verwandlen, deren horizontale Seiten gleich, die vertikalen im Verhältnisse der vorigen Zahlen wären. Es läßt sich zeigen, daß diese Diagonalen in ganz andern Verhältnissen stehen, und wenn die Umorehung schnell wäre, fast gleich seyn müßten. Daher müßte des fallenden Körpers absolute Bewegung fast gleichförmig seyn, und er müßte eine horizontale Fläche mit gleicher Kraft stoßen, ohne Unterschied, ob er von einer großen oder geringen Höhe herabgefallen wäre. Riccioli nennt dies eine mathematisch evidente Widerlegung. Allein er hat vergessen, daß die Kraft des Stoßes zugleich vom Winkel abhängt, und deswegen die Diagonalen wieder in die beyden Seiten zerlegt werden müssen, von welchen nur die verticalen allein die Wirkung des Stoßes ausdrücken. Diese vertikalen Seiten aber sind die Fallräume, welche wie 1, 3, 5, 7 wachsen. Die horizontalen Seiten fallen ganz hinweg, weil der Fortgang durch die Eroumdrehung dem fallenden Körper mit dem Boden gemeinschaftlich ist. Mithin ist dieses ganze Argument blos eine neue Einkleidung der auf die Fortschiebung des Bodens gegründeten Zweifel.
Die Zeugnisse der heiligen Schrift, welche Tycho und Riccioli so ernsthaft entgegenstellen, stehen Josua 10, 13; Psalm 92, 1; Psalm 103, 5; Pred. Salomo 1, 5; Jesaia 34, 8; Richter 5, 20; drittes Buch Esra 4, 38. Man erkennt leicht darinn theils die Sprache des gemeinen Lebens, theils den dichterischen Ausdruck der Sänger und Propheten. Es ist ein seltsamer Eifer, auf ihrem buchstäblichen Verstande zu bestehen. Nach solchen Regeln der Auslegung müßte man auch Pfeiler des Himmels und eine zeltähnliche Ausspannung desselben annehmen. Selbst Newton würde, wie Josua, sagen: Sonne (nicht Erde) stehe still, welcher ganze Ausdruck überhaupt nur den lebhaften Wunsch bezeichnen soll, die Dauer der Schlacht zu verlängern. Inzwischen war dies gerade der Standpunkt, aus welchem auch Unwissende gegen die Copernikaner fechten, und sicher seyn konnten, Eindruck auf die Menge zu machen. Jetzt ist wohl die Zeit dieser Verblendung größtentheils vorüber. Selbst zu Rom hat man die Schriften
verwandlen, deren horizontale Seiten gleich, die vertikalen im Verhaͤltniſſe der vorigen Zahlen waͤren. Es laͤßt ſich zeigen, daß dieſe Diagonalen in ganz andern Verhaͤltniſſen ſtehen, und wenn die Umorehung ſchnell waͤre, faſt gleich ſeyn muͤßten. Daher muͤßte des fallenden Koͤrpers abſolute Bewegung faſt gleichfoͤrmig ſeyn, und er muͤßte eine horizontale Flaͤche mit gleicher Kraft ſtoßen, ohne Unterſchied, ob er von einer großen oder geringen Hoͤhe herabgefallen waͤre. Riccioli nennt dies eine mathematiſch evidente Widerlegung. Allein er hat vergeſſen, daß die Kraft des Stoßes zugleich vom Winkel abhaͤngt, und deswegen die Diagonalen wieder in die beyden Seiten zerlegt werden muͤſſen, von welchen nur die verticalen allein die Wirkung des Stoßes ausdruͤcken. Dieſe vertikalen Seiten aber ſind die Fallraͤume, welche wie 1, 3, 5, 7 wachſen. Die horizontalen Seiten fallen ganz hinweg, weil der Fortgang durch die Eroumdrehung dem fallenden Koͤrper mit dem Boden gemeinſchaftlich iſt. Mithin iſt dieſes ganze Argument blos eine neue Einkleidung der auf die Fortſchiebung des Bodens gegruͤndeten Zweifel.
Die Zeugniſſe der heiligen Schrift, welche Tycho und Riccioli ſo ernſthaft entgegenſtellen, ſtehen Joſua 10, 13; Pſalm 92, 1; Pſalm 103, 5; Pred. Salomo 1, 5; Jeſaia 34, 8; Richter 5, 20; drittes Buch Eſra 4, 38. Man erkennt leicht darinn theils die Sprache des gemeinen Lebens, theils den dichteriſchen Ausdruck der Saͤnger und Propheten. Es iſt ein ſeltſamer Eifer, auf ihrem buchſtaͤblichen Verſtande zu beſtehen. Nach ſolchen Regeln der Auslegung muͤßte man auch Pfeiler des Himmels und eine zeltaͤhnliche Ausſpannung deſſelben annehmen. Selbſt Newton wuͤrde, wie Joſua, ſagen: Sonne (nicht Erde) ſtehe ſtill, welcher ganze Ausdruck uͤberhaupt nur den lebhaften Wunſch bezeichnen ſoll, die Dauer der Schlacht zu verlaͤngern. Inzwiſchen war dies gerade der Standpunkt, aus welchem auch Unwiſſende gegen die Copernikaner fechten, und ſicher ſeyn konnten, Eindruck auf die Menge zu machen. Jetzt iſt wohl die Zeit dieſer Verblendung groͤßtentheils voruͤber. Selbſt zu Rom hat man die Schriften
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0740"xml:id="P.4.730"n="730"/><lb/>
verwandlen, deren horizontale Seiten gleich, die vertikalen im Verhaͤltniſſe der vorigen Zahlen waͤren. Es laͤßt ſich zeigen, daß dieſe Diagonalen in ganz andern Verhaͤltniſſen ſtehen, und wenn die Umorehung ſchnell waͤre, faſt gleich ſeyn muͤßten. Daher muͤßte des fallenden Koͤrpers abſolute Bewegung faſt gleichfoͤrmig ſeyn, und er muͤßte eine horizontale Flaͤche mit gleicher Kraft ſtoßen, ohne Unterſchied, ob er von einer großen oder geringen Hoͤhe herabgefallen waͤre. <hirendition="#b">Riccioli</hi> nennt dies eine mathematiſch evidente Widerlegung. Allein er hat vergeſſen, daß die Kraft des Stoßes zugleich vom Winkel abhaͤngt, und deswegen die Diagonalen wieder in die beyden Seiten zerlegt werden muͤſſen, von welchen nur die verticalen allein die Wirkung des Stoßes ausdruͤcken. Dieſe vertikalen Seiten aber ſind die Fallraͤume, welche wie 1, 3, 5, 7 wachſen. Die horizontalen Seiten fallen ganz hinweg, weil der Fortgang durch die Eroumdrehung dem fallenden Koͤrper mit dem Boden gemeinſchaftlich iſt. Mithin iſt dieſes ganze Argument blos eine neue Einkleidung der auf die Fortſchiebung des Bodens gegruͤndeten Zweifel.</p><p>Die Zeugniſſe der heiligen Schrift, welche <hirendition="#b">Tycho</hi> und <hirendition="#b">Riccioli</hi>ſo ernſthaft entgegenſtellen, ſtehen Joſua 10, 13; Pſalm 92, 1; Pſalm 103, 5; Pred. Salomo 1, 5; Jeſaia 34, 8; Richter 5, 20; drittes Buch Eſra 4, 38. Man erkennt leicht darinn theils die Sprache des gemeinen Lebens, theils den dichteriſchen Ausdruck der Saͤnger und Propheten. Es iſt ein ſeltſamer Eifer, auf ihrem buchſtaͤblichen Verſtande zu beſtehen. Nach ſolchen Regeln der Auslegung muͤßte man auch Pfeiler des Himmels und eine zeltaͤhnliche Ausſpannung deſſelben annehmen. Selbſt Newton wuͤrde, wie Joſua, ſagen: Sonne (nicht Erde) ſtehe ſtill, welcher ganze Ausdruck uͤberhaupt nur den lebhaften Wunſch bezeichnen ſoll, die Dauer der Schlacht zu verlaͤngern. Inzwiſchen war dies gerade der Standpunkt, aus welchem auch Unwiſſende gegen die Copernikaner fechten, und ſicher ſeyn konnten, Eindruck auf die Menge zu machen. Jetzt iſt wohl die Zeit dieſer Verblendung groͤßtentheils voruͤber. Selbſt zu Rom hat man die Schriften<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[730/0740]
