Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


der Copernikaner aus dem Verzeichnisse der verbotnen Bücher herausgenommen. Montucla sagt, um erwiesene geometrische und astronomische Wahrheiten wegen der buchstäblichen Schriftauslegung zu verdammen, müsse man den Wahlspruch haben: Beati pauperes spiritu, und nicht bedenken, was Kepler sagt, daß ein Hobel, den man ins Eisen treibt, dadurch selbst zum Holzschneiden untüchtig werde. Gründe für das copernikanische System.

In einer Sache dieser Art, wo man keine directen und mathematischen Demonstrationen, welche alle Gedenkbarkeit des Gegentheils ausschließen, verlangen kan, muß schon die schöne Simplicität dieser Weltordnung und aller Erklärungen in derselben, nebst der vollkommnen Harmonie, die sie in die ganze Sternkunde bringt, jedem unbefangenen Naturforscher soviel, als ein Beweis, gelten. Man hat aber auch nach den Zeiten des Copernikus Entdeckungen gemacht, welche gerade auf die Sache gehen, und in keiner andern, als in dieser Weltordnung, ungekünstelt und den bekannten Naturgesetzen gemäß erklärt werden können. Diese vollenden die Ueberzeugung. Wie sehr würde sich der unvergeßliche Urheber dieses Systems noch auf Erden gefreuet haben, wenn es der Vorsehung gefallen hätte, ihn hier die Zeit dieser Entdeckungen erleben zu lassen?

Für die Umdrehung der Erdkugel um ihre Axe spricht die äußerst hohe Simplicität, mit welcher sich hiedurch die tägliche Bewegung aller Gestirne aus der Umdrehung der einzigen Erde erklärt, da man sonst die Sterne in eine Sphäre einschließen, oder ihnen besondere Kräfte beylegen müßte, durch welche sie in Kreisen von verschiedener Größe um die Pole geführt würden. Hiebey wird es unbegreiflich, wie das unermeßliche Heer dieser Sonnen eine gemeinschaftliche, und gerade eine solche, Beziehung auf einen so unbedeutenden Punkt, als die Erde, haben könnte, und mit welcher Geschwindigkeit die Sterne im Aequator rollen müßten.


der Copernikaner aus dem Verzeichniſſe der verbotnen Buͤcher herausgenommen. Montucla ſagt, um erwieſene geometriſche und aſtronomiſche Wahrheiten wegen der buchſtaͤblichen Schriftauslegung zu verdammen, muͤſſe man den Wahlſpruch haben: Beati pauperes ſpiritu, und nicht bedenken, was Kepler ſagt, daß ein Hobel, den man ins Eiſen treibt, dadurch ſelbſt zum Holzſchneiden untuͤchtig werde. Gruͤnde fuͤr das copernikaniſche Syſtem.

In einer Sache dieſer Art, wo man keine directen und mathematiſchen Demonſtrationen, welche alle Gedenkbarkeit des Gegentheils ausſchließen, verlangen kan, muß ſchon die ſchoͤne Simplicitaͤt dieſer Weltordnung und aller Erklaͤrungen in derſelben, nebſt der vollkommnen Harmonie, die ſie in die ganze Sternkunde bringt, jedem unbefangenen Naturforſcher ſoviel, als ein Beweis, gelten. Man hat aber auch nach den Zeiten des Copernikus Entdeckungen gemacht, welche gerade auf die Sache gehen, und in keiner andern, als in dieſer Weltordnung, ungekuͤnſtelt und den bekannten Naturgeſetzen gemaͤß erklaͤrt werden koͤnnen. Dieſe vollenden die Ueberzeugung. Wie ſehr wuͤrde ſich der unvergeßliche Urheber dieſes Syſtems noch auf Erden gefreuet haben, wenn es der Vorſehung gefallen haͤtte, ihn hier die Zeit dieſer Entdeckungen erleben zu laſſen?

