Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite


nach den Richtungen AD, BD stoßen, so nehme man CE=CD, und die Masse A wird sich nach dem Stoße mit der Geschwindigkeit und nach der Richtung EA, die Masse B mit der Geschwindigkeit und nach der Richtung EB bewegen. Man sieht leicht, daß dies alle Fälle darstellt. Liegt D zwischen A und B, so begegnen sich die Körper; liegt es über A oder B hinaus, wie Fig. 35. und 36, so holt einer den andern ein; liegt es in A oder B selbst, so ruht einer von beyden. Fällt E zwischen A und B, so springen die Körper nach dem Stoße beyde aus einander; fällt es über A oder B hinaus, wie Fig. 36., so gehen sie nach einerley Seite, und einer folgt dem andern; fällt es in A oder B selbst, so kömmt einer von beyden in Ruhe. Uebrigens ist der allgemeine Satz offenbar kein anderer, als der oben bey Num. 11.) angeführte, daß der Schwerpunkt nach dem Stoße in eben der Richtung und eben so geschwind fortgeht, als vor demselben.

In einem im Februar 1669 nachgesendeten Aufsatze zeigte Huygens zum erstenmale die merkwürdigen Sätze an, daß die Summe der Producte aus den Massen in die Quadrate der Geschwindigkeiten vor und nach dem Stoße gleich groß bleibe, und daß die Größe der Bewegung zwar vermehrt oder vermindert werden könne, aber doch allezeit nach einerley Seite zu unverändert bleibe, wenn man die nach der entgegengesetzten Seite gerichtete davon abziehe. Uebrigens nennt er zwar die elastischen Körper harte, aber nur im Gegensatze mit den weichen unelastischen, nicht in dem cartesianischen Sinne, als ob die vollkommne Härte schon an sich einen zureichenden Grund des Zurückspringens enthielte.

Weit schöner und mit sinnreichen Beweisen hat Huygens diese ganze Lehre in einem Buche ausgesührt, das erst nach seinem Tode ans Licht kam (Chr. Hugenii de motu corporum ex percussione liber in ej. Opp. reliqu. Amst. 1728. 4. To. II. p. 73.). Er trägt Bedenken, sich auf das einzulassen, was während des Stoßes in den Körpern selbst vorgeht; er gründet sich daher lieber auf Erfahrungen und auf den ihm eignen Grundsatz der aussteigenden Kräfte.


nach den Richtungen AD, BD ſtoßen, ſo nehme man CE=CD, und die Maſſe A wird ſich nach dem Stoße mit der Geſchwindigkeit und nach der Richtung EA, die Maſſe B mit der Geſchwindigkeit und nach der Richtung EB bewegen. Man ſieht leicht, daß dies alle Faͤlle darſtellt. Liegt D zwiſchen A und B, ſo begegnen ſich die Koͤrper; liegt es uͤber A oder B hinaus, wie Fig. 35. und 36, ſo holt einer den andern ein; liegt es in A oder B ſelbſt, ſo ruht einer von beyden. Faͤllt E zwiſchen A und B, ſo ſpringen die Koͤrper nach dem Stoße beyde aus einander; faͤllt es uͤber A oder B hinaus, wie Fig. 36., ſo gehen ſie nach einerley Seite, und einer folgt dem andern; faͤllt es in A oder B ſelbſt, ſo koͤmmt einer von beyden in Ruhe. Uebrigens iſt der allgemeine Satz offenbar kein anderer, als der oben bey Num. 11.) angefuͤhrte, daß der Schwerpunkt nach dem Stoße in eben der Richtung und eben ſo geſchwind fortgeht, als vor demſelben.

In einem im Februar 1669 nachgeſendeten Aufſatze zeigte Huygens zum erſtenmale die merkwuͤrdigen Saͤtze an, daß die Summe der Producte aus den Maſſen in die Quadrate der Geſchwindigkeiten vor und nach dem Stoße gleich groß bleibe, und daß die Groͤße der Bewegung zwar vermehrt oder vermindert werden koͤnne, aber doch allezeit nach einerley Seite zu unveraͤndert bleibe, wenn man die nach der entgegengeſetzten Seite gerichtete davon abziehe. Uebrigens nennt er zwar die elaſtiſchen Koͤrper harte, aber nur im Gegenſatze mit den weichen unelaſtiſchen, nicht in dem carteſianiſchen Sinne, als ob die vollkommne Haͤrte ſchon an ſich einen zureichenden Grund des Zuruͤckſpringens enthielte.

