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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

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"ausgesetzt wäre, so ward mein ganzes Herz von Bewun"derung der Weisheit des Schöpfers ergriffen; ich fühlte "durch diese Entdeckung den Schatz meiner wichtigsten "Kenntni<*> bereichert, und noch jetzt kan ich nie ohne Ent"zücken hieran gedenken."

Dennoch ist die Summe dieser schönen Betrachtungen viel zu unvollständig, als daß sie sich in ein systematisches Ganzes zusammen ordnen ließe. Die Zwecke sehr vieler Veranstaltungen in der Körperwelt bleiben dem Menschen verborgen, und oft hat man darüber nur schwache Muthmaßungen, denen weit stärkere Gründe entgegen stehen. Ueberdies nöthigt uns das unläugbare physische Uebel, die letzten Zwecke nicht auf dieser Erde zu suchen, und das gegenwärtige Leben nur als Bildung und Vorbereitung zu einer uns gänzlich verborgnen Zukunft anzusehen. Mithin muß die Entwickelung des ganzen Plans der Vorsehung in allen seinen Theilen unsere Kräfte bey weitem übersteigen, und wir werden dem Gegner sehr leicht Blößen geben, wenn wir uns allzuweit in diesem Felde wagen.

Inzwischen ist es doch sehr nützlich, die teleologischen Bruchstücke aus der eigentlichen Physik mit gehöriger Mäßigung und Behutsamkeit zusammen zu stellen. Ich habe beym Worte Physik (Th. III. S. 508.) einige hieher gehörige Schriften genannt; aber die seitdem gemachten Entdeckungen erfordern beträchtliche Abänderungen und Zusätze zu denselben. Zwar fehlt es uns nicht an oberflächlichen Schriften, deren Verfasser bey jedem einzelnen Phänomen in Declamationen über die Zwecke der Vorsehung ausbrechen: aber ost geschieht dies auf eine sehr unschickliche Art, die den Leser ermüdet, dem Kenner Verdruß erregt, dem Gegner nur neue Waffen in die Hände giebt, und im Grunde der guten Sache mehr Schaden als Vortheil bringt. Möchte doch irgend ein einsichtsvoller Phystker, der mit den Talenten des Philosophen zugleich die Vorzüge des angenehmen Schriftstellers verbände, diesen wichtigen Gegenstand mit der ihm angemessenen Gründlichkeit, Feinheit und Würde behandeln!


”ausgeſetzt waͤre, ſo ward mein ganzes Herz von Bewun”derung der Weisheit des Schoͤpfers ergriffen; ich fuͤhlte ”durch dieſe Entdeckung den Schatz meiner wichtigſten ”Kenntni<*> bereichert, und noch jetzt kan ich nie ohne Ent”zuͤcken hieran gedenken.“

Dennoch iſt die Summe dieſer ſchoͤnen Betrachtungen viel zu unvollſtaͤndig, als daß ſie ſich in ein ſyſtematiſches Ganzes zuſammen ordnen ließe. Die Zwecke ſehr vieler Veranſtaltungen in der Koͤrperwelt bleiben dem Menſchen verborgen, und oft hat man daruͤber nur ſchwache Muthmaßungen, denen weit ſtaͤrkere Gruͤnde entgegen ſtehen. Ueberdies noͤthigt uns das unlaͤugbare phyſiſche Uebel, die letzten Zwecke nicht auf dieſer Erde zu ſuchen, und das gegenwaͤrtige Leben nur als Bildung und Vorbereitung zu einer uns gaͤnzlich verborgnen Zukunft anzuſehen. Mithin muß die Entwickelung des ganzen Plans der Vorſehung in allen ſeinen Theilen unſere Kraͤfte bey weitem uͤberſteigen, und wir werden dem Gegner ſehr leicht Bloͤßen geben, wenn wir uns allzuweit in dieſem Felde wagen.

Inzwiſchen iſt es doch ſehr nuͤtzlich, die teleologiſchen Bruchſtuͤcke aus der eigentlichen Phyſik mit gehoͤriger Maͤßigung und Behutſamkeit zuſammen zu ſtellen. Ich habe beym Worte Phyſik (Th. III. S. 508.) einige hieher gehoͤrige Schriften genannt; aber die ſeitdem gemachten Entdeckungen erfordern betraͤchtliche Abaͤnderungen und Zuſaͤtze zu denſelben. Zwar fehlt es uns nicht an oberflaͤchlichen Schriften, deren Verfaſſer bey jedem einzelnen Phaͤnomen in Declamationen uͤber die Zwecke der Vorſehung ausbrechen: aber oſt geſchieht dies auf eine ſehr unſchickliche Art, die den Leſer ermuͤdet, dem Kenner Verdruß erregt, dem Gegner nur neue Waffen in die Haͤnde giebt, und im Grunde der guten Sache mehr Schaden als Vortheil bringt. Moͤchte doch irgend ein einſichtsvoller Phyſtker, der mit den Talenten des Philoſophen zugleich die Vorzuͤge des angenehmen Schriftſtellers verbaͤnde, dieſen wichtigen Gegenſtand mit der ihm angemeſſenen Gruͤndlichkeit, Feinheit und Wuͤrde behandeln!

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[286/0296] ”ausgeſetzt waͤre, ſo ward mein ganzes Herz von Bewun”derung der Weisheit des Schoͤpfers ergriffen; ich fuͤhlte ”durch dieſe Entdeckung den Schatz meiner wichtigſten ”Kenntni<*> bereichert, und noch jetzt kan ich nie ohne Ent”zuͤcken hieran gedenken.“ Dennoch iſt die Summe dieſer ſchoͤnen Betrachtungen viel zu unvollſtaͤndig, als daß ſie ſich in ein ſyſtematiſches Ganzes zuſammen ordnen ließe. Die Zwecke ſehr vieler Veranſtaltungen in der Koͤrperwelt bleiben dem Menſchen verborgen, und oft hat man daruͤber nur ſchwache Muthmaßungen, denen weit ſtaͤrkere Gruͤnde entgegen ſtehen. Ueberdies noͤthigt uns das unlaͤugbare phyſiſche Uebel, die letzten Zwecke nicht auf dieſer Erde zu ſuchen, und das gegenwaͤrtige Leben nur als Bildung und Vorbereitung zu einer uns gaͤnzlich verborgnen Zukunft anzuſehen. Mithin muß die Entwickelung des ganzen Plans der Vorſehung in allen ſeinen Theilen unſere Kraͤfte bey weitem uͤberſteigen, und wir werden dem Gegner ſehr leicht Bloͤßen geben, wenn wir uns allzuweit in dieſem Felde wagen. Inzwiſchen iſt es doch ſehr nuͤtzlich, die teleologiſchen Bruchſtuͤcke aus der eigentlichen Phyſik mit gehoͤriger Maͤßigung und Behutſamkeit zuſammen zu ſtellen. Ich habe beym Worte Phyſik (Th. III. S. 508.) einige hieher gehoͤrige Schriften genannt; aber die ſeitdem gemachten Entdeckungen erfordern betraͤchtliche Abaͤnderungen und Zuſaͤtze zu denſelben. Zwar fehlt es uns nicht an oberflaͤchlichen Schriften, deren Verfaſſer bey jedem einzelnen Phaͤnomen in Declamationen uͤber die Zwecke der Vorſehung ausbrechen: aber oſt geſchieht dies auf eine ſehr unſchickliche Art, die den Leſer ermuͤdet, dem Kenner Verdruß erregt, dem Gegner nur neue Waffen in die Haͤnde giebt, und im Grunde der guten Sache mehr Schaden als Vortheil bringt. Moͤchte doch irgend ein einſichtsvoller Phyſtker, der mit den Talenten des Philoſophen zugleich die Vorzuͤge des angenehmen Schriftſtellers verbaͤnde, dieſen wichtigen Gegenſtand mit der ihm angemeſſenen Gruͤndlichkeit, Feinheit und Wuͤrde behandeln!

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Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/296>, abgerufen am 22.11.2024.