Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Kan man wohl in diesem Falle die Reflexion aus dem Stoße der Lichttheile gegen die angrenzende Luftfläche herleiten? Alle Theile des Lichts, blaue wie rothe, treffen ja diese Fläche unter einerley Winkel, und finden an ihr gewiß nicht mehr, sondern eher weit weniger feste undurchdringliche Theile, als sie auf ihrem vorigen Wege im Glase antrafen. Warum stoßen sich denn nur die blauen so stark, daß sie zurückprallen, und warum denn die rothen gar nicht? Noch mehr, wenn man den Versuch im luftleeren Raume anstellt, wo an der hintern Glasfläche gar nichts vorhanden ist, woran sich das Licht stoßen könnte, so findet man dennoch die Reflexion nicht etwa geschwächt, sondern im Gegentheile befördert; die Stralen werden schon bey geringern Einfallswinkeln zurückgeworfen, und diejenigen, welche vorher noch unter einer Schiefe von 40° in die Luft ausgiengen, gehen jetzt schon unter geringerer Schiefe in den luftleeren Raum nicht mehr aus. Kurz, es gewinnt völlig das Ansehen, als ob diese Reflexion nicht vom Stoße gegen Luft oder Vacuum, sondern vielmehr von dem, was dem Stoße und Widerstande gerade entgegengesetzt ist, nemlich von der Anziehung des Glases abhienge, welche auf blaues Licht stärker, als auf rothes, wirkt, und mehr vermag, wenn sie blos leeren Raum wider sich hat, als wenn ihr die Anziehung der Luft entgegenwirkt. Man wird in diesen Gedanken noch mehr bestärkt, wenn man an die Hinterfläche des Prisma Wasser, oder eine dicht anpassende Glasscheibe bringt. Denn nunmehr wird das Licht, das vorher zurückprallte, nicht mehr reflectirt, sondern geht durch und dringt in das Wasser, oder in die Glasscheibe ein. Sollte sich denn nun das Licht am leeren Raume stärker stoßen, als am Wasser, oder an der angelegten Glasscheibe? Dieser letzte Versuch zeigt überdieses, daß es sich auch nicht an der Hinterfläche des Prisma selbst stoßen kan. Denn geschähe dies einmal, warum sollte es nicht immer noch geschehen, wenn diese Fläche von außen an Wasser oder anderes Glas grenzt, da das Licht
Kan man wohl in dieſem Falle die Reflexion aus dem Stoße der Lichttheile gegen die angrenzende Luftflaͤche herleiten? Alle Theile des Lichts, blaue wie rothe, treffen ja dieſe Flaͤche unter einerley Winkel, und finden an ihr gewiß nicht mehr, ſondern eher weit weniger feſte undurchdringliche Theile, als ſie auf ihrem vorigen Wege im Glaſe antrafen. Warum ſtoßen ſich denn nur die blauen ſo ſtark, daß ſie zuruͤckprallen, und warum denn die rothen gar nicht? Noch mehr, wenn man den Verſuch im luftleeren Raume anſtellt, wo an der hintern Glasflaͤche gar nichts vorhanden iſt, woran ſich das Licht ſtoßen koͤnnte, ſo findet man dennoch die Reflexion nicht etwa geſchwaͤcht, ſondern im Gegentheile befoͤrdert; die Stralen werden ſchon bey geringern Einfallswinkeln zuruͤckgeworfen, und diejenigen, welche vorher noch unter einer Schiefe von 40° in die Luft ausgiengen, gehen jetzt ſchon unter geringerer Schiefe in den luftleeren Raum nicht mehr aus. Kurz, es gewinnt voͤllig das Anſehen, als ob dieſe Reflexion nicht vom Stoße gegen Luft oder Vacuum, ſondern vielmehr von dem, was dem Stoße und Widerſtande gerade entgegengeſetzt iſt, nemlich von der Anziehung des Glaſes abhienge, welche auf blaues Licht ſtaͤrker, als auf rothes, wirkt, und mehr vermag, wenn ſie blos leeren Raum wider ſich hat, als wenn ihr die Anziehung der Luft entgegenwirkt. Man wird in dieſen Gedanken noch mehr beſtaͤrkt, wenn man an die Hinterflaͤche des Prisma Waſſer, oder eine dicht anpaſſende Glasſcheibe bringt. Denn nunmehr wird das Licht, das vorher zuruͤckprallte, nicht mehr reflectirt, ſondern geht durch und dringt in das Waſſer, oder in die Glasſcheibe ein. Sollte ſich denn nun das Licht am leeren Raume ſtaͤrker ſtoßen, als am Waſſer, oder an der angelegten Glasſcheibe? Dieſer letzte Verſuch zeigt uͤberdieſes, daß es ſich auch nicht an der Hinterflaͤche des Prisma ſelbſt ſtoßen kan. Denn geſchaͤhe dies einmal, warum ſollte es nicht immer noch geſchehen, wenn dieſe Flaͤche von außen an Waſſer oder anderes Glas grenzt, da das Licht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0919" xml:id="P.4.909" n="909"/><lb/> voͤllig nach dem Geſetze der Zuruͤckſtralung reflectirt wird.</p> <p>Kan man wohl in dieſem Falle die Reflexion aus dem Stoße der Lichttheile gegen die angrenzende Luftflaͤche herleiten? Alle Theile des Lichts, blaue wie rothe, treffen ja dieſe Flaͤche unter einerley Winkel, und finden an ihr gewiß nicht mehr, ſondern eher weit weniger feſte undurchdringliche Theile, als ſie auf ihrem vorigen Wege im Glaſe antrafen. Warum ſtoßen ſich denn nur die blauen ſo ſtark, daß ſie zuruͤckprallen, und warum denn die rothen gar nicht? Noch mehr, wenn man den Verſuch im luftleeren Raume anſtellt, wo an der hintern Glasflaͤche gar nichts vorhanden iſt, woran ſich das Licht ſtoßen koͤnnte, ſo findet man dennoch die Reflexion nicht etwa geſchwaͤcht, ſondern im Gegentheile befoͤrdert; die Stralen werden ſchon bey geringern Einfallswinkeln zuruͤckgeworfen, und diejenigen, welche vorher noch unter einer Schiefe von 40° in die Luft ausgiengen, gehen jetzt ſchon unter geringerer Schiefe in den luftleeren Raum nicht mehr aus. Kurz, es gewinnt voͤllig das Anſehen, als ob dieſe Reflexion nicht vom Stoße gegen Luft oder Vacuum, ſondern vielmehr von dem, was dem Stoße und Widerſtande gerade entgegengeſetzt iſt, nemlich von der Anziehung des Glaſes abhienge, welche auf blaues Licht ſtaͤrker, als auf rothes, wirkt, und mehr vermag, wenn ſie blos leeren Raum wider ſich hat, als wenn ihr die Anziehung der Luft entgegenwirkt.</p> <p>Man wird in dieſen Gedanken noch mehr beſtaͤrkt, wenn man an die Hinterflaͤche des Prisma Waſſer, oder eine dicht anpaſſende Glasſcheibe bringt. Denn nunmehr wird das Licht, das vorher zuruͤckprallte, nicht mehr reflectirt, ſondern geht durch und dringt in das Waſſer, oder in die Glasſcheibe ein. Sollte ſich denn nun das Licht am leeren Raume ſtaͤrker ſtoßen, als am Waſſer, oder an der angelegten Glasſcheibe? Dieſer letzte Verſuch zeigt uͤberdieſes, daß es ſich auch nicht an der Hinterflaͤche des Prisma ſelbſt ſtoßen kan. Denn geſchaͤhe dies einmal, warum ſollte es nicht immer noch geſchehen, wenn dieſe Flaͤche von außen an Waſſer oder anderes Glas grenzt, da das Licht<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [909/0919]
voͤllig nach dem Geſetze der Zuruͤckſtralung reflectirt wird.
Kan man wohl in dieſem Falle die Reflexion aus dem Stoße der Lichttheile gegen die angrenzende Luftflaͤche herleiten? Alle Theile des Lichts, blaue wie rothe, treffen ja dieſe Flaͤche unter einerley Winkel, und finden an ihr gewiß nicht mehr, ſondern eher weit weniger feſte undurchdringliche Theile, als ſie auf ihrem vorigen Wege im Glaſe antrafen. Warum ſtoßen ſich denn nur die blauen ſo ſtark, daß ſie zuruͤckprallen, und warum denn die rothen gar nicht? Noch mehr, wenn man den Verſuch im luftleeren Raume anſtellt, wo an der hintern Glasflaͤche gar nichts vorhanden iſt, woran ſich das Licht ſtoßen koͤnnte, ſo findet man dennoch die Reflexion nicht etwa geſchwaͤcht, ſondern im Gegentheile befoͤrdert; die Stralen werden ſchon bey geringern Einfallswinkeln zuruͤckgeworfen, und diejenigen, welche vorher noch unter einer Schiefe von 40° in die Luft ausgiengen, gehen jetzt ſchon unter geringerer Schiefe in den luftleeren Raum nicht mehr aus. Kurz, es gewinnt voͤllig das Anſehen, als ob dieſe Reflexion nicht vom Stoße gegen Luft oder Vacuum, ſondern vielmehr von dem, was dem Stoße und Widerſtande gerade entgegengeſetzt iſt, nemlich von der Anziehung des Glaſes abhienge, welche auf blaues Licht ſtaͤrker, als auf rothes, wirkt, und mehr vermag, wenn ſie blos leeren Raum wider ſich hat, als wenn ihr die Anziehung der Luft entgegenwirkt.
Man wird in dieſen Gedanken noch mehr beſtaͤrkt, wenn man an die Hinterflaͤche des Prisma Waſſer, oder eine dicht anpaſſende Glasſcheibe bringt. Denn nunmehr wird das Licht, das vorher zuruͤckprallte, nicht mehr reflectirt, ſondern geht durch und dringt in das Waſſer, oder in die Glasſcheibe ein. Sollte ſich denn nun das Licht am leeren Raume ſtaͤrker ſtoßen, als am Waſſer, oder an der angelegten Glasſcheibe? Dieſer letzte Verſuch zeigt uͤberdieſes, daß es ſich auch nicht an der Hinterflaͤche des Prisma ſelbſt ſtoßen kan. Denn geſchaͤhe dies einmal, warum ſollte es nicht immer noch geſchehen, wenn dieſe Flaͤche von außen an Waſſer oder anderes Glas grenzt, da das Licht
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |