Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Schon unter den Alten sollen einige nicht blos Merkur und Venus, sondern auch alle übrigen Planeten, um die Sonne geführt haben, wohin das gehört, was (Almagest. XII. 1.) vom Apollonius von Perga angeführt wird, er habe die Stillstände und Rückgänge aus einem Umlaufe des Mittelpunkts der Hauptbahn erklärt. Denn eine solche Erklärung nöthigt unvermeidlich, den Mittelpunkt der Bahnen in die Sonne zu setzen. Inzwischen hat Tycho die Idee des Umlaufs um die Sonne nicht von den Alten, sondern vom Copernikus selbst angenommen, den er nie anders, als mit Hochachtung, nennt. In einem andern Werke (Astronomiae instauratae Progymnasmata. Vranib. et Prag. 1602. 4. p. 661.) räumt er ein, daß sich der Lauf der Planeten aus der bloßen Bewegung der Erde weit leichter und kürzer, als aus den Epicykeln des Ptolemäus erklären lasse, daß Copernikus viele Thorheiten und widersprechende Sätze der Alten verbessert habe, und daß sein System weit genauer mit dem Himmel übereinstimme. Nur, setzt er hinzu, bleibe das Zeugniß der heiligen Schrift ein unüberwindliches Hinderniß gegen diese Weltordnung; und eben dies ist auch der vornehmste Grund, mit welchem er dieselbe in seinen Briefen an Rothmann bestreitet. Nimmt man aber aus der copernikanischen Ordnung blos die Bewegung der Erde hinweg, so ist das, was übrig bleibt, ganz genau das System des Tycho. Dennoch wollte dieser große Astronom den Schein nicht haben, als ob seine Hypothese eine bloße Abänderung der copernikanischen sey. Er erzählt vielmehr, seine genauen
Schon unter den Alten ſollen einige nicht blos Merkur und Venus, ſondern auch alle uͤbrigen Planeten, um die Sonne gefuͤhrt haben, wohin das gehoͤrt, was (Almageſt. XII. 1.) vom Apollonius von Perga angefuͤhrt wird, er habe die Stillſtaͤnde und Ruͤckgaͤnge aus einem Umlaufe des Mittelpunkts der Hauptbahn erklaͤrt. Denn eine ſolche Erklaͤrung noͤthigt unvermeidlich, den Mittelpunkt der Bahnen in die Sonne zu ſetzen. Inzwiſchen hat Tycho die Idee des Umlaufs um die Sonne nicht von den Alten, ſondern vom Copernikus ſelbſt angenommen, den er nie anders, als mit Hochachtung, nennt. In einem andern Werke (Aſtronomiae inſtauratae Progymnaſmata. Vranib. et Prag. 1602. 4. p. 661.) raͤumt er ein, daß ſich der Lauf der Planeten aus der bloßen Bewegung der Erde weit leichter und kuͤrzer, als aus den Epicykeln des Ptolemaͤus erklaͤren laſſe, daß Copernikus viele Thorheiten und widerſprechende Saͤtze der Alten verbeſſert habe, und daß ſein Syſtem weit genauer mit dem Himmel uͤbereinſtimme. Nur, ſetzt er hinzu, bleibe das Zeugniß der heiligen Schrift ein unuͤberwindliches Hinderniß gegen dieſe Weltordnung; und eben dies iſt auch der vornehmſte Grund, mit welchem er dieſelbe in ſeinen Briefen an Rothmann beſtreitet. Nimmt man aber aus der copernikaniſchen Ordnung blos die Bewegung der Erde hinweg, ſo iſt das, was uͤbrig bleibt, ganz genau das Syſtem des Tycho. Dennoch wollte dieſer große Aſtronom den Schein nicht haben, als ob ſeine Hypotheſe eine bloße Abaͤnderung der copernikaniſchen ſey. Er erzaͤhlt vielmehr, ſeine genauen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0724" xml:id="P.4.714" n="714"/><lb/> Sonnenbahn, ſo daß ſie ſich von der Sonne nie weiter, als um die ſcheinbare Groͤße dieſer Halbmeſſer entfernen, und zwiſchen ihr und der Erde hindurchgehen koͤnnen: der Halbmeſſer der Marsbahn iſt groͤßer, als der Halbmeſſer, aber kleiner, als der Durchmeſſer der Sonnenbahn, ſo daß zwar Mars nie zwiſchen Sonne und Erde koͤmmt, doch aber in den Oppoſitionen der Erde weit naͤher, als die Sonne, ſteht; die Bahnen des Jupiters und Saturns endlich fallen weit uͤber den ganzen Durchmeſſer der Sonnenbahn hinaus.