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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

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Landriani (Dei conduttori elettrici p. 30.) die Pulsadern immer voll von Blut, selbst viele Stunden nach dem Tode des Thieres. Es wird nemlich die Reizbarkeit, die sonst das Blut heraustreibt, durch den Schlag gänzlich zerstört, und das Thier stirbt gleichsam auf einmal in allen seinen Theilen, ohne daß irgend ein Hauptgefäß zerrissen würde. Hiemit stimmen auch die Versuche überein, welche Herr van Marum (Schreiben an Herrn de la Metherie über die Wirkung der sehr verstärkten Elektricität auf Thiere, aus d. Journ. de phys. Janv. 1791 übers. in Grens Journ. der Phys. VI. B. S. 37. u. f.) mit der großen Teylerischen Elektrisirmaschine zu Harlem angestellt hat. Sie beweisen, daß die verstärkte Elektricität die Reizbarkeit im thierischen Körper zerstöre, wobey jedoch Herr v. M. zu glauben scheint, daß der Blitz in der That durch das Herz und die Arterien gehe.

Was die Nerven betrift, so läßt sich aus den Phänomenen der thierischen Elektricität und der elektrischen Fische hier nichts Sicheres schließen. Zwar will der Abt Hemmer (Comment. Acad. Theod. Palat. Vol. V. p. 156.) die Durchfahrt des Blitzes durch die Nerven mit einem elektrischen Versuche beweisen, bey dem eine leidner Flasche durch den Nerven einer frisch getödteten Katze eben so leicht, als durch Metall, entladen ward. Allein hier ist die Frage, ob der Blitz auch bey unentblößten Nerven den Weg durch sie aufsuche, und vor andern wähle, und diese läßt sich nicht durch elektrische Versuche, sondern nur durch wirkliche Erfahrungen von Wetterschlägen entscheiden. Bey diesen findet man keine Spur davon, daß der Blitz vorzüglich durch die Nerven gehe; in einem Falle, den Hemmer selbst erzählt, traf ein Schlag einen Mannheimer Soldaten im Nacken, dicht am Rückenmarke, ohne doch durchzudringen: die Spuren zeigten eine ganz andere Bahn, die Verletzungen waren nur oberflächlich, und der Getroffene in eilf Tagen wieder hergestellt. Was müßte auch der Blitz für Zerstörungen in so zarten Theilen anrichten, da er einen weit stärkern Metalldrath schmelzt und in Dampf verwandelt? Dagegen ist oft vom Blitze die Haut stark versengt worden, ohne daß der


Landriani (Dei conduttori elettrici p. 30.) die Pulsadern immer voll von Blut, ſelbſt viele Stunden nach dem Tode des Thieres. Es wird nemlich die Reizbarkeit, die ſonſt das Blut heraustreibt, durch den Schlag gaͤnzlich zerſtoͤrt, und das Thier ſtirbt gleichſam auf einmal in allen ſeinen Theilen, ohne daß irgend ein Hauptgefaͤß zerriſſen wuͤrde. Hiemit ſtimmen auch die Verſuche uͤberein, welche Herr van Marum (Schreiben an Herrn de la Metherie uͤber die Wirkung der ſehr verſtaͤrkten Elektricitaͤt auf Thiere, aus d. Journ. de phyſ. Janv. 1791 uͤberſ. in Grens Journ. der Phyſ. VI. B. S. 37. u. f.) mit der großen Teyleriſchen Elektriſirmaſchine zu Harlem angeſtellt hat. Sie beweiſen, daß die verſtaͤrkte Elektricitaͤt die Reizbarkeit im thieriſchen Koͤrper zerſtoͤre, wobey jedoch Herr v. M. zu glauben ſcheint, daß der Blitz in der That durch das Herz und die Arterien gehe.

