͤmmt nicht

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[35/0047] Die durch den Sauerſtoff in Saͤuren und Halbſaͤuren verwandelten Koͤrper haben einen großen Hang, ſich mit andern Koͤrpern, vorzuͤglich mit Laugenſalzen, Erden und Metallen zu verbinden. Aus dieſen Verbindungen entſtehen die Mittelſalze. Die Saͤuren ſind, eigentlich zu reden, nicht Salze, ſondern ſalzmachende Subſtanzen, und die Koͤrper, mit denen ſie ſich verbinden, werden als die Grundlagen der Mittelſalze angeſehen. Aus 48 Saͤuren und 27 Grundlagen (nemlich 3 Laugenſalzen, 6 Erden und 18 Metallen), die wir kennen, laſſen ſich 1296 Mittelſalze zuſammenſetzen. Eigne willkuͤhrliche Namen fuͤr jedes insbeſondere, nach Art der alten Chemiſten, wuͤrden das Gedaͤchtniß uͤberladen, und Verwirrung in die Wiſſenſchaft bringen, woraus die Nothwendigkeit einer neuen regelmaͤßigen Nomenclatur erhellet. Die Verbindungen der Saͤuren in ique (die mit Sauerſtoff geſaͤttigt ſind) werden durch die Endung in ate, hingegen die von Saͤuren in eux (die nicht geſaͤttigt ſind) durch Endung in ite unterſchieden. So wird der Name der Saͤure flectirt, und der Name der Grundlage beygefuͤgt. Nach der alten Sprache z. B. gab die Vitriolſaͤure (acide ſulfurique) mit dem Gewaͤchslaugenſalze (Potaſſe) den vitrioliſirten Weinſtein, welcher hier Sulfate de Potaſſe heißt. Die Weinſteinſaͤure (acide tartareux) mit eben dem Laugenſalze gab den tartariſirten Weinſtein; dieſer heißt nun Tartrite de Potaſſe. So der gemeine Salpeter Nitrate de Potaſſe, der wuͤrflichte Nitrate de Soude, das Kuͤchenſalz Muriate de Soude, Glaubers Wunderſalz, Sulfate de Soude, der Salmiak Muriate d'Ammoniaque u. ſ. w. Verbindungen einfacher nicht geſaͤuerter Stoffe, z. B. des Schwefels, Phosphors, der Kohle, mit andern Grundlagen, erhalten Namen in ure, Sulphure, Phoſphure, Carbure (Sulphuretum, Phoſphoretum, Carburas), z. B. Suifure de potaſſe, geſchwefelte Potaſche (Schwefelleber), Carbure de fer, gekohltes Eiſen, u. ſ. w. Schon dieſer fluͤchtig entworfene Abriß wird zeigen, durch welche Hauptbegriffe ſich dieſe neuere Chemie von der aͤltern vorzuͤglich unterſcheidet. Die Hauptſache koͤmmt nicht

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/47>, abgerufen am 24.04.2024.