Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Diese thierische Wärme hat ihren eigentlichen Sitz im Blute, und wird nur durch den Umlauf desselben den übrigen Theilen mitgetheilt. Die Glieder, deren Pulsadern man unterbindet, werden kalt, und in Krankheiten, die den Pulsschlag unterbrechen, ist der Stillstand des Blutes jederzeit mit Kälte der äußern Theile verknüpft. Röthe der Theile ist immer mit Wärme, Bleiche mit Kälte begleitet, und im todten Körper erkaltet der Rücken zuletzt, weil dahin das meiste Blut durch sein Gewicht zusammengeführt wird. Im gesunden menschlichen Körper ist die Wärme des Bluts nach den besten Beobachtungen von Brisson 32 1/2 Grad des reaumürischen Weingeistthermometers (s. Thermometer S. 342.), welches nach de Lüc (S. 320.) mit 29, 9 Grad am Quecksilberthermometer von 80 Graden, oder mit 99 1/4 nach Fahrenheit, übereinstimmt. Auch Martine (Diss. sur la chaleur) giebt aus wiederholten Beobachtungen 99 fahrenh. Grade an. Ohne nun auf die hohen Grade der Kälte zu sehen, die in strengen Wintern in Sibirien sollen statt gefunden haben, deren Angaben aber verdächtig sind (s. Kälte, Th. II. S. 705.), erträgt doch der menschliche Körper, schon in den gemäßigten Klimaten, die ganz gewöhnliche Veränderung der Temperatur von 86 bis 16 Grad nach Fahrenheit, sehr leicht, und ohne merkliche Abänderung seiner Blutwärme. Nach dem Gesetz der Mittheilung der Wärme muß ein Körper, der bey so großen Abwechselungen des äußern Mittels eine immer gleiche fühlbare Wärme behält, gerade so viel Wärme aus sich selbst erzeugen, als jedesmal zu Ersetzung des Verlusts, den er durch die Berührung des kältern Mittels leidet, erfordert wird. Ist z. B. die beständige Wärme des menschlichen Bluts 99 Grad, so wird die eigne oder selbsterzeugte Wärme 13 Grad betragen müssen,
Dieſe thieriſche Waͤrme hat ihren eigentlichen Sitz im Blute, und wird nur durch den Umlauf deſſelben den uͤbrigen Theilen mitgetheilt. Die Glieder, deren Pulsadern man unterbindet, werden kalt, und in Krankheiten, die den Pulsſchlag unterbrechen, iſt der Stillſtand des Blutes jederzeit mit Kaͤlte der aͤußern Theile verknuͤpft. Roͤthe der Theile iſt immer mit Waͤrme, Bleiche mit Kaͤlte begleitet, und im todten Koͤrper erkaltet der Ruͤcken zuletzt, weil dahin das meiſte Blut durch ſein Gewicht zuſammengefuͤhrt wird. Im geſunden menſchlichen Koͤrper iſt die Waͤrme des Bluts nach den beſten Beobachtungen von Briſſon 32 1/2 Grad des reaumuͤriſchen Weingeiſtthermometers (ſ. Thermometer S. 342.), welches nach de Luͤc (S. 320.) mit 29, 9 Grad am Queckſilberthermometer von 80 Graden, oder mit 99 1/4 nach Fahrenheit, uͤbereinſtimmt. Auch Martine (Diſſ. ſur la chaleur) giebt aus wiederholten Beobachtungen 99 fahrenh. Grade an. Ohne nun auf die hohen Grade der Kaͤlte zu ſehen, die in ſtrengen Wintern in Sibirien ſollen ſtatt gefunden haben, deren Angaben aber verdaͤchtig ſind (ſ. Kaͤlte, Th. II. S. 705.), ertraͤgt doch der menſchliche Koͤrper, ſchon in den gemaͤßigten Klimaten, die ganz gewoͤhnliche Veraͤnderung der Temperatur von 86 bis 16 Grad nach Fahrenheit, ſehr leicht, und ohne merkliche Abaͤnderung ſeiner Blutwaͤrme. Nach dem Geſetz der Mittheilung der Waͤrme muß ein Koͤrper, der bey ſo großen Abwechſelungen des aͤußern Mittels eine immer gleiche fuͤhlbare Waͤrme behaͤlt, gerade ſo viel Waͤrme aus ſich ſelbſt erzeugen, als jedesmal zu Erſetzung des Verluſts, den er durch die Beruͤhrung des kaͤltern Mittels leidet, erfordert wird. Iſt z. B. die beſtaͤndige Waͤrme des menſchlichen Bluts 99 Grad, ſo wird die eigne oder ſelbſterzeugte Waͤrme 13 Grad betragen muͤſſen, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0594" xml:id="P.4.584" n="584"/><lb/> Koͤrper, alle Saͤugthiere und Voͤgel; in einem weit geringern, oft kaum merklichen, Grade die Amphibien und Fiſche, die man daher ſchon kaltbluͤtig nennt; die Inſekten und Gewuͤrme nehmen ganz die Temperatur der Atmoſphaͤre an, wiewohl die Biene hievon eine Ausnahme macht.</p> <p>Dieſe thieriſche Waͤrme hat ihren eigentlichen Sitz im Blute, und wird nur durch den Umlauf deſſelben den uͤbrigen Theilen mitgetheilt. Die Glieder, deren Pulsadern man unterbindet, werden kalt, und in Krankheiten, die den Pulsſchlag unterbrechen, iſt der Stillſtand des Blutes jederzeit mit Kaͤlte der aͤußern Theile verknuͤpft. Roͤthe der Theile iſt immer mit Waͤrme, Bleiche mit Kaͤlte begleitet, und im todten Koͤrper erkaltet der Ruͤcken zuletzt, weil dahin das meiſte Blut durch ſein Gewicht zuſammengefuͤhrt wird.</p> <p>Im geſunden menſchlichen Koͤrper iſt die Waͤrme des Bluts nach den beſten Beobachtungen von <hi rendition="#b">Briſſon</hi> 32 1/2 Grad des reaumuͤriſchen Weingeiſtthermometers (<hi rendition="#b">ſ. Thermometer</hi> S. 342.), welches nach <hi rendition="#b">de Luͤc</hi> (S. 320.) mit 29, 9 Grad am Queckſilberthermometer von 80 Graden, oder mit 99 1/4 nach Fahrenheit, uͤbereinſtimmt. Auch <hi rendition="#b">Martine</hi> (<hi rendition="#aq">Diſſ. ſur la chaleur</hi>) giebt aus wiederholten Beobachtungen 99 fahrenh. Grade an. Ohne nun auf die hohen Grade der Kaͤlte zu ſehen, die in ſtrengen Wintern in Sibirien ſollen ſtatt gefunden haben, deren Angaben aber verdaͤchtig ſind (<hi rendition="#b">ſ. Kaͤlte,</hi> Th. <hi rendition="#aq">II.</hi> S. 705.), ertraͤgt doch der menſchliche Koͤrper, ſchon in den gemaͤßigten Klimaten, die ganz gewoͤhnliche Veraͤnderung der Temperatur von 86 bis 16 Grad nach Fahrenheit, ſehr leicht, und ohne merkliche Abaͤnderung ſeiner Blutwaͤrme.</p> <p>Nach dem Geſetz der Mittheilung der Waͤrme muß ein Koͤrper, der bey ſo großen Abwechſelungen des aͤußern Mittels eine immer gleiche fuͤhlbare Waͤrme behaͤlt, gerade ſo viel Waͤrme aus ſich ſelbſt erzeugen, als jedesmal zu Erſetzung des Verluſts, den er durch die Beruͤhrung des kaͤltern Mittels leidet, erfordert wird. Iſt z. B. die beſtaͤndige Waͤrme des menſchlichen Bluts 99 Grad, ſo wird die eigne oder ſelbſterzeugte Waͤrme 13 Grad betragen muͤſſen,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [584/0594]
Koͤrper, alle Saͤugthiere und Voͤgel; in einem weit geringern, oft kaum merklichen, Grade die Amphibien und Fiſche, die man daher ſchon kaltbluͤtig nennt; die Inſekten und Gewuͤrme nehmen ganz die Temperatur der Atmoſphaͤre an, wiewohl die Biene hievon eine Ausnahme macht.
Dieſe thieriſche Waͤrme hat ihren eigentlichen Sitz im Blute, und wird nur durch den Umlauf deſſelben den uͤbrigen Theilen mitgetheilt. Die Glieder, deren Pulsadern man unterbindet, werden kalt, und in Krankheiten, die den Pulsſchlag unterbrechen, iſt der Stillſtand des Blutes jederzeit mit Kaͤlte der aͤußern Theile verknuͤpft. Roͤthe der Theile iſt immer mit Waͤrme, Bleiche mit Kaͤlte begleitet, und im todten Koͤrper erkaltet der Ruͤcken zuletzt, weil dahin das meiſte Blut durch ſein Gewicht zuſammengefuͤhrt wird.
Im geſunden menſchlichen Koͤrper iſt die Waͤrme des Bluts nach den beſten Beobachtungen von Briſſon 32 1/2 Grad des reaumuͤriſchen Weingeiſtthermometers (ſ. Thermometer S. 342.), welches nach de Luͤc (S. 320.) mit 29, 9 Grad am Queckſilberthermometer von 80 Graden, oder mit 99 1/4 nach Fahrenheit, uͤbereinſtimmt. Auch Martine (Diſſ. ſur la chaleur) giebt aus wiederholten Beobachtungen 99 fahrenh. Grade an. Ohne nun auf die hohen Grade der Kaͤlte zu ſehen, die in ſtrengen Wintern in Sibirien ſollen ſtatt gefunden haben, deren Angaben aber verdaͤchtig ſind (ſ. Kaͤlte, Th. II. S. 705.), ertraͤgt doch der menſchliche Koͤrper, ſchon in den gemaͤßigten Klimaten, die ganz gewoͤhnliche Veraͤnderung der Temperatur von 86 bis 16 Grad nach Fahrenheit, ſehr leicht, und ohne merkliche Abaͤnderung ſeiner Blutwaͤrme.
Nach dem Geſetz der Mittheilung der Waͤrme muß ein Koͤrper, der bey ſo großen Abwechſelungen des aͤußern Mittels eine immer gleiche fuͤhlbare Waͤrme behaͤlt, gerade ſo viel Waͤrme aus ſich ſelbſt erzeugen, als jedesmal zu Erſetzung des Verluſts, den er durch die Beruͤhrung des kaͤltern Mittels leidet, erfordert wird. Iſt z. B. die beſtaͤndige Waͤrme des menſchlichen Bluts 99 Grad, ſo wird die eigne oder ſelbſterzeugte Waͤrme 13 Grad betragen muͤſſen,
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