Halbmesser beschreibt, mithin langsamer umschlägt, und mehr Zeit verstattet, die Basis unterzuschleben, und das Umschlagen zu verhüten. Daher ist es sehr leicht, lange Körper, deren Schwerpunkt hoch steht, zu balanciren, z. B. einen Stock mit einer Bleykugel, eine Leiter mit einem oben aufsitzenden Kinde (s. LeupoldTheatr. Staticum Tab. II.), wozu fast nichts gehört, als Kühnheit, es zu versuchen. Dagegen wird das Balanciren leichter Körper, z. B. einer Pfauenfeder, für ein Kunststück gehalten. Leichte und kurze Körper, wie eine Stecknadel, zu balanciren, fällt unmöglich.
Seiltänzerkünste beruhen auf feinem und stetem Gefühl vom Schwerpunkte seines eignen Körpers. Die Balancirstange, an den Enden mit Bley ausgegossen, dient, den gemeinschaftlichen Schwerpunkt des Körpers und der Stange nach Besinden auf die eine oder andere Seite zurück zu bringen, indem die Stange in den Händen verschoben oder in schiefe Richtungen gebracht wird. Diese Stangen erleichtern desto mehr, je schwerer und je länger sie sind. In Ermanglung der Stangen helfen sich die Seiltänzer mit Ausstreckung der Arme, und überhaupt mit beständiger Bewegung.
Man kan Körper so zusammenfügen und unterstützen, daß sie der Gefahr, zu fallen, ausgesetzt scheinen, und dennoch dafür sicher sind. Dies geschieht z. B., wenn ein sehr leichter Körper mit einem sehr schweren so verbunden wird, daß der gemeinschastliche Schwerpunkt von beyden, bey aufrechter Stellung des Ganzen, niedriger liegt, als der Unterstützungspunkt. Solche Körper stellen sich durch ihr Gewicht so, daß der Schwerpunkt lothrecht unter den gestützten Grund kömmt, und stehen dann ruhig. So macht man kleine Seiltänzer von Holz, woran zween gebogne Dräthe mit Bleykugeln stecken. Der gemeinschaftliche Schwerpunkt fällt in die freye Luft unter die Füße des Männchens, das sich also auf einem gespannten Bindfaden von selbst ausrecht stellt und erhält. Eben so hat man hölzerne Männchen mit langen Sägen, an deren Ende sich eine schwere Kugel befindet. Setzt man die Füße, welche
Halbmeſſer beſchreibt, mithin langſamer umſchlaͤgt, und mehr Zeit verſtattet, die Baſis unterzuſchleben, und das Umſchlagen zu verhuͤten. Daher iſt es ſehr leicht, lange Koͤrper, deren Schwerpunkt hoch ſteht, zu balanciren, z. B. einen Stock mit einer Bleykugel, eine Leiter mit einem oben aufſitzenden Kinde (ſ. LeupoldTheatr. Staticum Tab. II.), wozu faſt nichts gehoͤrt, als Kuͤhnheit, es zu verſuchen. Dagegen wird das Balanciren leichter Koͤrper, z. B. einer Pfauenfeder, fuͤr ein Kunſtſtuͤck gehalten. Leichte und kurze Koͤrper, wie eine Stecknadel, zu balanciren, faͤllt unmoͤglich.
Seiltaͤnzerkuͤnſte beruhen auf feinem und ſtetem Gefuͤhl vom Schwerpunkte ſeines eignen Koͤrpers. Die Balancirſtange, an den Enden mit Bley ausgegoſſen, dient, den gemeinſchaftlichen Schwerpunkt des Koͤrpers und der Stange nach Beſinden auf die eine oder andere Seite zuruͤck zu bringen, indem die Stange in den Haͤnden verſchoben oder in ſchiefe Richtungen gebracht wird. Dieſe Stangen erleichtern deſto mehr, je ſchwerer und je laͤnger ſie ſind. In Ermanglung der Stangen helfen ſich die Seiltaͤnzer mit Ausſtreckung der Arme, und uͤberhaupt mit beſtaͤndiger Bewegung.
Man kan Koͤrper ſo zuſammenfuͤgen und unterſtuͤtzen, daß ſie der Gefahr, zu fallen, ausgeſetzt ſcheinen, und dennoch dafuͤr ſicher ſind. Dies geſchieht z. B., wenn ein ſehr leichter Koͤrper mit einem ſehr ſchweren ſo verbunden wird, daß der gemeinſchaſtliche Schwerpunkt von beyden, bey aufrechter Stellung des Ganzen, niedriger liegt, als der Unterſtuͤtzungspunkt. Solche Koͤrper ſtellen ſich durch ihr Gewicht ſo, daß der Schwerpunkt lothrecht unter den geſtuͤtzten Grund koͤmmt, und ſtehen dann ruhig. So macht man kleine Seiltaͤnzer von Holz, woran zween gebogne Draͤthe mit Bleykugeln ſtecken. Der gemeinſchaftliche Schwerpunkt faͤllt in die freye Luft unter die Fuͤße des Maͤnnchens, das ſich alſo auf einem geſpannten Bindfaden von ſelbſt auſrecht ſtellt und erhaͤlt. Eben ſo hat man hoͤlzerne Maͤnnchen mit langen Saͤgen, an deren Ende ſich eine ſchwere Kugel befindet. Setzt man die Fuͤße, welche
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Halbmeſſer beſchreibt, mithin langſamer umſchlaͤgt, und mehr Zeit verſtattet, die Baſis unterzuſchleben, und das Umſchlagen zu verhuͤten. Daher iſt es ſehr leicht, lange Koͤrper, deren Schwerpunkt hoch ſteht, zu balanciren, z. B. einen Stock mit einer Bleykugel, eine Leiter mit einem oben aufſitzenden Kinde (ſ. <hirendition="#b">Leupold</hi><hirendition="#aq">Theatr. Staticum Tab. II.</hi>), wozu faſt nichts gehoͤrt, als Kuͤhnheit, es zu verſuchen. Dagegen wird das Balanciren leichter Koͤrper, z. B. einer Pfauenfeder, fuͤr ein Kunſtſtuͤck gehalten. Leichte und kurze Koͤrper, wie eine Stecknadel, zu balanciren, faͤllt unmoͤglich.</p><p>Seiltaͤnzerkuͤnſte beruhen auf feinem und ſtetem Gefuͤhl vom Schwerpunkte ſeines eignen Koͤrpers. Die Balancirſtange, an den Enden mit Bley ausgegoſſen, dient, den gemeinſchaftlichen Schwerpunkt des Koͤrpers und der Stange nach Beſinden auf die eine oder andere Seite zuruͤck zu bringen, indem die Stange in den Haͤnden verſchoben oder in ſchiefe Richtungen gebracht wird. Dieſe Stangen erleichtern deſto mehr, je ſchwerer und je laͤnger ſie ſind. In Ermanglung der Stangen helfen ſich die Seiltaͤnzer mit Ausſtreckung der Arme, und uͤberhaupt mit beſtaͤndiger Bewegung.</p><p>Man kan Koͤrper ſo zuſammenfuͤgen und unterſtuͤtzen, daß ſie der Gefahr, zu fallen, ausgeſetzt ſcheinen, und dennoch dafuͤr ſicher ſind. Dies geſchieht z. B., wenn ein ſehr leichter Koͤrper mit einem ſehr ſchweren ſo verbunden wird, daß der gemeinſchaſtliche Schwerpunkt von beyden, bey aufrechter Stellung des Ganzen, niedriger liegt, als der Unterſtuͤtzungspunkt. Solche Koͤrper ſtellen ſich durch ihr Gewicht ſo, daß der Schwerpunkt lothrecht unter den geſtuͤtzten Grund koͤmmt, und ſtehen dann ruhig. So macht man kleine Seiltaͤnzer von Holz, woran zween gebogne Draͤthe mit Bleykugeln ſtecken. Der gemeinſchaftliche Schwerpunkt faͤllt in die freye Luft unter die Fuͤße des Maͤnnchens, das ſich alſo auf einem geſpannten Bindfaden von ſelbſt auſrecht ſtellt und erhaͤlt. Eben ſo hat man hoͤlzerne Maͤnnchen mit langen Saͤgen, an deren Ende ſich eine ſchwere Kugel befindet. Setzt man die Fuͤße, welche<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
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Halbmeſſer beſchreibt, mithin langſamer umſchlaͤgt, und mehr Zeit verſtattet, die Baſis unterzuſchleben, und das Umſchlagen zu verhuͤten. Daher iſt es ſehr leicht, lange Koͤrper, deren Schwerpunkt hoch ſteht, zu balanciren, z. B. einen Stock mit einer Bleykugel, eine Leiter mit einem oben aufſitzenden Kinde (ſ. Leupold Theatr. Staticum Tab. II.), wozu faſt nichts gehoͤrt, als Kuͤhnheit, es zu verſuchen. Dagegen wird das Balanciren leichter Koͤrper, z. B. einer Pfauenfeder, fuͤr ein Kunſtſtuͤck gehalten. Leichte und kurze Koͤrper, wie eine Stecknadel, zu balanciren, faͤllt unmoͤglich.
Seiltaͤnzerkuͤnſte beruhen auf feinem und ſtetem Gefuͤhl vom Schwerpunkte ſeines eignen Koͤrpers. Die Balancirſtange, an den Enden mit Bley ausgegoſſen, dient, den gemeinſchaftlichen Schwerpunkt des Koͤrpers und der Stange nach Beſinden auf die eine oder andere Seite zuruͤck zu bringen, indem die Stange in den Haͤnden verſchoben oder in ſchiefe Richtungen gebracht wird. Dieſe Stangen erleichtern deſto mehr, je ſchwerer und je laͤnger ſie ſind. In Ermanglung der Stangen helfen ſich die Seiltaͤnzer mit Ausſtreckung der Arme, und uͤberhaupt mit beſtaͤndiger Bewegung.
Man kan Koͤrper ſo zuſammenfuͤgen und unterſtuͤtzen, daß ſie der Gefahr, zu fallen, ausgeſetzt ſcheinen, und dennoch dafuͤr ſicher ſind. Dies geſchieht z. B., wenn ein ſehr leichter Koͤrper mit einem ſehr ſchweren ſo verbunden wird, daß der gemeinſchaſtliche Schwerpunkt von beyden, bey aufrechter Stellung des Ganzen, niedriger liegt, als der Unterſtuͤtzungspunkt. Solche Koͤrper ſtellen ſich durch ihr Gewicht ſo, daß der Schwerpunkt lothrecht unter den geſtuͤtzten Grund koͤmmt, und ſtehen dann ruhig. So macht man kleine Seiltaͤnzer von Holz, woran zween gebogne Draͤthe mit Bleykugeln ſtecken. Der gemeinſchaftliche Schwerpunkt faͤllt in die freye Luft unter die Fuͤße des Maͤnnchens, das ſich alſo auf einem geſpannten Bindfaden von ſelbſt auſrecht ſtellt und erhaͤlt. Eben ſo hat man hoͤlzerne Maͤnnchen mit langen Saͤgen, an deren Ende ſich eine ſchwere Kugel befindet. Setzt man die Fuͤße, welche
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Gehler, Johann Samuel Traugott: Physikalisches Wörterbuch, oder, Versuch einer Erklärung der vornehmsten Begriffe und Kunstwörter der Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1798, S. 934. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gehler_woerterbuch03_1798/940>, abgerufen am 23.11.2024.
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