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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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Farbe sichtbar werden, s. Licht (Th. II. S. 899.), Spiegel (oben S. 122.).

So leicht und einfach aber auch diese mechanische Erklärung der Zurückstralung aus den allgemeinen Gesetzen des Stoßes elastischer Körper ausfällt, so zeigen sich doch bey genauerer Betrachtung unüberwindliche Schwierigkeiten gegen dieselbe. Wenn man alle Umstände der Erscheinungen untersucht, so findet man es mit Newton (Optices L. II. P. 3 Prop. 8. p. 224.) gar nicht mehr wahrscheinlich, daß die Zurückstralung eine Wirkung des Stoßes der Lichtstralen an undurchsichtige Flächen sey. Vielmehr kommen bey der Reflexion Umstände vor, welche sich aus dem Anstoßen des Lichts schlechterdings nicht mehr erklären lassen.

Das Licht wird nicht allein reflectirt, wenn es aus der Luft an eine Glas- oder Metallfläche trift, wo ihm mehr undurchdringliche Theile, als auf seinem vorigen Wege in der Luft, entgegenstehen; sondern es leidet auch Zurückwerfung, wenn es aus Glas in Luft übergehen sollte, wofern nur alsdann an der letzten Glasfläche sein Einfallswinkel so groß ist, daß dem Brechungsverhältnisse gemäß der Sinus des Brechungswinkels größer, als 1, seyn müßte, s. Brechung der Lichtstralen (Th. I. S. 414. 415.). Dies geschieht, wenn man das Brechungsverhältniß=m : n setzt, so oft der Sinus des Einfallswinkels größer, als n/m wird. Also für die blauen Farbenstralen (wo m : n=78 : 50), wenn dieser Sinus über (50/78), oder der Einsallswinkel selbst über 39° 52' beträgt, für die rothen (wo m : n=77 : 50), wenn der Sinus über (50/77), oder der Winkel über 40° 29' ist; mithin beym blauen Lichte schon bey einem geringern Einfallswinkel, als beym rothen. Wenn man also einen Lichtstral durch ein gläsernes Prisma so gehen läßt, daß der Einfallswinkel desselben auf der hintern Glasfläche nahe an 40° ausmacht, so wird man das rothe und gelbe Licht noch durch die Glasfläche gehen und in die Luft ausfahren sehen, indeß das blaue und violette Licht nicht mehr ausgeht, sondern


Farbe ſichtbar werden, ſ. Licht (Th. II. S. 899.), Spiegel (oben S. 122.).

So leicht und einfach aber auch dieſe mechaniſche Erklaͤrung der Zuruͤckſtralung aus den allgemeinen Geſetzen des Stoßes elaſtiſcher Koͤrper ausfaͤllt, ſo zeigen ſich doch bey genauerer Betrachtung unuͤberwindliche Schwierigkeiten gegen dieſelbe. Wenn man alle Umſtaͤnde der Erſcheinungen unterſucht, ſo findet man es mit Newton (Optices L. II. P. 3 Prop. 8. p. 224.) gar nicht mehr wahrſcheinlich, daß die Zuruͤckſtralung eine Wirkung des Stoßes der Lichtſtralen an undurchſichtige Flaͤchen ſey. Vielmehr kommen bey der Reflexion Umſtaͤnde vor, welche ſich aus dem Anſtoßen des Lichts ſchlechterdings nicht mehr erklaͤren laſſen.

