Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Weltaxe, Axis mundi, Axe du monde.

Die gerade Linie von einem Weltpole zum andern, welche bey der scheibaren täglichen Umdrehung des Himmels unbewegt bleibt. Sie scheint jedem Zuschauer, der sich im Mittelpunkte der Kugel glaubt, durch sein Auge zu gehen; denkt man sich aber, wie gehörig, die Erde unendlich klein, oder als einen Punkt in die Mitte gestellt, so trift diese Axe den Mittelpunkt der Erde, und ist nun nichts anders, als die bis an die Grenzen der scheinbaren Himmelskugel verlängerte Erdaxe. Blos wegen der Kleinheit der Erde können alle mit ihr parallel laufende Linien auf der ganzen Erdfläche, z. B. die Zeiger der Sonnenuhren, als Stücken der Weltaxe selbst angesehen werden. Sie ist die Axe des Aequators, und der mit ihm parallel laufenden Tagkreise, Wendekreise, Polarkreise; und ihr Winkel mit dem Horizonte des Orts wird durch die Polhöhe des Orts gemessen.

Weltgebäude, Weltbau, Weltall, Universum

Mundus universus, Systema mundi s. cosmicum, Fabrica mundi, Monde, l' Univers. Der Inbegrif aller Weltkörper, in ihrer Ordnung und Verbindung unter einander betrachtet. Obgleich alles, was sich hievon sagen läßt, nur Muthmaßung ist, so haben wir doch von einem Theile des Weltbaues, zu dem unsere Erde selbst mit gehört, nemlich von unserm Sonnensystem, ziemlich zuverläßige Kenntnisse; denn die Muthmaßungen hierüber sind bis zu dem äußersten Grade der Wahrscheinlichkeit erhoben worden, welcher in Sachen dieser Art der Gewißheit selbst völlig gleich zu setzen ist, s. Weltsystem. In diesem bekanntern Theile des Weltbaues hat die Sonne den vornehmsten Platz, und um sie läuft eine ziemliche Anzahl dunkler Körper, welche von ihr Licht und Wärme empfangen, und dadurch zu Wohnplätzen empfindender Wesen geschickt werden. Verbindet man hiemit den Gedanken, daß jeder Fixstern eine Sonne, mithin zu ähnlichen Wirkungen geschickt ist, s. Fixsterne (Th. II. S. 267.), so dringt sich fast unwiderstehlich die Vermuthung auf, jede dieser unzählbaren Sonnen sey von Planeten umgeben, und


Weltaxe, Axis mundi, Axe du monde.

Die gerade Linie von einem Weltpole zum andern, welche bey der ſcheibaren taͤglichen Umdrehung des Himmels unbewegt bleibt. Sie ſcheint jedem Zuſchauer, der ſich im Mittelpunkte der Kugel glaubt, durch ſein Auge zu gehen; denkt man ſich aber, wie gehoͤrig, die Erde unendlich klein, oder als einen Punkt in die Mitte geſtellt, ſo trift dieſe Axe den Mittelpunkt der Erde, und iſt nun nichts anders, als die bis an die Grenzen der ſcheinbaren Himmelskugel verlaͤngerte Erdaxe. Blos wegen der Kleinheit der Erde koͤnnen alle mit ihr parallel laufende Linien auf der ganzen Erdflaͤche, z. B. die Zeiger der Sonnenuhren, als Stuͤcken der Weltaxe ſelbſt angeſehen werden. Sie iſt die Axe des Aequators, und der mit ihm parallel laufenden Tagkreiſe, Wendekreiſe, Polarkreiſe; und ihr Winkel mit dem Horizonte des Orts wird durch die Polhoͤhe des Orts gemeſſen.

Weltgebaͤude, Weltbau, Weltall, Univerſum

Mundus univerſus, Syſtema mundi ſ. coſmicum, Fabrica mundi, Monde, l' Univers. Der Inbegrif aller Weltkoͤrper, in ihrer Ordnung und Verbindung unter einander betrachtet. Obgleich alles, was ſich hievon ſagen laͤßt, nur Muthmaßung iſt, ſo haben wir doch von einem Theile des Weltbaues, zu dem unſere Erde ſelbſt mit gehoͤrt, nemlich von unſerm Sonnenſyſtem, ziemlich zuverlaͤßige Kenntniſſe; denn die Muthmaßungen hieruͤber ſind bis zu dem aͤußerſten Grade der Wahrſcheinlichkeit erhoben worden, welcher in Sachen dieſer Art der Gewißheit ſelbſt voͤllig gleich zu ſetzen iſt, ſ. Weltſyſtem. In dieſem bekanntern Theile des Weltbaues hat die Sonne den vornehmſten Platz, und um ſie laͤuft eine ziemliche Anzahl dunkler Koͤrper, welche von ihr Licht und Waͤrme empfangen, und dadurch zu Wohnplaͤtzen empfindender Weſen geſchickt werden. Verbindet man hiemit den Gedanken, daß jeder Fixſtern eine Sonne, mithin zu aͤhnlichen Wirkungen geſchickt iſt, ſ. Fixſterne (Th. II. S. 267.), ſo dringt ſich faſt unwiderſtehlich die Vermuthung auf, jede dieſer unzaͤhlbaren Sonnen ſey von Planeten umgeben, und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0698" xml:id="P.4.688" n="688"/><lb/>
            </p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>Weltaxe, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="lat"><hi rendition="#aq">Axis mundi</hi></foreign></name>, <name type="subjectIndexTerm"><foreign xml:lang="fra"><hi rendition="#aq #i">Axe du monde</hi></foreign></name>.</head><lb/>
            <p>Die gerade Linie von einem Weltpole zum andern, welche bey der &#x017F;cheibaren ta&#x0364;glichen Umdrehung des Himmels unbewegt bleibt. Sie &#x017F;cheint jedem Zu&#x017F;chauer, der &#x017F;ich im Mittelpunkte der Kugel glaubt, durch &#x017F;ein Auge zu gehen; denkt man &#x017F;ich aber, wie geho&#x0364;rig, die Erde unendlich klein, oder als einen Punkt in die Mitte ge&#x017F;tellt, &#x017F;o trift die&#x017F;e Axe den Mittelpunkt der Erde, und i&#x017F;t nun nichts anders, als die bis an die Grenzen der &#x017F;cheinbaren Himmelskugel verla&#x0364;ngerte Erdaxe. Blos wegen der Kleinheit der Erde ko&#x0364;nnen alle mit ihr parallel laufende Linien auf der ganzen Erdfla&#x0364;che, z. B. die Zeiger der Sonnenuhren, als Stu&#x0364;cken der Weltaxe &#x017F;elb&#x017F;t ange&#x017F;ehen werden. Sie i&#x017F;t die Axe des Aequators, und der mit ihm parallel laufenden Tagkrei&#x017F;e, Wendekrei&#x017F;e, Polarkrei&#x017F;e; und ihr Winkel mit dem Horizonte des Orts wird durch die Polho&#x0364;he des Orts geme&#x017F;&#x017F;en.</p>
          </div>
          <div n="3">
            <head>Weltgeba&#x0364;ude, Weltbau, Weltall, Univer&#x017F;um</head><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">Mundus univer&#x017F;us, Sy&#x017F;tema mundi &#x017F;. co&#x017F;micum, Fabrica mundi, <hi rendition="#i">Monde, l' Univers.</hi></hi> Der Inbegrif <hi rendition="#b">aller</hi> Weltko&#x0364;rper, in ihrer Ordnung und Verbindung unter einander betrachtet. Obgleich alles, was &#x017F;ich hievon &#x017F;agen la&#x0364;ßt, nur Muthmaßung i&#x017F;t, &#x017F;o haben wir doch von einem Theile des Weltbaues, zu dem un&#x017F;ere Erde &#x017F;elb&#x017F;t mit geho&#x0364;rt, nemlich von <hi rendition="#b">un&#x017F;erm Sonnen&#x017F;y&#x017F;tem,</hi> ziemlich zuverla&#x0364;ßige Kenntni&#x017F;&#x017F;e; denn die Muthmaßungen hieru&#x0364;ber &#x017F;ind bis zu dem a&#x0364;ußer&#x017F;ten Grade der Wahr&#x017F;cheinlichkeit erhoben worden, welcher in Sachen die&#x017F;er Art der Gewißheit &#x017F;elb&#x017F;t vo&#x0364;llig gleich zu &#x017F;etzen i&#x017F;t, <hi rendition="#b">&#x017F;. Welt&#x017F;y&#x017F;tem.