Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.
Da kein Unbefangner so etwas für bloßes Spiel des Zufalls halten, oder auch dieses aus der Natur hervorleuchtende Absichtliche und Zweckmäßige läugnen kan, so entsteht hieraus nicht nur ein Beweis für das Daseyn der Gottheit, den schon die Alten für einen der stärksten erkannten (Cic. Tuscul. Disp. I. 28. 29. De nat. Deor. II. 37. 38.), sondern auch eine zur Bewunderung hinreissende und zu Erfüllung unserer Pflichten antreibende Erkenntniß der erhabnen Eigenschaften dieses höchsten Wesens. (Quatenus ex philosophia naturali intelligere possumus, quaenam sit prima rerum Causa, et quam potestatem et jus ea in nos habeat, et quae beneficia ei accepta sint referenda; eatenus officium nostrum erga eam, aeque ac erga nosmetipsos invicem, quid sit, per lumen Naturae innotescit. Newtoni Optice. L. III. sub fin.). Betrachtungen dieser Art gewähren ein großes und edles Vergnügen, das den Reiz theoretischer Speculationen bey weitem übersteigt. "Als ich entdeckt hatte", sagt Herr de Lüc (Briefe über die Geschichte der Erde und des Menschen, der Uebers. B. I. S. 37.) "daß die Grade der "Ausdehnung des Wassers durch die Wärme, den Gra"den der wirklichen Vermehrung der Wärme nicht propor"tional, sondern anfangs ungemein klein in Vergleichung "mit den letztern Schritten sind, so dachte ich über die Ur"sache davon nach, machte eine Hypothese, prüfte sie mit "glücklichem Erfolg, und freute mich darüber so sehr, als "man sich nur über eine physikalische Entdeckung freuen "kan; vergaß aber die ganze Sache wieder, ohne daß sie "mir etwas mehr, als schwache Erinnerungen, zurückge"lassen hätte. Als ich aber einst überlegte, daß sich in al"len Körpern Wasser befinde, daß es das Vehikel aller "Nahrungsmittel im Thier- und Pflanzenreiche, und in "allen die Nahrungssäfte zuführenden Gefäßen enthalten "sey, daß es also alle organisirte Körper zerstören würde, "wenn es bey den natürlichen Veränderungen der Wärme "der Luft starken Ausdehnungen und Zusammenziehungen
Da kein Unbefangner ſo etwas fuͤr bloßes Spiel des Zufalls halten, oder auch dieſes aus der Natur hervorleuchtende Abſichtliche und Zweckmaͤßige laͤugnen kan, ſo entſteht hieraus nicht nur ein Beweis fuͤr das Daſeyn der Gottheit, den ſchon die Alten fuͤr einen der ſtaͤrkſten erkannten (Cic. Tuſcul. Diſp. I. 28. 29. De nat. Deor. II. 37. 38.), ſondern auch eine zur Bewunderung hinreiſſende und zu Erfuͤllung unſerer Pflichten antreibende Erkenntniß der erhabnen Eigenſchaften dieſes hoͤchſten Weſens. (Quatenus ex philoſophia naturali intelligere poſſumus, quaenam ſit prima rerum Cauſa, et quam poteſtatem et jus ea in nos habeat, et quae beneficia ei accepta ſint referenda; eatenus officium noſtrum erga eam, aeque ac erga nosmetipſos invicem, quid ſit, per lumen Naturae innoteſcit. Newtoni Optice. L. III. ſub fin.). Betrachtungen dieſer Art gewaͤhren ein großes und edles Vergnuͤgen, das den Reiz theoretiſcher Speculationen bey weitem uͤberſteigt. ”Als ich entdeckt hatte“, ſagt Herr de Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, der Ueberſ. B. I. S. 37.) ”daß die Grade der ”Ausdehnung des Waſſers durch die Waͤrme, den Gra”den der wirklichen Vermehrung der Waͤrme nicht propor”tional, ſondern anfangs ungemein klein in Vergleichung ”mit den letztern Schritten ſind, ſo dachte ich uͤber die Ur”ſache davon nach, machte eine Hypotheſe, pruͤfte ſie mit ”gluͤcklichem Erfolg, und freute mich daruͤber ſo ſehr, als ”man ſich nur uͤber eine phyſikaliſche Entdeckung freuen ”kan; vergaß aber die ganze Sache wieder, ohne daß ſie ”mir etwas mehr, als ſchwache Erinnerungen, zuruͤckge”laſſen haͤtte. Als ich aber einſt uͤberlegte, daß ſich in al”len Koͤrpern Waſſer befinde, daß es das Vehikel aller ”Nahrungsmittel im Thier- und Pflanzenreiche, und in ”allen die Nahrungsſaͤfte zufuͤhrenden Gefaͤßen enthalten ”ſey, daß es alſo alle organiſirte Koͤrper zerſtoͤren wuͤrde, ”wenn es bey den natuͤrlichen Veraͤnderungen der Waͤrme ”der Luft ſtarken Ausdehnungen und Zuſammenziehungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0295" xml:id="P.4.285" n="285"/><lb/> blos auf die kurze Dauer dieſes gegenwaͤrtigen Lebens zu reichen.