Was die Nerven betrift, ſo laͤßt ſich aus den Phaͤnomenen der thieriſchen Elektricitaͤt und der elektriſchen Fiſche hier nichts Sicheres ſchließen. Zwar will der Abt Hemmer (Comment. Acad. Theod. Palat. Vol. V. p. 156.) die Durchfahrt des Blitzes durch die Nerven mit einem elektriſchen Verſuche beweiſen, bey dem eine leidner Flaſche durch den Nerven einer friſch getoͤdteten Katze eben ſo leicht, als durch Metall, entladen ward. Allein hier iſt die Frage, ob der Blitz auch bey unentbloͤßten Nerven den Weg durch ſie aufſuche, und vor andern waͤhle, und dieſe laͤßt ſich nicht durch elektriſche Verſuche, ſondern nur durch wirkliche Erfahrungen von Wetterſchlaͤgen entſcheiden. Bey dieſen findet man keine Spur davon, daß der Blitz vorzuͤglich durch die Nerven gehe; in einem Falle, den Hemmer ſelbſt erzaͤhlt, traf ein Schlag einen Mannheimer Soldaten im Nacken, dicht am Ruͤckenmarke, ohne doch durchzudringen: die Spuren zeigten eine ganz andere Bahn, die Verletzungen waren nur oberflaͤchlich, und der Getroffene in eilf Tagen wieder hergeſtellt. Was muͤßte auch der Blitz fuͤr Zerſtoͤrungen in ſo zarten Theilen anrichten, da er einen weit ſtaͤrkern Metalldrath ſchmelzt und in Dampf verwandelt? Dagegen iſt oft vom Blitze die Haut ſtark verſengt worden, ohne daß der

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[164/0176] Landriani (Dei conduttori elettrici p. 30.) die Pulsadern immer voll von Blut, ſelbſt viele Stunden nach dem Tode des Thieres. Es wird nemlich die Reizbarkeit, die ſonſt das Blut heraustreibt, durch den Schlag gaͤnzlich zerſtoͤrt, und das Thier ſtirbt gleichſam auf einmal in allen ſeinen Theilen, ohne daß irgend ein Hauptgefaͤß zerriſſen wuͤrde. Hiemit ſtimmen auch die Verſuche uͤberein, welche Herr van Marum (Schreiben an Herrn de la Metherie uͤber die Wirkung der ſehr verſtaͤrkten Elektricitaͤt auf Thiere, aus d. Journ. de phyſ. Janv. 1791 uͤberſ. in Grens Journ. der Phyſ. VI. B. S. 37. u. f.) mit der großen Teyleriſchen Elektriſirmaſchine zu Harlem angeſtellt hat. Sie beweiſen, daß die verſtaͤrkte Elektricitaͤt die Reizbarkeit im thieriſchen Koͤrper zerſtoͤre, wobey jedoch Herr v. M. zu glauben ſcheint, daß der Blitz in der That durch das Herz und die Arterien gehe. Was die Nerven betrift, ſo laͤßt ſich aus den Phaͤnomenen der thieriſchen Elektricitaͤt und der elektriſchen Fiſche hier nichts Sicheres ſchließen. Zwar will der Abt Hemmer (Comment. Acad. Theod. Palat. Vol. V. p. 156.) die Durchfahrt des Blitzes durch die Nerven mit einem elektriſchen Verſuche beweiſen, bey dem eine leidner Flaſche durch den Nerven einer friſch getoͤdteten Katze eben ſo leicht, als durch Metall, entladen ward. Allein hier iſt die Frage, ob der Blitz auch bey unentbloͤßten Nerven den Weg durch ſie aufſuche, und vor andern waͤhle, und dieſe laͤßt ſich nicht durch elektriſche Verſuche, ſondern nur durch wirkliche Erfahrungen von Wetterſchlaͤgen entſcheiden. Bey dieſen findet man keine Spur davon, daß der Blitz vorzuͤglich durch die Nerven gehe; in einem Falle, den Hemmer ſelbſt erzaͤhlt, traf ein Schlag einen Mannheimer Soldaten im Nacken, dicht am Ruͤckenmarke, ohne doch durchzudringen: die Spuren zeigten eine ganz andere Bahn, die Verletzungen waren nur oberflaͤchlich, und der Getroffene in eilf Tagen wieder hergeſtellt. Was muͤßte auch der Blitz fuͤr Zerſtoͤrungen in ſo zarten Theilen anrichten, da er einen weit ſtaͤrkern Metalldrath ſchmelzt und in Dampf verwandelt? Dagegen iſt oft vom Blitze die Haut ſtark verſengt worden, ohne daß der

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/176>, abgerufen am 30.04.2024.