Das Licht wird nicht allein reflectirt, wenn es aus der Luft an eine Glas- oder Metallflaͤche trift, wo ihm mehr undurchdringliche Theile, als auf ſeinem vorigen Wege in der Luft, entgegenſtehen; ſondern es leidet auch Zuruͤckwerfung, wenn es aus Glas in Luft uͤbergehen ſollte, wofern nur alsdann an der letzten Glasflaͤche ſein Einfallswinkel ſo groß iſt, daß dem Brechungsverhaͤltniſſe gemaͤß der Sinus des Brechungswinkels groͤßer, als 1, ſeyn muͤßte, ſ. Brechung der Lichtſtralen (Th. I. S. 414. 415.). Dies geſchieht, wenn man das Brechungsverhaͤltniß=m : n ſetzt, ſo oft der Sinus des Einfallswinkels groͤßer, als n/m wird. Alſo fuͤr die blauen Farbenſtralen (wo m : n=78 : 50), wenn dieſer Sinus uͤber (50/78), oder der Einſallswinkel ſelbſt uͤber 39° 52′ betraͤgt, fuͤr die rothen (wo m : n=77 : 50), wenn der Sinus uͤber (50/77), oder der Winkel uͤber 40° 29′ iſt; mithin beym blauen Lichte ſchon bey einem geringern Einfallswinkel, als beym rothen. Wenn man alſo einen Lichtſtral durch ein glaͤſernes Prisma ſo gehen laͤßt, daß der Einfallswinkel deſſelben auf der hintern Glasflaͤche nahe an 40° ausmacht, ſo wird man das rothe und gelbe Licht noch durch die Glasflaͤche gehen und in die Luft ausfahren ſehen, indeß das blaue und violette Licht nicht mehr ausgeht, ſondern

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[908/0918] Farbe ſichtbar werden, ſ. Licht (Th. II. S. 899.), Spiegel (oben S. 122.). So leicht und einfach aber auch dieſe mechaniſche Erklaͤrung der Zuruͤckſtralung aus den allgemeinen Geſetzen des Stoßes elaſtiſcher Koͤrper ausfaͤllt, ſo zeigen ſich doch bey genauerer Betrachtung unuͤberwindliche Schwierigkeiten gegen dieſelbe. Wenn man alle Umſtaͤnde der Erſcheinungen unterſucht, ſo findet man es mit Newton (Optices L. II. P. 3 Prop. 8. p. 224.) gar nicht mehr wahrſcheinlich, daß die Zuruͤckſtralung eine Wirkung des Stoßes der Lichtſtralen an undurchſichtige Flaͤchen ſey. Vielmehr kommen bey der Reflexion Umſtaͤnde vor, welche ſich aus dem Anſtoßen des Lichts ſchlechterdings nicht mehr erklaͤren laſſen. Das Licht wird nicht allein reflectirt, wenn es aus der Luft an eine Glas- oder Metallflaͤche trift, wo ihm mehr undurchdringliche Theile, als auf ſeinem vorigen Wege in der Luft, entgegenſtehen; ſondern es leidet auch Zuruͤckwerfung, wenn es aus Glas in Luft uͤbergehen ſollte, wofern nur alsdann an der letzten Glasflaͤche ſein Einfallswinkel ſo groß iſt, daß dem Brechungsverhaͤltniſſe gemaͤß der Sinus des Brechungswinkels groͤßer, als 1, ſeyn muͤßte, ſ. Brechung der Lichtſtralen (Th. I. S. 414. 415.). Dies geſchieht, wenn man das Brechungsverhaͤltniß=m : n ſetzt, ſo oft der Sinus des Einfallswinkels groͤßer, als n/m wird. Alſo fuͤr die blauen Farbenſtralen (wo m : n=78 : 50), wenn dieſer Sinus uͤber (50/78), oder der Einſallswinkel ſelbſt uͤber 39° 52′ betraͤgt, fuͤr die rothen (wo m : n=77 : 50), wenn der Sinus uͤber (50/77), oder der Winkel uͤber 40° 29′ iſt; mithin beym blauen Lichte ſchon bey einem geringern Einfallswinkel, als beym rothen. Wenn man alſo einen Lichtſtral durch ein glaͤſernes Prisma ſo gehen laͤßt, daß der Einfallswinkel deſſelben auf der hintern Glasflaͤche nahe an 40° ausmacht, ſo wird man das rothe und gelbe Licht noch durch die Glasflaͤche gehen und in die Luft ausfahren ſehen, indeß das blaue und violette Licht nicht mehr ausgeht, ſondern

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 908. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/918>, abgerufen am 22.11.2024.