Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


der Würfel der Entfernungen stehen, folgt in eben dem System, daß sich diese Geschwindigkeiten, wie die Quadratwurzeln aus den Abständen vom Mittel verhalten. Beyde Folgen widersprechen einander, und können nicht zugleich wahr seyn; da nun aber die Regeln selbst wahr sind, so muß das System, in welchem sie diese widersprechenden Folgen hätten, irrig seyn.

Newton, der von diesem Gegenstande am Ende des zweyten Buchs seiner Principien handelt, findet, daß im cylindrischen Wirbel die Umlaufszeiten den Abständen von der Axe, im sphärischen den Quadraten der Abstände vom Mittelpunkte proportional seyn müßten. In der That aber sind sie bey Planeten und Monden den Quadratwurzeln aus den Würfeln der Abstände gemäß. Daraus schließt Newton, man könne die wahren Bewegungen der Himmelskörper weder durch sphärische, noch durch cylindrische Wirbel erklären.

Nun haben zwar die Wirbel an Johann Bernonlli (Nouvelles pensees sur le systeme de M. Descartes, couronnees par l' acad. des sc. 1730. Oeuvres, To. III. no. 138. p. 133. sqq. Nouvelle physique celeste, ibid. no. 146. p. 263.) einen sehr scharfsinnigen Vertheidiger gegen diese Einwürfe gefunden, welcher in Newtons Berechnung einen in der That beträchtlichen Fehler zeigt, und alle seine Geschicklichkeit aufbietet, um vermittelst einiger wichtigen Abänderungen der ursprünglichen cartesianischen Theorie die Wirbel dennoch aufrecht zu erhalten, und mit den keplerischen Regeln, ja sogar mit dem newtonischen Gesetze der Gravitation, in Uebereinstimmung zu bringen. Er glaubt hiebey zu finden, daß ein sphärischer Wirbel allen diesen Gesetzen Gnüge leiste, wenn man nur annehme, daß sich die Dichtigkeiten seiner Schichten umgekehrt, wie die Quadratwurzeln aus ihren Abständen vom Mittelpunkte, verhalten. Uebrigens erklärt er die Eccentricität der Planetenbahnen durch eine mit dem Wirbel verbundene Schwungbewegung, und die Neigung der Bahnen gegen den Sonnenäquator durch den Stoß des Wirbels auf die länglich sphäroidische Gestalt der Planeten.


der Wuͤrfel der Entfernungen ſtehen, folgt in eben dem Syſtem, daß ſich dieſe Geſchwindigkeiten, wie die Quadratwurzeln aus den Abſtaͤnden vom Mittel verhalten. Beyde Folgen widerſprechen einander, und koͤnnen nicht zugleich wahr ſeyn; da nun aber die Regeln ſelbſt wahr ſind, ſo muß das Syſtem, in welchem ſie dieſe widerſprechenden Folgen haͤtten, irrig ſeyn.

Newton, der von dieſem Gegenſtande am Ende des zweyten Buchs ſeiner Principien handelt, findet, daß im cylindriſchen Wirbel die Umlaufszeiten den Abſtaͤnden von der Axe, im ſphaͤriſchen den Quadraten der Abſtaͤnde vom Mittelpunkte proportional ſeyn muͤßten. In der That aber ſind ſie bey Planeten und Monden den Quadratwurzeln aus den Wuͤrfeln der Abſtaͤnde gemaͤß. Daraus ſchließt Newton, man koͤnne die wahren Bewegungen der Himmelskoͤrper weder durch ſphaͤriſche, noch durch cylindriſche Wirbel erklaͤren.

Nun haben zwar die Wirbel an Johann Bernonlli (Nouvelles penſées ſur le ſyſteme de M. Descartes, couronnées par l' acad. des ſc. 1730. Oeuvres, To. III. no. 138. p. 133. ſqq. Nouvelle phyſique céleſte, ibid. no. 146. p. 263.) einen ſehr ſcharfſinnigen Vertheidiger gegen dieſe Einwuͤrfe gefunden, welcher in Newtons Berechnung einen in der That betraͤchtlichen Fehler zeigt, und alle ſeine Geſchicklichkeit aufbietet, um vermittelſt einiger wichtigen Abaͤnderungen der urſpruͤnglichen carteſianiſchen Theorie die Wirbel dennoch aufrecht zu erhalten, und mit den kepleriſchen Regeln, ja ſogar mit dem newtoniſchen Geſetze der Gravitation, in Uebereinſtimmung zu bringen. Er glaubt hiebey zu finden, daß ein ſphaͤriſcher Wirbel allen dieſen Geſetzen Gnuͤge leiſte, wenn man nur annehme, daß ſich die Dichtigkeiten ſeiner Schichten umgekehrt, wie die Quadratwurzeln aus ihren Abſtaͤnden vom Mittelpunkte, verhalten. Uebrigens erklaͤrt er die Eccentricitaͤt der Planetenbahnen durch eine mit dem Wirbel verbundene Schwungbewegung, und die Neigung der Bahnen gegen den Sonnenaͤquator durch den Stoß des Wirbels auf die laͤnglich ſphaͤroidiſche Geſtalt der Planeten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0800" xml:id="P.4.790" n="790"/><lb/>
der Wu&#x0364;rfel der Entfernungen &#x017F;tehen, folgt in eben dem Sy&#x017F;tem, daß &#x017F;ich die&#x017F;e Ge&#x017F;chwindigkeiten, wie die Quadratwurzeln aus den Ab&#x017F;ta&#x0364;nden vom Mittel verhalten. Beyde Folgen wider&#x017F;prechen einander, und ko&#x0364;nnen nicht zugleich wahr &#x017F;eyn; da nun aber die Regeln &#x017F;elb&#x017F;t wahr &#x017F;ind, &#x017F;o muß das Sy&#x017F;tem, in welchem &#x017F;ie die&#x017F;e wider&#x017F;prechenden Folgen ha&#x0364;tten, irrig &#x017F;eyn.</p>
            <p><hi rendition="#b">Newton,</hi> der von die&#x017F;em Gegen&#x017F;tande am Ende des zweyten Buchs &#x017F;einer Principien handelt, findet, daß im cylindri&#x017F;chen Wirbel die Umlaufszeiten den Ab&#x017F;ta&#x0364;nden von der Axe, im &#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;chen den Quadraten der Ab&#x017F;ta&#x0364;nde vom Mittelpunkte proportional &#x017F;eyn mu&#x0364;ßten. In der That aber &#x017F;ind &#x017F;ie bey Planeten und Monden den Quadratwurzeln aus den Wu&#x0364;rfeln der Ab&#x017F;ta&#x0364;nde gema&#x0364;ß. Daraus &#x017F;chließt <hi rendition="#b">Newton,</hi> man ko&#x0364;nne die wahren Bewegungen der Himmelsko&#x0364;rper weder durch &#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;che, noch durch cylindri&#x017F;che Wirbel erkla&#x0364;ren.</p>
            <p>Nun haben zwar die Wirbel an <hi rendition="#b">Johann Bernonlli</hi> (<hi rendition="#aq">Nouvelles pen&#x017F;ées &#x017F;ur le &#x017F;y&#x017F;teme de M. Descartes, couronnées par l' acad. des &#x017F;c. 1730. Oeuvres, To. III. no. 138. p. 133. &#x017F;qq. Nouvelle phy&#x017F;ique céle&#x017F;te, ibid. no. 146. p. 263.