Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Da die Bewegungen der Planeten elliptisch sind, so müsten auch die Schichten der Wirbel elliptische Gestalten haben, deren Ursprung Descartes von der Zusammendrückung durch die angrenzenden Wirbel herleitet. Wäre aber dieses, so müßten alle Planetenbahnen nach einerley Gegend zu länglich seyn; die dem Mittelpunkte nähere Materie würde von dieser Zusammendrückung am wenigsten leiden, und also müßte die Bahn des Merkurs am wenigsten eccentrisch seyn; endlich müßte die Sonne im Mittelpunkte, nicht im Brennpunkte der Ellipsen stehen. Von dem allen aber findet gerade das Gegentheil statt. Descartes bringt die Bewegung der Wirbel mit der Umdrehung des im Mittel stehenden Körpers um seine Axe in Verbindung, ohne jedoch deutlich anzugeben, welche von beyden Bewegungen er sür die Ursache der andern halte. Gäbe es aber eine solche Verbindung, so müßten alle Umdrehungen und Umläufe im Sonnensystem parallel mit der Ebene des Sonnenäquators erfolgen, und der Mond müßte parallel mit dem Erdäquator umlaufen. Man weiß aber, daß die Ebenen der Umläufe und Umdrehungen im Sonnensystem ohne alle gegenseitige Beziehung auf einander gefunden werden. Ferner müßte die nächste Schicht am Centralkörper eine gleiche Geschwindigkeit mit der Umdrehung desselben haben, z. B. die nächste Schicht an der Sonne müßte in 27 1/2 Tagen umlaufen, welche Bestimmung sich in Vergleichung mit den Geschwindigkeiten und Abständen der Planeten weder auf die keplerischen Regeln, noch auf irgend ein anderes übereinstimmendes Gesetz bringen läßt, nach welchem sich die Geschwindigkeiten der verschiedenen Wirbelschichten richten sollten. Aus Keplers Regel, daß die vom Radius vector durchlaufenen Räume den Zeiten proportional sind, folgt im System der Wirbel der Satz, daß sich die Geschwindigkeiten der Schichten umgekehrt, wie ihre Abstände vom Mittelpunkte, verhalten. Aus der andern Regel aber, nach welcher die Quadratzahlen der Umlaufszeiten im Verhältnisse
Da die Bewegungen der Planeten elliptiſch ſind, ſo muͤſten auch die Schichten der Wirbel elliptiſche Geſtalten haben, deren Urſprung Descartes von der Zuſammendruͤckung durch die angrenzenden Wirbel herleitet. Waͤre aber dieſes, ſo muͤßten alle Planetenbahnen nach einerley Gegend zu laͤnglich ſeyn; die dem Mittelpunkte naͤhere Materie wuͤrde von dieſer Zuſammendruͤckung am wenigſten leiden, und alſo muͤßte die Bahn des Merkurs am wenigſten eccentriſch ſeyn; endlich muͤßte die Sonne im Mittelpunkte, nicht im Brennpunkte der Ellipſen ſtehen. Von dem allen aber findet gerade das Gegentheil ſtatt. Descartes bringt die Bewegung der Wirbel mit der Umdrehung des im Mittel ſtehenden Koͤrpers um ſeine Axe in Verbindung, ohne jedoch deutlich anzugeben, welche von beyden Bewegungen er ſuͤr die Urſache der andern halte. Gaͤbe es aber eine ſolche Verbindung, ſo muͤßten alle Umdrehungen und Umlaͤufe im Sonnenſyſtem parallel mit der Ebene des Sonnenaͤquators erfolgen, und der Mond muͤßte parallel mit dem Erdaͤquator umlaufen. Man weiß aber, daß die Ebenen der Umlaͤufe und Umdrehungen im Sonnenſyſtem ohne alle gegenſeitige Beziehung auf einander gefunden werden. Ferner muͤßte die naͤchſte Schicht am Centralkoͤrper eine gleiche Geſchwindigkeit mit der Umdrehung deſſelben haben, z. B. die naͤchſte Schicht an der Sonne muͤßte in 27 1/2 Tagen umlaufen, welche Beſtimmung ſich in Vergleichung mit den Geſchwindigkeiten und Abſtaͤnden der Planeten weder auf die kepleriſchen Regeln, noch auf irgend ein anderes uͤbereinſtimmendes Geſetz bringen laͤßt, nach welchem ſich die Geſchwindigkeiten der verſchiedenen Wirbelſchichten richten ſollten. Aus Keplers Regel, daß die vom Radius vector durchlaufenen Raͤume den Zeiten proportional ſind, folgt im Syſtem der Wirbel der Satz, daß ſich die Geſchwindigkeiten der Schichten umgekehrt, wie ihre Abſtaͤnde vom Mittelpunkte, verhalten. Aus der andern Regel aber, nach welcher die Quadratzahlen der Umlaufszeiten im Verhaͤltniſſe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0799" xml:id="P.4.789" n="789"/><lb/> erklaͤre oder wenigſtens ihnen nicht widerſpreche. Dieſes leiſtet aber das Syſtem der Wirbel gar nicht.</p> <p>Da die Bewegungen der Planeten elliptiſch ſind, ſo muͤſten auch die Schichten der Wirbel elliptiſche Geſtalten haben, deren Urſprung <hi rendition="#b">Descartes</hi> von der Zuſammendruͤckung durch die angrenzenden Wirbel herleitet. Waͤre aber dieſes, ſo muͤßten alle Planetenbahnen nach einerley Gegend zu laͤnglich ſeyn; die dem Mittelpunkte naͤhere Materie wuͤrde von dieſer Zuſammendruͤckung am wenigſten leiden, und alſo muͤßte die Bahn des Merkurs am wenigſten eccentriſch ſeyn; endlich muͤßte die Sonne im Mittelpunkte, nicht im Brennpunkte der Ellipſen ſtehen. Von dem allen aber findet gerade das Gegentheil ſtatt.</p> <p><hi rendition="#b">Descartes</hi> bringt die Bewegung der Wirbel mit der Umdrehung des im Mittel ſtehenden Koͤrpers um ſeine Axe in Verbindung, ohne jedoch deutlich anzugeben, welche von beyden Bewegungen er ſuͤr die Urſache der andern halte. Gaͤbe es aber eine ſolche Verbindung, ſo muͤßten alle Umdrehungen und Umlaͤufe im Sonnenſyſtem parallel mit der Ebene des Sonnenaͤquators erfolgen, und der Mond muͤßte parallel mit dem Erdaͤquator umlaufen. Man weiß aber, daß die Ebenen der Umlaͤufe und Umdrehungen im Sonnenſyſtem ohne alle gegenſeitige Beziehung auf einander gefunden werden. Ferner muͤßte die naͤchſte Schicht am Centralkoͤrper eine gleiche Geſchwindigkeit mit der Umdrehung deſſelben haben, z. B. die naͤchſte Schicht an der Sonne muͤßte in 27 1/2 Tagen umlaufen, welche Beſtimmung ſich in Vergleichung mit den Geſchwindigkeiten und Abſtaͤnden der Planeten weder auf die kepleriſchen Regeln, noch auf irgend ein anderes uͤbereinſtimmendes Geſetz bringen laͤßt, nach welchem ſich die Geſchwindigkeiten der verſchiedenen Wirbelſchichten richten ſollten.</p> <p>Aus Keplers Regel, daß die vom Radius vector durchlaufenen Raͤume den Zeiten proportional ſind, folgt im Syſtem der Wirbel der Satz, daß ſich die Geſchwindigkeiten der Schichten umgekehrt, wie ihre Abſtaͤnde vom Mittelpunkte, verhalten. Aus der andern Regel aber, nach welcher die Quadratzahlen der Umlaufszeiten im Verhaͤltniſſe<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [789/0799]
erklaͤre oder wenigſtens ihnen nicht widerſpreche. Dieſes leiſtet aber das Syſtem der Wirbel gar nicht.
Da die Bewegungen der Planeten elliptiſch ſind, ſo muͤſten auch die Schichten der Wirbel elliptiſche Geſtalten haben, deren Urſprung Descartes von der Zuſammendruͤckung durch die angrenzenden Wirbel herleitet. Waͤre aber dieſes, ſo muͤßten alle Planetenbahnen nach einerley Gegend zu laͤnglich ſeyn; die dem Mittelpunkte naͤhere Materie wuͤrde von dieſer Zuſammendruͤckung am wenigſten leiden, und alſo muͤßte die Bahn des Merkurs am wenigſten eccentriſch ſeyn; endlich muͤßte die Sonne im Mittelpunkte, nicht im Brennpunkte der Ellipſen ſtehen. Von dem allen aber findet gerade das Gegentheil ſtatt.
Descartes bringt die Bewegung der Wirbel mit der Umdrehung des im Mittel ſtehenden Koͤrpers um ſeine Axe in Verbindung, ohne jedoch deutlich anzugeben, welche von beyden Bewegungen er ſuͤr die Urſache der andern halte. Gaͤbe es aber eine ſolche Verbindung, ſo muͤßten alle Umdrehungen und Umlaͤufe im Sonnenſyſtem parallel mit der Ebene des Sonnenaͤquators erfolgen, und der Mond muͤßte parallel mit dem Erdaͤquator umlaufen. Man weiß aber, daß die Ebenen der Umlaͤufe und Umdrehungen im Sonnenſyſtem ohne alle gegenſeitige Beziehung auf einander gefunden werden. Ferner muͤßte die naͤchſte Schicht am Centralkoͤrper eine gleiche Geſchwindigkeit mit der Umdrehung deſſelben haben, z. B. die naͤchſte Schicht an der Sonne muͤßte in 27 1/2 Tagen umlaufen, welche Beſtimmung ſich in Vergleichung mit den Geſchwindigkeiten und Abſtaͤnden der Planeten weder auf die kepleriſchen Regeln, noch auf irgend ein anderes uͤbereinſtimmendes Geſetz bringen laͤßt, nach welchem ſich die Geſchwindigkeiten der verſchiedenen Wirbelſchichten richten ſollten.
Aus Keplers Regel, daß die vom Radius vector durchlaufenen Raͤume den Zeiten proportional ſind, folgt im Syſtem der Wirbel der Satz, daß ſich die Geſchwindigkeiten der Schichten umgekehrt, wie ihre Abſtaͤnde vom Mittelpunkte, verhalten. Aus der andern Regel aber, nach welcher die Quadratzahlen der Umlaufszeiten im Verhaͤltniſſe
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |