Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


Wenn man die Scheere bey H hält oder aufhängt, so stellt sie sich durch das Gewicht des Ganzen von selbst lothrecht. Spielt alsdann die Zunge genau in der Mitte der Scheere auf das im Ringe unter H befindliche Merkmal, so steht auch sie lothrecht, mithin der Balken AB horizontal. Bleibt aber der Balken in einer schiefen Lage ab stehen, so weicht auch die Zunge auf die Seite des schwerern Gewichts in die Lage Cf, und der Winkel aCA=fCF giebt den Ausschlag an. Die Punkte A und B, an welchen die Schalen hängen, liegen mit dem Aufhängungspunkte C in gerader Linie.

Eine falsche Wage ist diejenige, deren Balken sich bey ungleichen Gewichten dennoch wagrecht stellt. Dazu wird nach den Gesetzen des Hebels nothwendig eine ungleiche Länge der Arme des Wagbalkens AC und BC erfordert. Wenn eine solche Wage auch bey ledigen Schalen horizontal steht, so sind die Schalen mit den Schnüren von ungleichem Gewichte, und es hängt die schwerere am kürzern, die leichtere am längern Arme. Durch Verwechselung der Schalen kan man also den Betrug augenblicklich entdecken, weil so die schwerere Schale an den längern Arm kommen und einen Ausschlag geben muß. Eine richtige Wage kan falsch werden, wenn sich ihre Arme ungleich beugen, und die Punkte A und B ungleiche Abstände von C bekommen; ingleichen, wenn man an dem einen Arme etwas Heißes wiegt, wobey er durch die Hitze verlängert werden kan, so daß z. B. eine Kugel glühend mehr zu wiegen scheint, als kalt.

Inzwischen kan man auch auf einer falschen Wage das wahre Gewicht eines Körpers finden, wenn man ihn zuerst in der einen, dann in der andern Schale wiegt, und zwischen beyden falschen Gewichten die mittlere geometrische Proportionalgröße nimmt. Denn es wiege der Körper in der Schale A mit p Pfund, in B mit q Pfund gleich; sein wahres Gewicht sey = x Pfund. So muß nach dem Gesetz des Hebels


Wenn man die Scheere bey H haͤlt oder aufhaͤngt, ſo ſtellt ſie ſich durch das Gewicht des Ganzen von ſelbſt lothrecht. Spielt alsdann die Zunge genau in der Mitte der Scheere auf das im Ringe unter H befindliche Merkmal, ſo ſteht auch ſie lothrecht, mithin der Balken AB horizontal. Bleibt aber der Balken in einer ſchiefen Lage ab ſtehen, ſo weicht auch die Zunge auf die Seite des ſchwerern Gewichts in die Lage Cf, und der Winkel aCA=fCF giebt den Ausſchlag an. Die Punkte A und B, an welchen die Schalen haͤngen, liegen mit dem Aufhaͤngungspunkte C in gerader Linie.

Eine falſche Wage iſt diejenige, deren Balken ſich bey ungleichen Gewichten dennoch wagrecht ſtellt. Dazu wird nach den Geſetzen des Hebels nothwendig eine ungleiche Laͤnge der Arme des Wagbalkens AC und BC erfordert. Wenn eine ſolche Wage auch bey ledigen Schalen horizontal ſteht, ſo ſind die Schalen mit den Schnuͤren von ungleichem Gewichte, und es haͤngt die ſchwerere am kuͤrzern, die leichtere am laͤngern Arme. Durch Verwechſelung der Schalen kan man alſo den Betrug augenblicklich entdecken, weil ſo die ſchwerere Schale an den laͤngern Arm kommen und einen Ausſchlag geben muß. Eine richtige Wage kan falſch werden, wenn ſich ihre Arme ungleich beugen, und die Punkte A und B ungleiche Abſtaͤnde von C bekommen; ingleichen, wenn man an dem einen Arme etwas Heißes wiegt, wobey er durch die Hitze verlaͤngert werden kan, ſo daß z. B. eine Kugel gluͤhend mehr zu wiegen ſcheint, als kalt.

Inzwiſchen kan man auch auf einer falſchen Wage das wahre Gewicht eines Koͤrpers finden, wenn man ihn zuerſt in der einen, dann in der andern Schale wiegt, und zwiſchen beyden falſchen Gewichten die mittlere geometriſche Proportionalgroͤße nimmt. Denn es wiege der Koͤrper in der Schale A mit p Pfund, in B mit q Pfund gleich; ſein wahres Gewicht ſey = x Pfund. So muß nach dem Geſetz des Hebels

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p>
              <pb facs="#f0624" xml:id="P.4.614" n="614"/><lb/>
            </p>
            <p>Wenn man die Scheere bey <hi rendition="#aq">H</hi> ha&#x0364;lt oder aufha&#x0364;ngt, &#x017F;o &#x017F;tellt &#x017F;ie &#x017F;ich durch das Gewicht des Ganzen von &#x017F;elb&#x017F;t lothrecht. Spielt alsdann die Zunge genau in der Mitte der Scheere auf das im Ringe unter <hi rendition="#aq">H</hi> befindliche Merkmal, &#x017F;o &#x017F;teht auch &#x017F;ie lothrecht, mithin der Balken <hi rendition="#aq">AB</hi> horizontal. Bleibt aber der Balken in einer &#x017F;chiefen Lage <hi rendition="#aq">ab</hi> &#x017F;tehen, &#x017F;o weicht auch die Zunge auf die Seite des &#x017F;chwerern Gewichts in die Lage <hi rendition="#aq">Cf,</hi> und der Winkel <hi rendition="#aq">aCA=fCF</hi> giebt den Aus&#x017F;chlag an. Die Punkte <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">B,</hi> an welchen die Schalen ha&#x0364;ngen, liegen mit dem Aufha&#x0364;ngungspunkte <hi rendition="#aq">C</hi> in gerader Linie.</p>
            <p>Eine <hi rendition="#b">fal&#x017F;che Wage</hi> i&#x017F;t diejenige, deren Balken &#x017F;ich bey ungleichen Gewichten dennoch wagrecht &#x017F;tellt. Dazu wird nach den Ge&#x017F;etzen des Hebels nothwendig eine ungleiche La&#x0364;nge der Arme des Wagbalkens <hi rendition="#aq">AC</hi> und <hi rendition="#aq">BC</hi> erfordert. Wenn eine &#x017F;olche Wage auch bey ledigen Schalen horizontal &#x017F;teht, &#x017F;o &#x017F;ind die Schalen mit den Schnu&#x0364;ren von ungleichem Gewichte, und es ha&#x0364;ngt die &#x017F;chwerere am ku&#x0364;rzern, die leichtere am la&#x0364;ngern Arme. Durch Verwech&#x017F;elung der Schalen kan man al&#x017F;o den Betrug augenblicklich entdecken, weil &#x017F;o die &#x017F;chwerere Schale an den la&#x0364;ngern Arm kommen und einen Aus&#x017F;chlag geben muß. Eine richtige Wage kan fal&#x017F;ch werden, wenn &#x017F;ich ihre Arme ungleich beugen, und die Punkte <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">B</hi> ungleiche Ab&#x017F;ta&#x0364;nde von <hi rendition="#aq">C</hi> bekommen; ingleichen, wenn man an dem einen Arme etwas Heißes wiegt, wobey er durch die Hitze verla&#x0364;ngert werden kan, &#x017F;o daß z. B. eine Kugel glu&#x0364;hend mehr zu wiegen &#x017F;cheint, als kalt.</p>
            <p>Inzwi&#x017F;chen kan man auch auf einer fal&#x017F;chen Wage das wahre Gewicht eines Ko&#x0364;rpers finden, wenn man ihn zuer&#x017F;t in der einen, dann in der andern Schale wiegt, und zwi&#x017F;chen beyden fal&#x017F;chen Gewichten die mittlere geometri&#x017F;che Proportionalgro&#x0364;ße nimmt. Denn es wiege der Ko&#x0364;rper in der Schale <hi rendition="#aq">A</hi> mit <hi rendition="#aq">p</hi> Pfund, in <hi rendition="#aq">B</hi> mit <hi rendition="#aq">q</hi> Pfund gleich; &#x017F;ein wahres Gewicht &#x017F;ey = <hi rendition="#aq">x</hi> Pfund. So muß nach dem Ge&#x017F;etz des Hebels<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[614/0624] Wenn man die Scheere bey H haͤlt oder aufhaͤngt, ſo ſtellt ſie ſich durch das Gewicht des Ganzen von ſelbſt lothrecht. Spielt alsdann die Zunge genau in der Mitte der Scheere auf das im Ringe unter H befindliche Merkmal, ſo ſteht auch ſie lothrecht, mithin der Balken AB horizontal. Bleibt aber der Balken in einer ſchiefen Lage ab ſtehen, ſo weicht auch die Zunge auf die Seite des ſchwerern Gewichts in die Lage Cf, und der Winkel aCA=fCF giebt den Ausſchlag an. Die Punkte A und B, an welchen die Schalen haͤngen, liegen mit dem Aufhaͤngungspunkte C in gerader Linie. Eine falſche Wage iſt diejenige, deren Balken ſich bey ungleichen Gewichten dennoch wagrecht ſtellt. Dazu wird nach den Geſetzen des Hebels nothwendig eine ungleiche Laͤnge der Arme des Wagbalkens AC und BC erfordert. Wenn eine ſolche Wage auch bey ledigen Schalen horizontal ſteht, ſo ſind die Schalen mit den Schnuͤren von ungleichem Gewichte, und es haͤngt die ſchwerere am kuͤrzern, die leichtere am laͤngern Arme. Durch Verwechſelung der Schalen kan man alſo den Betrug augenblicklich entdecken, weil ſo die ſchwerere Schale an den laͤngern Arm kommen und einen Ausſchlag geben muß. Eine richtige Wage kan falſch werden, wenn ſich ihre Arme ungleich beugen, und die Punkte A und B ungleiche Abſtaͤnde von C bekommen; ingleichen, wenn man an dem einen Arme etwas Heißes wiegt, wobey er durch die Hitze verlaͤngert werden kan, ſo daß z. B. eine Kugel gluͤhend mehr zu wiegen ſcheint, als kalt. Inzwiſchen kan man auch auf einer falſchen Wage das wahre Gewicht eines Koͤrpers finden, wenn man ihn zuerſt in der einen, dann in der andern Schale wiegt, und zwiſchen beyden falſchen Gewichten die mittlere geometriſche Proportionalgroͤße nimmt. Denn es wiege der Koͤrper in der Schale A mit p Pfund, in B mit q Pfund gleich; ſein wahres Gewicht ſey = x Pfund. So muß nach dem Geſetz des Hebels

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/624
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 614. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/624>, abgerufen am 23.07.2024.