Weit ſchoͤner und mit ſinnreichen Beweiſen hat Huygens dieſe ganze Lehre in einem Buche ausgeſuͤhrt, das erſt nach ſeinem Tode ans Licht kam (Chr. Hugenii de motu corporum ex percuſſione liber in ej. Opp. reliqu. Amſt. 1728. 4. To. II. p. 73.). Er traͤgt Bedenken, ſich auf das einzulaſſen, was waͤhrend des Stoßes in den Koͤrpern ſelbſt vorgeht; er gruͤndet ſich daher lieber auf Erfahrungen und auf den ihm eignen Grundſatz der auſſteigenden Kraͤfte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0244" xml:id="P.4.234" n="234"/><lb/>
nach den Richtungen <hi rendition="#aq">AD, BD</hi> &#x017F;toßen, &#x017F;o nehme man <hi rendition="#aq">CE=CD,</hi> und die Ma&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">A</hi> wird &#x017F;ich nach dem Stoße mit der Ge&#x017F;chwindigkeit und nach der Richtung <hi rendition="#aq">EA,</hi> die Ma&#x017F;&#x017F;e <hi rendition="#aq">B</hi> mit der Ge&#x017F;chwindigkeit und nach der Richtung <hi rendition="#aq">EB</hi> bewegen. Man &#x017F;ieht leicht, daß dies alle Fa&#x0364;lle dar&#x017F;tellt. Liegt <hi rendition="#aq">D</hi> zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">B,</hi> &#x017F;o begegnen &#x017F;ich die Ko&#x0364;rper; liegt es u&#x0364;ber <hi rendition="#aq">A</hi> oder <hi rendition="#aq">B</hi> hinaus, wie Fig. 35. und 36, &#x017F;o holt einer den andern ein; liegt es in <hi rendition="#aq">A</hi> oder <hi rendition="#aq">B</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;o ruht einer von beyden. Fa&#x0364;llt <hi rendition="#aq">E</hi> zwi&#x017F;chen <hi rendition="#aq">A</hi> und <hi rendition="#aq">B,</hi> &#x017F;o &#x017F;pringen die Ko&#x0364;rper nach dem Stoße beyde aus einander; fa&#x0364;llt es u&#x0364;ber <hi rendition="#aq">A</hi> oder <hi rendition="#aq">B</hi> hinaus, wie Fig. 36., &#x017F;o gehen &#x017F;ie nach einerley Seite, und einer folgt dem andern; fa&#x0364;llt es in <hi rendition="#aq">A</hi> oder <hi rendition="#aq">B</hi> &#x017F;elb&#x017F;t, &#x017F;o ko&#x0364;mmt einer von beyden in Ruhe. Uebrigens i&#x017F;t der allgemeine Satz offenbar kein anderer, als der oben bey Num. 11.) angefu&#x0364;hrte, daß der Schwerpunkt nach dem Stoße in eben der Richtung und eben &#x017F;o ge&#x017F;chwind fortgeht, als vor dem&#x017F;elben.</p>
            <p>In einem im Februar 1669 nachge&#x017F;endeten Auf&#x017F;atze zeigte <hi rendition="#b">Huygens</hi> zum er&#x017F;tenmale die merkwu&#x0364;rdigen Sa&#x0364;tze an, daß die Summe der Producte aus den Ma&#x017F;&#x017F;en in die Quadrate der Ge&#x017F;chwindigkeiten vor und nach dem Stoße gleich groß bleibe, und daß die Gro&#x0364;ße der Bewegung zwar vermehrt oder vermindert werden ko&#x0364;nne, aber doch allezeit <hi rendition="#b">nach einerley Seite zu</hi> unvera&#x0364;ndert bleibe, wenn man die nach der entgegenge&#x017F;etzten Seite gerichtete davon abziehe. Uebrigens nennt er zwar die ela&#x017F;ti&#x017F;chen Ko&#x0364;rper <hi rendition="#b">harte,</hi> aber nur im Gegen&#x017F;atze mit den weichen unela&#x017F;ti&#x017F;chen, nicht in dem carte&#x017F;iani&#x017F;chen Sinne, als ob die vollkommne Ha&#x0364;rte &#x017F;chon an &#x017F;ich einen zureichenden Grund des Zuru&#x0364;ck&#x017F;pringens enthielte.</p>
            <p>Weit &#x017F;cho&#x0364;ner und mit &#x017F;innreichen Bewei&#x017F;en hat <hi rendition="#b">Huygens</hi> die&#x017F;e ganze Lehre in einem Buche ausge&#x017F;u&#x0364;hrt, das er&#x017F;t nach &#x017F;einem Tode ans Licht kam (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Chr. Hugenii</hi> de motu corporum ex percu&#x017F;&#x017F;ione liber in ej. Opp. reliqu. Am&#x017F;t. 1728. 4. To. II. p. 73.</hi>). Er tra&#x0364;gt Bedenken, &#x017F;ich auf das einzula&#x017F;&#x017F;en, was wa&#x0364;hrend des Stoßes in den Ko&#x0364;rpern &#x017F;elb&#x017F;t vorgeht; er gru&#x0364;ndet &#x017F;ich daher lieber auf Erfahrungen und auf den ihm eignen Grund&#x017F;atz der au&#x017F;&#x017F;teigenden Kra&#x0364;fte.<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[234/0244] nach den Richtungen AD, BD ſtoßen, ſo nehme man CE=CD, und die Maſſe A wird ſich nach dem Stoße mit der Geſchwindigkeit und nach der Richtung EA, die Maſſe B mit der Geſchwindigkeit und nach der Richtung EB bewegen. Man ſieht leicht, daß dies alle Faͤlle darſtellt. Liegt D zwiſchen A und B, ſo begegnen ſich die Koͤrper; liegt es uͤber A oder B hinaus, wie Fig. 35. und 36, ſo holt einer den andern ein; liegt es in A oder B ſelbſt, ſo ruht einer von beyden. Faͤllt E zwiſchen A und B, ſo ſpringen die Koͤrper nach dem Stoße beyde aus einander; faͤllt es uͤber A oder B hinaus, wie Fig. 36., ſo gehen ſie nach einerley Seite, und einer folgt dem andern; faͤllt es in A oder B ſelbſt, ſo koͤmmt einer von beyden in Ruhe. Uebrigens iſt der allgemeine Satz offenbar kein anderer, als der oben bey Num. 11.) angefuͤhrte, daß der Schwerpunkt nach dem Stoße in eben der Richtung und eben ſo geſchwind fortgeht, als vor demſelben. In einem im Februar 1669 nachgeſendeten Aufſatze zeigte Huygens zum erſtenmale die merkwuͤrdigen Saͤtze an, daß die Summe der Producte aus den Maſſen in die Quadrate der Geſchwindigkeiten vor und nach dem Stoße gleich groß bleibe, und daß die Groͤße der Bewegung zwar vermehrt oder vermindert werden koͤnne, aber doch allezeit nach einerley Seite zu unveraͤndert bleibe, wenn man die nach der entgegengeſetzten Seite gerichtete davon abziehe. Uebrigens nennt er zwar die elaſtiſchen Koͤrper harte, aber nur im Gegenſatze mit den weichen unelaſtiſchen, nicht in dem carteſianiſchen Sinne, als ob die vollkommne Haͤrte ſchon an ſich einen zureichenden Grund des Zuruͤckſpringens enthielte. Weit ſchoͤner und mit ſinnreichen Beweiſen hat Huygens dieſe ganze Lehre in einem Buche ausgeſuͤhrt, das erſt nach ſeinem Tode ans Licht kam (Chr. Hugenii de motu corporum ex percuſſione liber in ej. Opp. reliqu. Amſt. 1728. 4. To. II. p. 73.). Er traͤgt Bedenken, ſich auf das einzulaſſen, was waͤhrend des Stoßes in den Koͤrpern ſelbſt vorgeht; er gruͤndet ſich daher lieber auf Erfahrungen und auf den ihm eignen Grundſatz der auſſteigenden Kraͤfte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Bibliothek des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte : Bereitstellung der Texttranskription. (2015-09-02T12:13:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-09-02T12:13:09Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): keine Angabe; i/j in Fraktur: wie Vorlage; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): wie Vorlage; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: wie Vorlage; Vokale mit übergest. e: wie Vorlage; Vollständigkeit: keine Angabe; Zeichensetzung: keine Angabe; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/244
Zitationshilfe: Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 4. Leipzig, 1798, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch04_1798/244>, abgerufen am 28.04.2024.