Fuͤr die Umdrehung der Erdkugel um ihre Axe ſpricht die aͤußerſt hohe Simplicitaͤt, mit welcher ſich hiedurch die taͤgliche Bewegung aller Geſtirne aus der Umdrehung der einzigen Erde erklaͤrt, da man ſonſt die Sterne in eine Sphaͤre einſchließen, oder ihnen beſondere Kraͤfte beylegen muͤßte, durch welche ſie in Kreiſen von verſchiedener Groͤße um die Pole gefuͤhrt wuͤrden. Hiebey wird es unbegreiflich, wie das unermeßliche Heer dieſer Sonnen eine gemeinſchaftliche, und gerade eine ſolche, Beziehung auf einen ſo unbedeutenden Punkt, als die Erde, haben koͤnnte, und mit welcher Geſchwindigkeit die Sterne im Aequator rollen muͤßten.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0741" xml:id="P.4.731" n="731"/><lb/>
der Copernikaner aus dem Verzeichni&#x017F;&#x017F;e der verbotnen Bu&#x0364;cher herausgenommen. <hi rendition="#b">Montucla</hi> &#x017F;agt, um erwie&#x017F;ene geometri&#x017F;che und a&#x017F;tronomi&#x017F;che Wahrheiten wegen der buch&#x017F;ta&#x0364;blichen Schriftauslegung zu verdammen, mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e man den Wahl&#x017F;pruch haben: <hi rendition="#aq">Beati pauperes &#x017F;piritu,</hi> und nicht bedenken, was <hi rendition="#b">Kepler</hi> &#x017F;agt, daß ein Hobel, den man ins Ei&#x017F;en treibt, dadurch &#x017F;elb&#x017F;t zum Holz&#x017F;chneiden untu&#x0364;chtig werde. <hi rendition="#c"><hi rendition="#b">Gru&#x0364;nde fu&#x0364;r das copernikani&#x017F;che Sy&#x017F;tem.</hi></hi></p>
            <p>In einer Sache die&#x017F;er Art, wo man keine directen und mathemati&#x017F;chen Demon&#x017F;trationen, welche alle Gedenkbarkeit des Gegentheils aus&#x017F;chließen, verlangen kan, muß &#x017F;chon die &#x017F;cho&#x0364;ne Simplicita&#x0364;t die&#x017F;er Weltordnung und aller Erkla&#x0364;rungen in der&#x017F;elben, neb&#x017F;t der vollkommnen Harmonie, die &#x017F;ie in die ganze Sternkunde bringt, jedem unbefangenen Naturfor&#x017F;cher &#x017F;oviel, als ein Beweis, gelten. Man hat aber auch nach den Zeiten des Copernikus Entdeckungen gemacht, welche gerade auf die Sache gehen, und in keiner andern, als in die&#x017F;er Weltordnung, ungeku&#x0364;n&#x017F;telt und den bekannten Naturge&#x017F;etzen gema&#x0364;ß erkla&#x0364;rt werden ko&#x0364;nnen. Die&#x017F;e vollenden die Ueberzeugung. Wie &#x017F;ehr wu&#x0364;rde &#x017F;ich der unvergeßliche Urheber die&#x017F;es Sy&#x017F;tems noch auf Erden gefreuet haben, wenn es der Vor&#x017F;ehung gefallen ha&#x0364;tte, ihn hier die Zeit die&#x017F;er Entdeckungen erleben zu la&#x017F;&#x017F;en?</p>
            <p>Fu&#x0364;r die Umdrehung der Erdkugel um ihre Axe &#x017F;pricht die a&#x0364;ußer&#x017F;t hohe <hi rendition="#b">Simplicita&#x0364;t,</hi> mit welcher &#x017F;ich hiedurch die ta&#x0364;gliche Bewegung <hi rendition="#b">aller</hi> Ge&#x017F;tirne aus der Umdrehung der <hi rendition="#b">einzigen</hi> Erde erkla&#x0364;rt, da man &#x017F;on&#x017F;t die Sterne in eine Spha&#x0364;re ein&#x017F;chließen, oder ihnen be&#x017F;ondere Kra&#x0364;fte beylegen mu&#x0364;ßte, durch welche &#x017F;ie in Krei&#x017F;en von ver&#x017F;chiedener Gro&#x0364;ße um die Pole gefu&#x0364;hrt wu&#x0364;rden. Hiebey wird es unbegreiflich, wie das unermeßliche Heer die&#x017F;er Sonnen eine gemein&#x017F;chaftliche, und gerade eine &#x017F;olche, Beziehung auf einen &#x017F;o unbedeutenden Punkt, als die Erde, haben ko&#x0364;nnte, und mit welcher Ge&#x017F;chwindigkeit die Sterne im Aequator rollen mu&#x0364;ßten.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[731/0741] der Copernikaner aus dem Verzeichniſſe der verbotnen Buͤcher herausgenommen. Montucla ſagt, um erwieſene geometriſche und aſtronomiſche Wahrheiten wegen der buchſtaͤblichen Schriftauslegung zu verdammen, muͤſſe man den Wahlſpruch haben: Beati pauperes ſpiritu, und nicht bedenken, was Kepler ſagt, daß ein Hobel, den man ins Eiſen treibt, dadurch ſelbſt zum Holzſchneiden untuͤchtig werde. Gruͤnde fuͤr das copernikaniſche Syſtem. In einer Sache dieſer Art, wo man keine directen und mathematiſchen Demonſtrationen, welche alle Gedenkbarkeit des Gegentheils ausſchließen, verlangen kan, muß ſchon die ſchoͤne Simplicitaͤt dieſer Weltordnung und aller Erklaͤrungen in derſelben, nebſt der vollkommnen Harmonie, die ſie in die ganze Sternkunde bringt, jedem unbefangenen Naturforſcher ſoviel, als ein Beweis, gelten. Man hat aber auch nach den Zeiten des Copernikus Entdeckungen gemacht, welche gerade auf die Sache gehen, und in keiner andern, als in dieſer Weltordnung, ungekuͤnſtelt und den bekannten Naturgeſetzen gemaͤß erklaͤrt werden koͤnnen. Dieſe vollenden die Ueberzeugung. Wie ſehr wuͤrde ſich der unvergeßliche Urheber dieſes Syſtems noch auf Erden gefreuet haben, wenn es der Vorſehung gefallen haͤtte, ihn hier die Zeit dieſer Entdeckungen erleben zu laſſen? Fuͤr die Umdrehung der Erdkugel um ihre Axe ſpricht die aͤußerſt hohe Simplicitaͤt, mit welcher ſich hiedurch die taͤgliche Bewegung aller Geſtirne aus der Umdrehung der einzigen Erde erklaͤrt, da man ſonſt die Sterne in eine Sphaͤre einſchließen, oder ihnen beſondere Kraͤfte beylegen muͤßte, durch welche ſie in Kreiſen von verſchiedener Groͤße um die Pole gefuͤhrt wuͤrden. Hiebey wird es unbegreiflich, wie das unermeßliche Heer dieſer Sonnen eine gemeinſchaftliche, und gerade eine ſolche, Beziehung auf einen ſo unbedeutenden Punkt, als die Erde, haben koͤnnte, und mit welcher Geſchwindigkeit die Sterne im Aequator rollen muͤßten.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/741
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 731. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/741>, abgerufen am 22.11.2024.