Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799.

Bild:
<< vorherige Seite


ihn gleich wegen seiner starken Verwandtschaft mit dem Wärmestoffe nicht anders, als in Gasgestalt, kennen. In dieser Form macht er, mit dem Wärmestoff verbunden, das Wasserstoffgas (brennbare Luft) aus, s. Gas, brennbares.

Aber auch zu dem Sauerstoffe hat er eine sehr große Verwandtschaft, welche bey höhern Temperaturen noch größer, als die zu dem Wärmestoff, ist. Daher verläßt er alsdann den Wärmestoff (der mit Licht und Hitze frey wird), und brennt, um sich mit dem Sauerstoffe zu verbinden. Die Verbindung beyder Stoffe giebt das Wasser, welches aus (3/20) Wasserstoff (Hydrogen) und (17/20) Sauerstoff (Oxygen) besteht.

Mit dem Stickstoff bildet der Wasserstoff das Ammoniak oder flüchtige Alkali; mit dem Kohlenstoff, Schwefel und Phosphor im gasförmigen Zustande das gekohlte, geschwefelte, gephosphorte Wasserstoffgas. Er kömmt in die Zusammensetzung der thierischen und vegetabilischen Körper, und macht insbesondere mit dem Kohlenstoffe die festen und flüchtigen Oele und die Grundlage einiger thierischen und vegetabilischen Säuren aus.

Man hat gegen das antiphlogistische System den nicht unwichtigen Einwurf gemacht, daß das Wasser, welches doch soviel Sauerstoff enthalten soll, nicht die mindeste Säure zeige, s. Sauerstoff (oben S. 808). Die Antwort ist, der Sauerstoff sey nicht selbst sauer, er erzeuge nur Säure in säurefähigen Grundlagen (bases acidifiables), und unter diese gehöre der Wasserstoff nicht. Es läßt sich aber immer nicht ohne Schwierigkeit begreifen, wie eine einfache Substanz, die nicht sauer ist, Dinge, die es nicht sind, sauer machen, andere hingegen ungesäuert lassen könne. Hier setzt man ja den Grund der Verschiedenheit, also die Ursache des Sauer- oder Nichtsauerwerdens offenbar in die Grundlagen, und dennoch soll das alleinige Princip aller Säure, außer den Grundlagen in jener einfachen Substanz vorhanden seyn.

Da man den Wasserstoff nicht abgesondert darstellen kan, so bezieht sich das übrige, was man von ihm behauptet,


ihn gleich wegen ſeiner ſtarken Verwandtſchaft mit dem Waͤrmeſtoffe nicht anders, als in Gasgeſtalt, kennen. In dieſer Form macht er, mit dem Waͤrmeſtoff verbunden, das Waſſerſtoffgas (brennbare Luft) aus, ſ. Gas, brennbares.

Aber auch zu dem Sauerſtoffe hat er eine ſehr große Verwandtſchaft, welche bey hoͤhern Temperaturen noch groͤßer, als die zu dem Waͤrmeſtoff, iſt. Daher verlaͤßt er alsdann den Waͤrmeſtoff (der mit Licht und Hitze frey wird), und brennt, um ſich mit dem Sauerſtoffe zu verbinden. Die Verbindung beyder Stoffe giebt das Waſſer, welches aus (3/20) Waſſerſtoff (Hydrogen) und (17/20) Sauerſtoff (Oxygen) beſteht.

Mit dem Stickſtoff bildet der Waſſerſtoff das Ammoniak oder fluͤchtige Alkali; mit dem Kohlenſtoff, Schwefel und Phosphor im gasfoͤrmigen Zuſtande das gekohlte, geſchwefelte, gephosphorte Waſſerſtoffgas. Er koͤmmt in die Zuſammenſetzung der thieriſchen und vegetabiliſchen Koͤrper, und macht insbeſondere mit dem Kohlenſtoffe die feſten und fluͤchtigen Oele und die Grundlage einiger thieriſchen und vegetabiliſchen Saͤuren aus.

Man hat gegen das antiphlogiſtiſche Syſtem den nicht unwichtigen Einwurf gemacht, daß das Waſſer, welches doch ſoviel Sauerſtoff enthalten ſoll, nicht die mindeſte Saͤure zeige, ſ. Sauerſtoff (oben S. 808). Die Antwort iſt, der Sauerſtoff ſey nicht ſelbſt ſauer, er erzeuge nur Saͤure in ſaͤurefaͤhigen Grundlagen (baſes acidifiables), und unter dieſe gehoͤre der Waſſerſtoff nicht. Es laͤßt ſich aber immer nicht ohne Schwierigkeit begreifen, wie eine einfache Subſtanz, die nicht ſauer iſt, Dinge, die es nicht ſind, ſauer machen, andere hingegen ungeſaͤuert laſſen koͤnne. Hier ſetzt man ja den Grund der Verſchiedenheit, alſo die Urſache des Sauer- oder Nichtſauerwerdens offenbar in die Grundlagen, und dennoch ſoll das alleinige Princip aller Saͤure, außer den Grundlagen in jener einfachen Subſtanz vorhanden ſeyn.

Da man den Waſſerſtoff nicht abgeſondert darſtellen kan, ſo bezieht ſich das uͤbrige, was man von ihm behauptet,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="2">
              <p><pb facs="#f1010" xml:id="P.5.998" n="998"/><lb/>
ihn gleich wegen &#x017F;einer &#x017F;tarken Verwandt&#x017F;chaft mit dem Wa&#x0364;rme&#x017F;toffe nicht anders, als in Gasge&#x017F;talt, kennen. In die&#x017F;er Form macht er, mit dem Wa&#x0364;rme&#x017F;toff verbunden, das <hi rendition="#b">Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas</hi> (brennbare Luft) aus, &#x017F;. <hi rendition="#b">Gas, brennbares.</hi></p>
              <p>Aber auch zu dem Sauer&#x017F;toffe hat er eine &#x017F;ehr große Verwandt&#x017F;chaft, welche bey ho&#x0364;hern Temperaturen noch gro&#x0364;ßer, als die zu dem Wa&#x0364;rme&#x017F;toff, i&#x017F;t. Daher verla&#x0364;ßt er alsdann den Wa&#x0364;rme&#x017F;toff (der mit Licht und Hitze frey wird), und <hi rendition="#b">brennt,</hi> um &#x017F;ich mit dem Sauer&#x017F;toffe zu verbinden. Die Verbindung beyder Stoffe giebt das <hi rendition="#b">Wa&#x017F;&#x017F;er,</hi> welches aus (3/20) Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff (Hydrogen) und (17/20) Sauer&#x017F;toff (Oxygen) be&#x017F;teht.</p>
              <p>Mit dem Stick&#x017F;toff bildet der Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff das <hi rendition="#b">Ammoniak</hi> oder <hi rendition="#b">flu&#x0364;chtige Alkali;</hi> mit dem Kohlen&#x017F;toff, Schwefel und Phosphor im gasfo&#x0364;rmigen Zu&#x017F;tande das <hi rendition="#b">gekohlte, ge&#x017F;chwefelte, gephosphorte Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toffgas.</hi> Er ko&#x0364;mmt in die Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung der thieri&#x017F;chen und vegetabili&#x017F;chen Ko&#x0364;rper, und macht insbe&#x017F;ondere mit dem Kohlen&#x017F;toffe die fe&#x017F;ten und flu&#x0364;chtigen <hi rendition="#b">Oele</hi> und die Grundlage einiger thieri&#x017F;chen und vegetabili&#x017F;chen Sa&#x0364;uren aus.</p>