</p> <p>Da kein Unbefangner ſo etwas fuͤr bloßes Spiel des Zufalls halten, oder auch dieſes aus der Natur hervorleuchtende <hi rendition="#b">Abſichtliche</hi> und <hi rendition="#b">Zweckmaͤßige</hi> laͤugnen kan, ſo entſteht hieraus nicht nur ein Beweis fuͤr das Daſeyn der Gottheit, den ſchon die Alten fuͤr einen der ſtaͤrkſten erkannten <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">(Cic.</hi> Tuſcul. Diſp. I. 28. 29. De nat. Deor. II. 37. 38.</hi>), ſondern auch eine zur Bewunderung hinreiſſende und zu Erfuͤllung unſerer Pflichten antreibende Erkenntniß der erhabnen Eigenſchaften dieſes hoͤchſten Weſens. (<hi rendition="#aq">Quatenus ex philoſophia naturali intelligere poſſumus, quaenam ſit prima rerum Cauſa, et quam poteſtatem et jus ea in nos habeat, et quae beneficia ei accepta ſint referenda; eatenus officium noſtrum erga eam, aeque ac erga nosmetipſos invicem, quid ſit, per lumen Naturae innoteſcit. <hi rendition="#i">Newtoni</hi> Optice. L. III. ſub fin.</hi>).</p> <p>Betrachtungen dieſer Art gewaͤhren ein großes und edles Vergnuͤgen, das den Reiz theoretiſcher Speculationen bey weitem uͤberſteigt. ”Als ich entdeckt hatte“, ſagt Herr <hi rendition="#b">de Luͤc</hi> (Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, der Ueberſ. B. <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 37.) ”daß die Grade der ”Ausdehnung des Waſſers durch die Waͤrme, den Gra”den der wirklichen Vermehrung der Waͤrme nicht propor”tional, ſondern anfangs ungemein klein in Vergleichung ”mit den letztern Schritten ſind, ſo dachte ich uͤber die Ur”ſache davon nach, machte eine Hypotheſe, pruͤfte ſie mit ”gluͤcklichem Erfolg, und freute mich daruͤber ſo ſehr, als ”man ſich nur uͤber eine phyſikaliſche Entdeckung freuen ”kan; vergaß aber die ganze Sache wieder, ohne daß ſie ”mir etwas mehr, als ſchwache Erinnerungen, zuruͤckge”laſſen haͤtte. Als ich aber einſt uͤberlegte, daß ſich in al”len Koͤrpern Waſſer befinde, daß es das Vehikel aller ”Nahrungsmittel im Thier- und Pflanzenreiche, und in ”allen die Nahrungsſaͤfte zufuͤhrenden Gefaͤßen enthalten ”ſey, daß es alſo alle organiſirte Koͤrper zerſtoͤren wuͤrde, ”wenn es bey den natuͤrlichen Veraͤnderungen der Waͤrme ”der Luft ſtarken Ausdehnungen und Zuſammenziehungen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [285/0295]
blos auf die kurze Dauer dieſes gegenwaͤrtigen Lebens zu reichen.
Da kein Unbefangner ſo etwas fuͤr bloßes Spiel des Zufalls halten, oder auch dieſes aus der Natur hervorleuchtende Abſichtliche und Zweckmaͤßige laͤugnen kan, ſo entſteht hieraus nicht nur ein Beweis fuͤr das Daſeyn der Gottheit, den ſchon die Alten fuͤr einen der ſtaͤrkſten erkannten (Cic. Tuſcul. Diſp. I. 28. 29. De nat. Deor. II. 37. 38.), ſondern auch eine zur Bewunderung hinreiſſende und zu Erfuͤllung unſerer Pflichten antreibende Erkenntniß der erhabnen Eigenſchaften dieſes hoͤchſten Weſens. (Quatenus ex philoſophia naturali intelligere poſſumus, quaenam ſit prima rerum Cauſa, et quam poteſtatem et jus ea in nos habeat, et quae beneficia ei accepta ſint referenda; eatenus officium noſtrum erga eam, aeque ac erga nosmetipſos invicem, quid ſit, per lumen Naturae innoteſcit. Newtoni Optice. L. III. ſub fin.).
Betrachtungen dieſer Art gewaͤhren ein großes und edles Vergnuͤgen, das den Reiz theoretiſcher Speculationen bey weitem uͤberſteigt. ”Als ich entdeckt hatte“, ſagt Herr de Luͤc (Briefe uͤber die Geſchichte der Erde und des Menſchen, der Ueberſ. B. I. S. 37.) ”daß die Grade der ”Ausdehnung des Waſſers durch die Waͤrme, den Gra”den der wirklichen Vermehrung der Waͤrme nicht propor”tional, ſondern anfangs ungemein klein in Vergleichung ”mit den letztern Schritten ſind, ſo dachte ich uͤber die Ur”ſache davon nach, machte eine Hypotheſe, pruͤfte ſie mit ”gluͤcklichem Erfolg, und freute mich daruͤber ſo ſehr, als ”man ſich nur uͤber eine phyſikaliſche Entdeckung freuen ”kan; vergaß aber die ganze Sache wieder, ohne daß ſie ”mir etwas mehr, als ſchwache Erinnerungen, zuruͤckge”laſſen haͤtte. Als ich aber einſt uͤberlegte, daß ſich in al”len Koͤrpern Waſſer befinde, daß es das Vehikel aller ”Nahrungsmittel im Thier- und Pflanzenreiche, und in ”allen die Nahrungsſaͤfte zufuͤhrenden Gefaͤßen enthalten ”ſey, daß es alſo alle organiſirte Koͤrper zerſtoͤren wuͤrde, ”wenn es bey den natuͤrlichen Veraͤnderungen der Waͤrme ”der Luft ſtarken Ausdehnungen und Zuſammenziehungen
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