</hi>) einen &#x017F;ehr &#x017F;charf&#x017F;innigen Vertheidiger gegen die&#x017F;e Einwu&#x0364;rfe gefunden, welcher in Newtons Berechnung einen in der That betra&#x0364;chtlichen Fehler zeigt, und alle &#x017F;eine Ge&#x017F;chicklichkeit aufbietet, um vermittel&#x017F;t einiger wichtigen Aba&#x0364;nderungen der ur&#x017F;pru&#x0364;nglichen carte&#x017F;iani&#x017F;chen Theorie die Wirbel dennoch aufrecht zu erhalten, und mit den kepleri&#x017F;chen Regeln, ja &#x017F;ogar mit dem newtoni&#x017F;chen Ge&#x017F;etze der Gravitation, in Ueberein&#x017F;timmung zu bringen. Er glaubt hiebey zu finden, daß ein &#x017F;pha&#x0364;ri&#x017F;cher Wirbel allen die&#x017F;en Ge&#x017F;etzen Gnu&#x0364;ge lei&#x017F;te, wenn man nur annehme, daß &#x017F;ich die Dichtigkeiten &#x017F;einer Schichten umgekehrt, wie die Quadratwurzeln aus ihren Ab&#x017F;ta&#x0364;nden vom Mittelpunkte, verhalten. Uebrigens erkla&#x0364;rt er die Eccentricita&#x0364;t der Planetenbahnen durch eine mit dem Wirbel verbundene Schwungbewegung, und die Neigung der Bahnen gegen den Sonnena&#x0364;quator durch den Stoß des Wirbels auf die la&#x0364;nglich &#x017F;pha&#x0364;roidi&#x017F;che Ge&#x017F;talt der Planeten.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[790/0800] der Wuͤrfel der Entfernungen ſtehen, folgt in eben dem Syſtem, daß ſich dieſe Geſchwindigkeiten, wie die Quadratwurzeln aus den Abſtaͤnden vom Mittel verhalten. Beyde Folgen widerſprechen einander, und koͤnnen nicht zugleich wahr ſeyn; da nun aber die Regeln ſelbſt wahr ſind, ſo muß das Syſtem, in welchem ſie dieſe widerſprechenden Folgen haͤtten, irrig ſeyn. Newton, der von dieſem Gegenſtande am Ende des zweyten Buchs ſeiner Principien handelt, findet, daß im cylindriſchen Wirbel die Umlaufszeiten den Abſtaͤnden von der Axe, im ſphaͤriſchen den Quadraten der Abſtaͤnde vom Mittelpunkte proportional ſeyn muͤßten. In der That aber ſind ſie bey Planeten und Monden den Quadratwurzeln aus den Wuͤrfeln der Abſtaͤnde gemaͤß. Daraus ſchließt Newton, man koͤnne die wahren Bewegungen der Himmelskoͤrper weder durch ſphaͤriſche, noch durch cylindriſche Wirbel erklaͤren. Nun haben zwar die Wirbel an Johann Bernonlli (Nouvelles penſées ſur le ſyſteme de M. Descartes, couronnées par l' acad. des ſc. 1730. Oeuvres, To. III. no. 138. p. 133. ſqq. Nouvelle phyſique céleſte, ibid. no. 146. p. 263.) einen ſehr ſcharfſinnigen Vertheidiger gegen dieſe Einwuͤrfe gefunden, welcher in Newtons Berechnung einen in der That betraͤchtlichen Fehler zeigt, und alle ſeine Geſchicklichkeit aufbietet, um vermittelſt einiger wichtigen Abaͤnderungen der urſpruͤnglichen carteſianiſchen Theorie die Wirbel dennoch aufrecht zu erhalten, und mit den kepleriſchen Regeln, ja ſogar mit dem newtoniſchen Geſetze der Gravitation, in Uebereinſtimmung zu bringen. Er glaubt hiebey zu finden, daß ein ſphaͤriſcher Wirbel allen dieſen Geſetzen Gnuͤge leiſte, wenn man nur annehme, daß ſich die Dichtigkeiten ſeiner Schichten umgekehrt, wie die Quadratwurzeln aus ihren Abſtaͤnden vom Mittelpunkte, verhalten. Uebrigens erklaͤrt er die Eccentricitaͤt der Planetenbahnen durch eine mit dem Wirbel verbundene Schwungbewegung, und die Neigung der Bahnen gegen den Sonnenaͤquator durch den Stoß des Wirbels auf die laͤnglich ſphaͤroidiſche Geſtalt der Planeten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/800
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 790. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/800>, abgerufen am 17.05.2024.