</hi> In die&#x017F;em bekanntern Theile des Weltbaues hat die Sonne den vornehm&#x017F;ten Platz, und um &#x017F;ie la&#x0364;uft eine ziemliche Anzahl dunkler Ko&#x0364;rper, welche von ihr Licht und Wa&#x0364;rme empfangen, und dadurch zu Wohnpla&#x0364;tzen empfindender We&#x017F;en ge&#x017F;chickt werden. Verbindet man hiemit den Gedanken, daß jeder Fix&#x017F;tern eine Sonne, mithin zu a&#x0364;hnlichen Wirkungen ge&#x017F;chickt i&#x017F;t, <hi rendition="#b">&#x017F;. Fix&#x017F;terne</hi> (Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 267.), &#x017F;o dringt &#x017F;ich fa&#x017F;t unwider&#x017F;tehlich die Vermuthung auf, jede die&#x017F;er unza&#x0364;hlbaren Sonnen &#x017F;ey von Planeten umgeben, und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[688/0698] Weltaxe, Axis mundi, Axe du monde. Die gerade Linie von einem Weltpole zum andern, welche bey der ſcheibaren taͤglichen Umdrehung des Himmels unbewegt bleibt. Sie ſcheint jedem Zuſchauer, der ſich im Mittelpunkte der Kugel glaubt, durch ſein Auge zu gehen; denkt man ſich aber, wie gehoͤrig, die Erde unendlich klein, oder als einen Punkt in die Mitte geſtellt, ſo trift dieſe Axe den Mittelpunkt der Erde, und iſt nun nichts anders, als die bis an die Grenzen der ſcheinbaren Himmelskugel verlaͤngerte Erdaxe. Blos wegen der Kleinheit der Erde koͤnnen alle mit ihr parallel laufende Linien auf der ganzen Erdflaͤche, z. B. die Zeiger der Sonnenuhren, als Stuͤcken der Weltaxe ſelbſt angeſehen werden. Sie iſt die Axe des Aequators, und der mit ihm parallel laufenden Tagkreiſe, Wendekreiſe, Polarkreiſe; und ihr Winkel mit dem Horizonte des Orts wird durch die Polhoͤhe des Orts gemeſſen. Weltgebaͤude, Weltbau, Weltall, Univerſum Mundus univerſus, Syſtema mundi ſ. coſmicum, Fabrica mundi, Monde, l' Univers. Der Inbegrif aller Weltkoͤrper, in ihrer Ordnung und Verbindung unter einander betrachtet. Obgleich alles, was ſich hievon ſagen laͤßt, nur Muthmaßung iſt, ſo haben wir doch von einem Theile des Weltbaues, zu dem unſere Erde ſelbſt mit gehoͤrt, nemlich von unſerm Sonnenſyſtem, ziemlich zuverlaͤßige Kenntniſſe; denn die Muthmaßungen hieruͤber ſind bis zu dem aͤußerſten Grade der Wahrſcheinlichkeit erhoben worden, welcher in Sachen dieſer Art der Gewißheit ſelbſt voͤllig gleich zu ſetzen iſt, ſ. Weltſyſtem. In dieſem bekanntern Theile des Weltbaues hat die Sonne den vornehmſten Platz, und um ſie laͤuft eine ziemliche Anzahl dunkler Koͤrper, welche von ihr Licht und Waͤrme empfangen, und dadurch zu Wohnplaͤtzen empfindender Weſen geſchickt werden. Verbindet man hiemit den Gedanken, daß jeder Fixſtern eine Sonne, mithin zu aͤhnlichen Wirkungen geſchickt iſt, ſ. Fixſterne (Th. II. S. 267.), ſo dringt ſich faſt unwiderſtehlich die Vermuthung auf, jede dieſer unzaͤhlbaren Sonnen ſey von Planeten umgeben, und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/698
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 688. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/698>, abgerufen am 23.11.2024.