</p> <p>Schon unter den Alten ſollen einige nicht blos Merkur und Venus, ſondern auch alle uͤbrigen Planeten, um die Sonne gefuͤhrt haben, wohin das gehoͤrt, was (<hi rendition="#aq">Almageſt. XII. 1.</hi>) vom <hi rendition="#b">Apollonius</hi> von Perga angefuͤhrt wird, er habe die Stillſtaͤnde und Ruͤckgaͤnge aus einem Umlaufe des Mittelpunkts der Hauptbahn erklaͤrt. Denn eine ſolche Erklaͤrung noͤthigt unvermeidlich, den Mittelpunkt der Bahnen in die Sonne zu ſetzen. Inzwiſchen hat <hi rendition="#b">Tycho</hi> die Idee des Umlaufs um die Sonne nicht von den Alten, ſondern vom <hi rendition="#b">Copernikus</hi> ſelbſt angenommen, den er nie anders, als mit Hochachtung, nennt. In einem andern Werke (<hi rendition="#aq">Aſtronomiae inſtauratae Progymnaſmata. Vranib. et Prag. 1602. 4. p. 661.</hi>) raͤumt er ein, daß ſich der Lauf der Planeten aus der bloßen Bewegung der Erde weit leichter und kuͤrzer, als aus den Epicykeln des Ptolemaͤus erklaͤren laſſe, daß Copernikus viele Thorheiten und widerſprechende Saͤtze der Alten verbeſſert habe, und daß ſein Syſtem weit genauer mit dem Himmel uͤbereinſtimme. Nur, ſetzt er hinzu, bleibe das Zeugniß der heiligen Schrift ein unuͤberwindliches Hinderniß gegen dieſe Weltordnung; und eben dies iſt auch der vornehmſte Grund, mit welchem er dieſelbe in ſeinen Briefen an <hi rendition="#b">Rothmann</hi> beſtreitet. Nimmt man aber aus der copernikaniſchen Ordnung blos die Bewegung der Erde hinweg, ſo iſt das, was uͤbrig bleibt, ganz genau das Syſtem des Tycho.</p> <p>Dennoch wollte dieſer große Aſtronom den Schein nicht haben, als ob ſeine Hypotheſe eine bloße Abaͤnderung der copernikaniſchen ſey. Er erzaͤhlt vielmehr, ſeine genauen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [714/0724]
Sonnenbahn, ſo daß ſie ſich von der Sonne nie weiter, als um die ſcheinbare Groͤße dieſer Halbmeſſer entfernen, und zwiſchen ihr und der Erde hindurchgehen koͤnnen: der Halbmeſſer der Marsbahn iſt groͤßer, als der Halbmeſſer, aber kleiner, als der Durchmeſſer der Sonnenbahn, ſo daß zwar Mars nie zwiſchen Sonne und Erde koͤmmt, doch aber in den Oppoſitionen der Erde weit naͤher, als die Sonne, ſteht; die Bahnen des Jupiters und Saturns endlich fallen weit uͤber den ganzen Durchmeſſer der Sonnenbahn hinaus.
Schon unter den Alten ſollen einige nicht blos Merkur und Venus, ſondern auch alle uͤbrigen Planeten, um die Sonne gefuͤhrt haben, wohin das gehoͤrt, was (Almageſt. XII. 1.) vom Apollonius von Perga angefuͤhrt wird, er habe die Stillſtaͤnde und Ruͤckgaͤnge aus einem Umlaufe des Mittelpunkts der Hauptbahn erklaͤrt. Denn eine ſolche Erklaͤrung noͤthigt unvermeidlich, den Mittelpunkt der Bahnen in die Sonne zu ſetzen. Inzwiſchen hat Tycho die Idee des Umlaufs um die Sonne nicht von den Alten, ſondern vom Copernikus ſelbſt angenommen, den er nie anders, als mit Hochachtung, nennt. In einem andern Werke (Aſtronomiae inſtauratae Progymnaſmata. Vranib. et Prag. 1602. 4. p. 661.) raͤumt er ein, daß ſich der Lauf der Planeten aus der bloßen Bewegung der Erde weit leichter und kuͤrzer, als aus den Epicykeln des Ptolemaͤus erklaͤren laſſe, daß Copernikus viele Thorheiten und widerſprechende Saͤtze der Alten verbeſſert habe, und daß ſein Syſtem weit genauer mit dem Himmel uͤbereinſtimme. Nur, ſetzt er hinzu, bleibe das Zeugniß der heiligen Schrift ein unuͤberwindliches Hinderniß gegen dieſe Weltordnung; und eben dies iſt auch der vornehmſte Grund, mit welchem er dieſelbe in ſeinen Briefen an Rothmann beſtreitet. Nimmt man aber aus der copernikaniſchen Ordnung blos die Bewegung der Erde hinweg, ſo iſt das, was uͤbrig bleibt, ganz genau das Syſtem des Tycho.
Dennoch wollte dieſer große Aſtronom den Schein nicht haben, als ob ſeine Hypotheſe eine bloße Abaͤnderung der copernikaniſchen ſey. Er erzaͤhlt vielmehr, ſeine genauen
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