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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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werden. Es ist hiebey nicht leicht zu begreifen, wie aus der Feuerluft und dem Phlogiston, welche für sich allein keine Gefäße durchdringen, die umherstralende und durch die Gefäße dringende Hitze entstehen soll; auch bemerkt man beym Verbrennen in verschloßnen Gefäßen keinen Verlust am Gewichte des Ganzen, der sich doch zeigen müßte, wenn die Feuerluft mit dem Phlogiston durch die Wände der Gefäße entwiche. Endlich ist nicht wahrscheinlich, daß Licht und Hitze aus einerley Bestandtheilen zusammengesetzt seyn sollten.

Lavoisier (Mem. sur la combustion en general, in Mem. de l'acad. de Paris, 1777. p. 592. deutsch in Crells neusten Entdeck. Th. V. S. 188.), der das Phlogiston gänzlich aus der Chymie entfernen will, sucht den Grund der Verbrennung einzig und allein in der reinen Luft, die er aus dem Stoffe der Wärme und einem eignen Grundstoffe der Säure (Principe oxygene) zusammensetzt. Der Wärmestof ist dabey das Auflösungsmittel, welches das Oxygen in sich hält und durch dasselbe gemildert wird. So bald nun ein hinlänglich erhitzter Körper die Luft berührt, so zersetzt er ihre Mischung, bemächtigt sich des sauren Grundstofs, und erzeugt mit demselben eine eigne seiner Natur gemäße Säure, z. B. die Kohle Luftsäure, der Schwefel, Schwefelsäure u. s. w. Der freygewordene Wärmestof der Luft hingegen ergreift und verflüchtigt alle durch ihn auflösliche Substanzen, und zeigt sich durch Hitze und Licht, als Flamme. Was man diesem antiphlogistischen System, so einfach es zu seyn scheint, entgegensetzen könne, habe ich bey den Worten Feuer und Phlogiston kürzlich angeführt).

Seit der Zeit, in der ich jene Artikel schrieb, hat sich dieses System in Frankreich ungemein verbreitet, und selbst in England und Deutschland mehr Anhänger gefunden. Da es von der Zusammensetzung vieler Stoffe ganz neue, den bisherigen entgegengesetzte, Begriffe annimmt, so hat man es zugleich mit einer neuen Nomenclatur verbunden, durch welche die ganze bisher gewöhnliche Sprache der Chymie umgeschaffen wird. So heißt der Grundstof der Säuren Oxygenium (Oxygene), der Wärmestof Caloricum (Calorique), der Stof der brennbaren Luft Hydrogene, der der phlogistisirten Azote, die Metallkalke Oxyda (Oxides), die Verkalkung Oxydatio. Die Neutral- und Mittelsalze bekommen Namen, die von ihren Säuren entlehnt und in as und is (ate, ite) geendigt sind, wie Sulfas potassae (vitriolisirter Weinstein) Nitras potassae (prismatischer Salpeter), Phosphis potassae, Sulfas ferri (Eisenvitriol) u. s. w. Diese Sprachrevolution ist doch ein wenig gewaltsam, und für den Liebhaber der Chymie desto beschwerlicher, da die neuen barbarischen Kunstwörter jedes an Eleganz der alten Sprachen und Reinigkeit der Etymologie gewöhnte Ohr beleidigen. Inzwischen wird es nun fast nothwendig, diese Sprache zu studiren. Die Annales de Chymie, welche die Herren de Morveau, Lavoisier, Monge, Bertholet, Fourcroy rc. zu Paris seit 1789 herausgeben, beobachten durchgängig diese neue Nomenclatur mit sichtbarer Anstrengung, wie dies auch die genannten Chymiker in ihren übrigen Schriften thun. Sehr verdienstlich ist es von Herrn D. Gren, daß er in seinem allgemein nützlichen Journale der Physik aus diesen Schriften Auszüge in der gewöhnlichen alten Sprache mittheilt. Ein kleines alphabetisches Verzeichniß der neuen Namen findet man im Journal de physique Sept. 1787. p. 210. und aus demselben in Herrn Göttlings Taschenbuche für Scheidekünstler, für 1790. S. 147. u. f. Ein weitläuftigeres mit lateinischen und französischen Namen in der Table des matieres pour les LXV. premiers Vol. du Journal de Medecine. Paris, 1788. 4maj. p. 81. sqq.


werden. Es iſt hiebey nicht leicht zu begreifen, wie aus der Feuerluft und dem Phlogiſton, welche fuͤr ſich allein keine Gefaͤße durchdringen, die umherſtralende und durch die Gefaͤße dringende Hitze entſtehen ſoll; auch bemerkt man beym Verbrennen in verſchloßnen Gefaͤßen keinen Verluſt am Gewichte des Ganzen, der ſich doch zeigen muͤßte, wenn die Feuerluft mit dem Phlogiſton durch die Waͤnde der Gefaͤße entwiche. Endlich iſt nicht wahrſcheinlich, daß Licht und Hitze aus einerley Beſtandtheilen zuſammengeſetzt ſeyn ſollten.

Lavoiſier (Mém. ſur la combuſtion en general, in Mém. de l'acad. de Paris, 1777. p. 592. deutſch in Crells neuſten Entdeck. Th. V. S. 188.), der das Phlogiſton gaͤnzlich aus der Chymie entfernen will, ſucht den Grund der Verbrennung einzig und allein in der reinen Luft, die er aus dem Stoffe der Waͤrme und einem eignen Grundſtoffe der Saͤure (Principe oxygène) zuſammenſetzt. Der Waͤrmeſtof iſt dabey das Aufloͤſungsmittel, welches das Oxygen in ſich haͤlt und durch daſſelbe gemildert wird. So bald nun ein hinlaͤnglich erhitzter Koͤrper die Luft beruͤhrt, ſo zerſetzt er ihre Miſchung, bemaͤchtigt ſich des ſauren Grundſtofs, und erzeugt mit demſelben eine eigne ſeiner Natur gemaͤße Saͤure, z. B. die Kohle Luftſaͤure, der Schwefel, Schwefelſaͤure u. ſ. w. Der freygewordene Waͤrmeſtof der Luft hingegen ergreift und verfluͤchtigt alle durch ihn aufloͤsliche Subſtanzen, und zeigt ſich durch Hitze und Licht, als Flamme. Was man dieſem antiphlogiſtiſchen Syſtem, ſo einfach es zu ſeyn ſcheint, entgegenſetzen koͤnne, habe ich bey den Worten Feuer und Phlogiſton kuͤrzlich angefuͤhrt).