verwandlen, deren horizontale Seiten gleich, die vertikalen im Verhaͤltniſſe der vorigen Zahlen waͤren. Es laͤßt ſich zeigen, daß dieſe Diagonalen in ganz andern Verhaͤltniſſen ſtehen, und wenn die Umorehung ſchnell waͤre, faſt gleich ſeyn muͤßten. Daher muͤßte des fallenden Koͤrpers abſolute Bewegung faſt gleichfoͤrmig ſeyn, und er muͤßte eine horizontale Flaͤche mit gleicher Kraft ſtoßen, ohne Unterſchied, ob er von einer großen oder geringen Hoͤhe herabgefallen waͤre. Riccioli nennt dies eine mathematiſch evidente Widerlegung. Allein er hat vergeſſen, daß die Kraft des Stoßes zugleich vom Winkel abhaͤngt, und deswegen die Diagonalen wieder in die beyden Seiten zerlegt werden muͤſſen, von welchen nur die verticalen allein die Wirkung des Stoßes ausdruͤcken. Dieſe vertikalen Seiten aber ſind die Fallraͤume, welche wie 1, 3, 5, 7 wachſen. Die horizontalen Seiten fallen ganz hinweg, weil der Fortgang durch die Eroumdrehung dem fallenden Koͤrper mit dem Boden gemeinſchaftlich iſt. Mithin iſt dieſes ganze Argument blos eine neue Einkleidung der auf die Fortſchiebung des Bodens gegruͤndeten Zweifel.
Die Zeugniſſe der heiligen Schrift, welche Tycho und Riccioli ſo ernſthaft entgegenſtellen, ſtehen Joſua 10, 13; Pſalm 92, 1; Pſalm 103, 5; Pred. Salomo 1, 5; Jeſaia 34, 8; Richter 5, 20; drittes Buch Eſra 4, 38. Man erkennt leicht darinn theils die Sprache des gemeinen Lebens, theils den dichteriſchen Ausdruck der Saͤnger und Propheten. Es iſt ein ſeltſamer Eifer, auf ihrem buchſtaͤblichen Verſtande zu beſtehen. Nach ſolchen Regeln der Auslegung muͤßte man auch Pfeiler des Himmels und eine zeltaͤhnliche Ausſpannung deſſelben annehmen. Selbſt Newton wuͤrde, wie Joſua, ſagen: Sonne (nicht Erde) ſtehe ſtill, welcher ganze Ausdruck uͤberhaupt nur den lebhaften Wunſch bezeichnen ſoll, die Dauer der Schlacht zu verlaͤngern. Inzwiſchen war dies gerade der Standpunkt, aus welchem auch Unwiſſende gegen die Copernikaner fechten, und ſicher ſeyn konnten, Eindruck auf die Menge zu machen. Jetzt iſt wohl die Zeit dieſer Verblendung groͤßtentheils voruͤber. Selbſt zu Rom hat man die Schriften
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2015-09-02T12:13:09Z)
Weitere Informationen:
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe;
i/j in Fraktur: wie Vorlage;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): wie Vorlage;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: aufgelöst;
u/v bzw. U/V: wie Vorlage;
Vokale mit übergest. e: wie Vorlage;
Vollständigkeit: keine Angabe;
Zeichensetzung: keine Angabe;
Zeilenumbrüche markiert: nein;
Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/740>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.