              <p>Man hat gegen das antiphlogi&#x017F;ti&#x017F;che Sy&#x017F;tem den nicht unwichtigen Einwurf gemacht, daß das Wa&#x017F;&#x017F;er, welches doch &#x017F;oviel Sauer&#x017F;toff enthalten &#x017F;oll, nicht die minde&#x017F;te Sa&#x0364;ure zeige, &#x017F;. <hi rendition="#b">Sauer&#x017F;toff</hi> (oben S. 808). Die Antwort i&#x017F;t, der Sauer&#x017F;toff &#x017F;ey nicht &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;auer, er erzeuge nur Sa&#x0364;ure in &#x017F;a&#x0364;urefa&#x0364;higen Grundlagen <hi rendition="#i"><hi rendition="#aq">(ba&#x017F;es acidifiables),</hi></hi> und unter die&#x017F;e geho&#x0364;re der Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff nicht. Es la&#x0364;ßt &#x017F;ich aber immer nicht ohne Schwierigkeit begreifen, wie eine einfache Sub&#x017F;tanz, die nicht &#x017F;auer i&#x017F;t, Dinge, die es nicht &#x017F;ind, &#x017F;auer machen, andere hingegen unge&#x017F;a&#x0364;uert la&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nne. Hier &#x017F;etzt man ja den Grund der Ver&#x017F;chiedenheit, al&#x017F;o die Ur&#x017F;ache des Sauer- oder Nicht&#x017F;auerwerdens offenbar in die Grundlagen, und dennoch &#x017F;oll das alleinige Princip aller Sa&#x0364;ure, außer den Grundlagen in jener einfachen Sub&#x017F;tanz vorhanden &#x017F;eyn.</p>
              <p>Da man den Wa&#x017F;&#x017F;er&#x017F;toff nicht abge&#x017F;ondert dar&#x017F;tellen kan, &#x017F;o bezieht &#x017F;ich das u&#x0364;brige, was man von ihm behauptet,<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[998/1010] ihn gleich wegen ſeiner ſtarken Verwandtſchaft mit dem Waͤrmeſtoffe nicht anders, als in Gasgeſtalt, kennen. In dieſer Form macht er, mit dem Waͤrmeſtoff verbunden, das Waſſerſtoffgas (brennbare Luft) aus, ſ. Gas, brennbares. Aber auch zu dem Sauerſtoffe hat er eine ſehr große Verwandtſchaft, welche bey hoͤhern Temperaturen noch groͤßer, als die zu dem Waͤrmeſtoff, iſt. Daher verlaͤßt er alsdann den Waͤrmeſtoff (der mit Licht und Hitze frey wird), und brennt, um ſich mit dem Sauerſtoffe zu verbinden. Die Verbindung beyder Stoffe giebt das Waſſer, welches aus (3/20) Waſſerſtoff (Hydrogen) und (17/20) Sauerſtoff (Oxygen) beſteht. Mit dem Stickſtoff bildet der Waſſerſtoff das Ammoniak oder fluͤchtige Alkali; mit dem Kohlenſtoff, Schwefel und Phosphor im gasfoͤrmigen Zuſtande das gekohlte, geſchwefelte, gephosphorte Waſſerſtoffgas. Er koͤmmt in die Zuſammenſetzung der thieriſchen und vegetabiliſchen Koͤrper, und macht insbeſondere mit dem Kohlenſtoffe die feſten und fluͤchtigen Oele und die Grundlage einiger thieriſchen und vegetabiliſchen Saͤuren aus. Man hat gegen das antiphlogiſtiſche Syſtem den nicht unwichtigen Einwurf gemacht, daß das Waſſer, welches doch ſoviel Sauerſtoff enthalten ſoll, nicht die mindeſte Saͤure zeige, ſ. Sauerſtoff (oben S. 808). Die Antwort iſt, der Sauerſtoff ſey nicht ſelbſt ſauer, er erzeuge nur Saͤure in ſaͤurefaͤhigen Grundlagen (baſes acidifiables), und unter dieſe gehoͤre der Waſſerſtoff nicht. Es laͤßt ſich aber immer nicht ohne Schwierigkeit begreifen, wie eine einfache Subſtanz, die nicht ſauer iſt, Dinge, die es nicht ſind, ſauer machen, andere hingegen ungeſaͤuert laſſen koͤnne. Hier ſetzt man ja den Grund der Verſchiedenheit, alſo die Urſache des Sauer- oder Nichtſauerwerdens offenbar in die Grundlagen, und dennoch ſoll das alleinige Princip aller Saͤure, außer den Grundlagen in jener einfachen Subſtanz vorhanden ſeyn. Da man den Waſſerſtoff nicht abgeſondert darſtellen kan, ſo bezieht ſich das uͤbrige, was man von ihm behauptet,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/1010
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 5. Leipzig, 1799, S. 998. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch05_1799/1010>, abgerufen am 23.11.2024.