Seit der Zeit, in der ich jene Artikel ſchrieb, hat ſich dieſes Syſtem in Frankreich ungemein verbreitet, und ſelbſt in England und Deutſchland mehr Anhaͤnger gefunden. Da es von der Zuſammenſetzung vieler Stoffe ganz neue, den bisherigen entgegengeſetzte, Begriffe annimmt, ſo hat man es zugleich mit einer neuen Nomenclatur verbunden, durch welche die ganze bisher gewoͤhnliche Sprache der Chymie umgeſchaffen wird. So heißt der Grundſtof der Saͤuren Oxygenium (Oxygène), der Waͤrmeſtof Caloricum (Calorique), der Stof der brennbaren Luft Hydrogène, der der phlogiſtiſirten Azote, die Metallkalke Oxyda (Oxides), die Verkalkung Oxydatio. Die Neutral- und Mittelſalze bekommen Namen, die von ihren Saͤuren entlehnt und in as und is (ate, ite) geendigt ſind, wie Sulfas potaſſae (vitrioliſirter Weinſtein) Nitras potaſſae (prismatiſcher Salpeter), Phosphis potaſſae, Sulfas ferri (Eiſenvitriol) u. ſ. w. Dieſe Sprachrevolution iſt doch ein wenig gewaltſam, und fuͤr den Liebhaber der Chymie deſto beſchwerlicher, da die neuen barbariſchen Kunſtwoͤrter jedes an Eleganz der alten Sprachen und Reinigkeit der Etymologie gewoͤhnte Ohr beleidigen. Inzwiſchen wird es nun faſt nothwendig, dieſe Sprache zu ſtudiren. Die Annales de Chymie, welche die Herren de Morveau, Lavoiſier, Monge, Bertholet, Fourcroy rc. zu Paris ſeit 1789 herausgeben, beobachten durchgaͤngig dieſe neue Nomenclatur mit ſichtbarer Anſtrengung, wie dies auch die genannten Chymiker in ihren uͤbrigen Schriften thun. Sehr verdienſtlich iſt es von Herrn D. Gren, daß er in ſeinem allgemein nuͤtzlichen Journale der Phyſik aus dieſen Schriften Auszuͤge in der gewoͤhnlichen alten Sprache mittheilt. Ein kleines alphabetiſches Verzeichniß der neuen Namen findet man im Journal de phyſique Sept. 1787. p. 210. und aus demſelben in Herrn Goͤttlings Taſchenbuche fuͤr Scheidekuͤnſtler, fuͤr 1790. S. 147. u. f. Ein weitlaͤuftigeres mit lateiniſchen und franzoͤſiſchen Namen in der Table des matieres pour les LXV. premiers Vol. du Journal de Medecine. Paris, 1788. 4maj. p. 81. ſqq.
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[442/0452] werden. Es iſt hiebey nicht leicht zu begreifen, wie aus der Feuerluft und dem Phlogiſton, welche fuͤr ſich allein keine Gefaͤße durchdringen, die umherſtralende und durch die Gefaͤße dringende Hitze entſtehen ſoll; auch bemerkt man beym Verbrennen in verſchloßnen Gefaͤßen keinen Verluſt am Gewichte des Ganzen, der ſich doch zeigen muͤßte, wenn die Feuerluft mit dem Phlogiſton durch die Waͤnde der Gefaͤße entwiche. Endlich iſt nicht wahrſcheinlich, daß Licht und Hitze aus einerley Beſtandtheilen zuſammengeſetzt ſeyn ſollten. Lavoiſier (Mém. ſur la combuſtion en general, in Mém. de l'acad. de Paris, 1777. p. 592. deutſch in Crells neuſten Entdeck. Th. V. S. 188.), der das Phlogiſton gaͤnzlich aus der Chymie entfernen will, ſucht den Grund der Verbrennung einzig und allein in der reinen Luft, die er aus dem Stoffe der Waͤrme und einem eignen Grundſtoffe der Saͤure (Principe oxygène) zuſammenſetzt. Der Waͤrmeſtof iſt dabey das Aufloͤſungsmittel, welches das Oxygen in ſich haͤlt und durch daſſelbe gemildert wird. So bald nun ein hinlaͤnglich erhitzter Koͤrper die Luft beruͤhrt, ſo zerſetzt er ihre Miſchung, bemaͤchtigt ſich des ſauren Grundſtofs, und erzeugt mit demſelben eine eigne ſeiner Natur gemaͤße Saͤure, z. B. die Kohle Luftſaͤure, der Schwefel, Schwefelſaͤure u. ſ. w. Der freygewordene Waͤrmeſtof der Luft hingegen ergreift und verfluͤchtigt alle durch ihn aufloͤsliche Subſtanzen, und zeigt ſich durch Hitze und Licht, als Flamme. Was man dieſem antiphlogiſtiſchen Syſtem, ſo einfach es zu ſeyn ſcheint, entgegenſetzen koͤnne, habe ich bey den Worten Feuer und Phlogiſton kuͤrzlich angefuͤhrt ). Seit der Zeit, in der ich jene Artikel ſchrieb, hat ſich dieſes Syſtem in Frankreich ungemein verbreitet, und ſelbſt in England und Deutſchland mehr Anhaͤnger gefunden. Da es von der Zuſammenſetzung vieler Stoffe ganz neue, den bisherigen entgegengeſetzte, Begriffe annimmt, ſo hat man es zugleich mit einer neuen Nomenclatur verbunden, durch welche die ganze bisher gewoͤhnliche Sprache der Chymie umgeſchaffen wird. So heißt der Grundſtof der Saͤuren Oxygenium (Oxygène), der Waͤrmeſtof Caloricum (Calorique), der Stof der brennbaren Luft Hydrogène, der der phlogiſtiſirten Azote, die Metallkalke Oxyda (Oxides), die Verkalkung Oxydatio. Die Neutral- und Mittelſalze bekommen Namen, die von ihren Saͤuren entlehnt und in as und is (ate, ite) geendigt ſind, wie Sulfas potaſſae (vitrioliſirter Weinſtein) Nitras potaſſae (prismatiſcher Salpeter), Phosphis potaſſae, Sulfas ferri (Eiſenvitriol) u. ſ. w. Dieſe Sprachrevolution iſt doch ein wenig gewaltſam, und fuͤr den Liebhaber der Chymie deſto beſchwerlicher, da die neuen barbariſchen Kunſtwoͤrter jedes an Eleganz der alten Sprachen und Reinigkeit der Etymologie gewoͤhnte Ohr beleidigen. Inzwiſchen wird es nun faſt nothwendig, dieſe Sprache zu ſtudiren. Die Annales de Chymie, welche die Herren de Morveau, Lavoiſier, Monge, Bertholet, Fourcroy rc. zu Paris ſeit 1789 herausgeben, beobachten durchgaͤngig dieſe neue Nomenclatur mit ſichtbarer Anſtrengung, wie dies auch die genannten Chymiker in ihren uͤbrigen Schriften thun. Sehr verdienſtlich iſt es von Herrn D. Gren, daß er in ſeinem allgemein nuͤtzlichen Journale der Phyſik aus dieſen Schriften Auszuͤge in der gewoͤhnlichen alten Sprache mittheilt. Ein kleines alphabetiſches Verzeichniß der neuen Namen findet man im Journal de phyſique Sept. 1787. p. 210. und aus demſelben in Herrn Goͤttlings Taſchenbuche fuͤr Scheidekuͤnſtler, fuͤr 1790. S. 147. u. f. Ein weitlaͤuftigeres mit lateiniſchen und franzoͤſiſchen Namen in der Table des matieres pour les LXV. premiers Vol. du Journal de Medecine. Paris, 1788. 4maj. p. 81. ſqq.

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/452>, abgerufen am 22.11.2024.